Oberhof. Denise Herrmann-Wick hat sich bei der Heim-WM einen Traum erfüllt. Die 34-Jährige gewann Gold im Sprint − und ließ sich feiern.

Ganz entspannt mit Tochter Anouk auf den Schultern verfolgte Erik Lesser das WM-Geschehen am Schießstand und legte sich früh fest: „Das ist Gold“, sagte der Ex-Weltmeister und jetzige TV-Experte, nachdem Denise Herrmann-Wick die zweite fehlerfreie Schießübung im 7,5-km-Sprint von Oberhof gelungen war. Ungeachtet des 9-Sekunden-Vorsprungs, den die Schwedin Hanna Öberg zu diesem Zeitpunkt auf die Deutsche hatte, sowie der noch folgenden Konkurrenz. „Die letzte Runde ist ihre.“ Und Lesser sollte Recht behalten. Angetrieben von 11.000 enthusiastischen Zuschauern flog die 34-Jährige auf den letzten 2,5 Kilometern förmlich über die Strecke und sicherte sich in 21:19.7 Minuten den ersehnten Titel vor heimischer Kulisse. 2,2 Sekunden war sie letztlich schneller als Öberg. Deren ebenfalls makellos schießende Landsfrau Linn Persson wurde mit einem Rückstand von 26,7 Sekunden Dritte.

Die Arena am Rennsteig bebte und feierte eine überwältigte Sächsin. Sie hat nicht nur dank ihrer Hochzeit im September 2022 mit dem früheren Zella-Mehliser Skilangläufer Thomas Wick eine besondere Verbindung nach Thüringen. „In Oberhof habe ich nach meinem Wechsel auch die ersten Schüsse gemacht. Hier den WM-Titel zu gewinnen, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Aber wenn die Mama zuguckt, muss man sich schon anstrengen“, sagte die Weltmeisterin grinsend und jubelte: „Es fühlt sich großartig an.“

Bei der Heim-WM hat sich ein Kreis geschlossen

2016 war die erfolgreiche Langläuferin ins Lager der Skijäger umgezogen. Ein Umstieg, der keinesfalls reibungslos verlief. Das Schießen hatte sie immer wieder zur Verzweiflung getrieben; vor allem, wenn Wind dazu kam. Der fehlenden Erfahrung setzte sie Fleiß und Beharrlichkeit entgegen; schob Sonderschichten beim früheren Bundestrainer Gerald Hönig am Grenzadler und ließ sich auch von Rückschlägen nicht beirren. Längst hat sich ihr Wechsel als goldrichtige Entscheidung erwiesen. 2019 stürmte sie im schwedischen Östersund zu ihrem ersten WM-Titel (Verfolgung) und setzte im vergangenen Jahr mit dem Olympiasieg in Peking (Einzel) noch einen drauf. Dass sich nun mit dem Triumph in Oberhof ein Kreis geschlossen hat, sei etwas Besonderes: „Eine Heim-WM ist noch einmal ein ganz anderer Gipfel.“

Denise Herrmann-Wick beim Stehendschießen.
Denise Herrmann-Wick beim Stehendschießen. © Getty Images | Getty Images

Entsprechend ausgelassen hatte sie auf dem Siegerpodest gefeiert. Passend zu ihrer Partylaune dröhnte der Ballermann-Hit „Der Zug hat keine Bremse“ aus den Lautsprechern. Unter den Klängen hatte sich schon zur Eröffnungsfeier am Dienstag die gesamte deutsche Mannschaft auf die Heim-WM eingestimmt. Herrmann-Wick galt nach ihren starken Ergebnissen in dieser Saison – unter anderem dem Sprintsieg in Hochfilzen und den Verfolgungstriumph in Antholz – als Lokomotive des Teams. Und trotz „hohem Puls schon beim Einlaufen“ ist sie dieser Rolle gerecht geworden.

Herrmann-Wick in Oberhof unter Volldampf

Unter Volldampf war sie auf der Strecke wieder einmal der gesamten Konkurrenz davongelaufen, bewies aber auch am Schießstand neu gewonnene Stabilität. „Gelassenheit war ja nie so meine Stärke. Aber ich habe sie mir in den letzten Jahren erarbeitet“, sagte sie. Statt alles perfekt machen zu wollen, ging die Blondine die Aufgaben entspannter an, ließ manche Dinge auch mal laufen. Herrmann-Wick: „Dass ich schon Weltmeisterin und Olympiasiegerin war und das nicht mehr toppen konnte, hat es vielleicht etwas leichter gemacht.“

Sportdirektor Felix Bitterling war voll des Lobes über die Weltmeisterin: „Denise ist eine wahnsinnig beeindruckende Athletin, hochprofessionell, die trotz ihrer Erfolge, die sie in der Vergangenheit hatte, immer noch ein bisschen rauskitzeln will“, sagte er und fügte hinzu: „Wir genießen den Tag, der Erfolg wird auch unseren Männern guttun.“

Auf dem Weg zu Gold: Denise Herrmann-Wick.
Auf dem Weg zu Gold: Denise Herrmann-Wick. © Getty Images | Getty Images

Im Sog des Titelgewinns wollen sie im 10-km-Sprint am Samstag (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) möglichst nachlegen. Neben Benedikt Doll, der den Titel 2017 über die kurze Distanz schon einmal gewinnen konnte, vertreten Roman Rees, Johannes Kühn, Justus Strelow und David Zobel die deutschen Farben. Als haushoher Favorit geht allerdings Superstar Johannes Thingnes Bö an den Start. Der Norweger hat in diesem Winter elf von 14 Einzelwettbewerben für sich entschieden – darunter alle fünf Sprintrennen.