Frankfurt/Main. Nur 15 WM-Teilnehmer schaffen es in das erste Länderspiel-Aufgebot 2023. Hansi Flick setzt beim Aufbruch Richtung Heim-EM deutliche personelle Signale. Er will den Kader „breiter aufstellen“.

Hansi Flick schaute verschmitzt - dieser Überraschungscoup ist ihm schon mal geglückt. Kein Leroy Sané, kein Antonio Rüdiger, kein Niklas Süle - dafür aber gleich fünf Länderspiel-Neulinge wie der Stuttgarter Josha Vagnoman oder Wolfsburgs Felix Nmecha, die kaum ein Fußball-Experte auf dem DFB-Radar hatte.

Der Bundestrainer läutet die von ihm angestrebte Zeitenwende vom WM-Debakel in Katar zu einem begeisternden Fußballsommer bei der Heim-EM 2024 mit einem verblüffenden 24-Mann-Kader ein.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Das Ausmaß des Umbaus für die Testspiele am Samstag kommender Woche in Mainz gegen Peru und drei Tage später gegen den WM-Teilnehmer Belgien in Köln übertraf die kühnsten Erwartungen. Die zuletzt bei drei Turnier-Flops verprellten Fans dürfen auf zahlreiche neue Gesichter wie auch den Augsburger Torjäger Mergim Berisha, Dortmuns Marius Wolf oder England-Legionär Kevin Schade gespannt sein. Gleich zum Start der Vorbereitung öffnet der DFB am Montagnachmittag in Frankfurt zudem die Tore für ein öffentliches Training. Die zuletzt meist abgeschottete Nationalelf wirbt offensiv um ihre Anhänger.

Flick: „Wir wollen den Kader breit aufstellen“

„Es ist wichtig, dass wir im Hinblick auf die Heim-EM einen guten Kader präsentieren. Dafür brauchen wir Alternativen. Diese müssen wir suchen und müssen ihnen auch Zeit geben zum Fördern“, begründete Flick das große Neulings-Casting mit den beiden Offensivspielern Berisha (24) und Schade (21), den Außenverteidigern Wolf (27) und Vagnoman (22) sowie Mittelfeldspieler Felix Nmecha (22). „Unsere Aufgabe ist es, dass wir Alternativen suchen und den Kader breiter aufstellen. Damit wollen wir jetzt im März anfangen“, sagte Flick.

„Wir gucken, welcher Spieler kommt unserer Idee von Fußball nahe, die wir auf den jeweiligen Positionen brauchen“, erläuterte der Bundestrainer die Auswahl der Neuen. U21-Europameister Berisha soll sich etwa als Mittelstürmer präsentieren. Flick sah ihn zuletzt als Doppeltorschützen gegen den FC Bayern in München glänzen: „Gucken wir mal, wie er sich hier bei uns verkauft“, sagte er.

Ganz „bewusst“ habe er in der ausgerufenen Experimentierphase auf etablierte Nationalspieler verzichtet. „Wir sind der Meinung: Wenn wir die Spieler sehen wollen, müssen wir ihnen auch Raum und Zeit geben“, erläuterte Flick. Berisha reagierte erfreut, aber auch mit Demut: „Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Ich habe lange und hart dafür gearbeitet, weiß aber auch, dass ich damit noch nichts erreicht habe“, sagte er.

Aussortiert seien Bayern-Profi Sané, Abwehrchef Rüdiger (Real Madrid) und auch der Dortmunder Süle nicht, versicherte Flick glaubhaft. Gleiches hatte er auch bei Thomas Müller (33) und Ilkay Gündogan (32) betont, deren Länderspiel-Pause beim Neuanfang schon zuvor festgestanden hatte. „Das hat nichts mit der Leistung zu tun. Ich glaube, alle, die wir jetzt weggelassen haben, haben enorme Qualität und tun uns gut“, sagte Flick.

Trotzdem setzt er mit dem ersten Kader 2023 Zeichen. Nur 15 von 26 Katar-Fahrern wurden wieder eingeladen. Zu den Neulingen kommen vier Rückkehrer. Neben Torwart Bernd Leno für den verletzten Kapitän Manuel Neuer sind das die bei der WM verletzt fehlenden Timo Werner und Supertalent Florian Wirtz sowie unerwartet der Dortmunder Emre Can (29).

Kimmich führt die DFB-Elf als Kapitän an

Das Heimturnier im Sommer 2024 muss sich jeder Akteur mit Topleistung und Leidenschaft im Nationaltrikot neu verdienen. Sané, Rüdiger und Süle sollen Zeit in ihren Vereinen dazu nutzen, „indem sie trainieren und den Akku aufladen“. Gegen Peru und Belgien dürfen sich auf ihren Positionen andere Kandidaten zeigen, in der Abwehr etwa der von Flick explizit genannte Freiburger Matthias Ginter. Ganz ohne Etablierte wird es freilich nicht gehen. Bayern-Profi Joshua Kimmich (28) wird die verjüngte Mannschaft als Kapitän anführen. Und Marc-André ter Stegen (30) soll in beiden Testpartien den verletzten Neuer vertreten.

„Eine Mannschaft lebt von einem stabilen Kern. Aber neue Einflüsse sind auch wichtig“, sagte Flick. Gleichzeitig weiß er, dass nur dauerhafte Erfolge und attraktiver Fußball einen Stimmungsumschwung bei den Fans auslösen können. „Wenn du Siege einfährst, hast du mehr Vertrauen in deine Qualität. Jeder Sieg ist wertvoll“, sagte der 58-Jährige, der bis zum EM-Eröffnungsspiel am 14. Juni 2024 in München eine „starke“ Mannschaft formen will.

Seine Lehren aus der WM will Flick konsequent umsetzen. Das Erwartungslevel an die Spieler lautet im sportlichen Bereich, sich in jedem Länderspiel „zu zerreißen“. Störgrößen wie die leidige Kapitänsbinden-Debatte will der Bundestrainer nicht mehr dulden: „Es darf nicht noch mal so sein, dass diese Dinge im Fokus stehen“, sagte er zu den negativen Erfahrungen in Katar. Er fordert einen Schulterschluss in Deutschland: „Wir sollten schauen, dass wir eine gute EM spielen.“