Doha/Al-Ruwais. Nach der Auftaktpleite gegen Japan droht Deutschland das frühe WM-Aus. Hansi Flick steht in der Kritik und muss die Abwehr festigen.

Am Donnerstag scheint schon wieder die Sonne in Katar. Es scheint ja immer die Sonne in Katar, und so geht sie auch am Donnerstagmorgen über dem Zulal Wellness Resort auf. Jenem Luxushotel im Norden des Landes, in dem die deutsche Nationalmannschaft während der WM im Wüstenstaat residiert, und in dem in der Nacht zum Donnerstag an Wellness nicht zu denken war.

Der 1:2 (1:0)-Auftakt gegen Japan dürfte so manchem Beteiligten eine unruhige Nacht beschert haben. Den Offensivspielern, die trotz bester Chancen kein zweites Tor nachlegten, nachdem Ilkay Gündogan per Foulelfmeter die Führung besorgt hatte (33.). Und vor allem so manchem Defensivspieler. Denn bei den Gegentoren durch Ritsu Doan (75.) und Takuma Asano (83.) agierte die deutsche Hintermannschaft schlecht bis desaströs.

Scharfe Kritik an der DFB-Elf aus der Heimat

So war es auch für Hansi Flick eine kurze Nacht, das ist ihm anzumerken, als er sich am Donnerstag in einer digitalen Pressekonferenz zu Wort meldet. Noch in der Nacht hat der Bundestrainer mit seinen Assistenten die Pleite per Video analysiert, um herauszufinden, was so gewaltig schiefgelaufen war zum WM-Start. Das ist eine neue Erfahrung für den Mann, für den in den vergangenen Jahren irgendwie immer die Sonne schien. Flick gewann mit dem FC Bayern in anderthalb Jahren alle Titel, die der Vereinsfußball hergibt. Er wurde im Nationalteam wie ein Heilsbringer empfangen. Jetzt steht er erstmals im Regen. Jetzt merkt er, mit welcher Wucht in der Heimat geurteilt wird, wenn der WM-Auftakt misslingt.

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Ex-Weltmeister Paul Breitner etwa schimpfte beim Münchner Merkur und in der tz, es sei ihm „ein Rätsel, warum Thomas Müller und Ilkay Gündogan ausgewechselt wurden, dafür gab es doch keinen triftigen Grund“. Ähnlich Andreas Möller: „Das Herz einer jeden Mannschaft ist ein kompaktes Mittelfeld“, meinte er im Kicker. Mit Gündogans Auswechslung habe man „diesem Herz nach einer Stunde die Sauerstoffzufuhr verweigert“. Und Dietmar Hamann kritisierte bei Sky nicht zum ersten Mal den Verzicht auf Mats Hummels: „Man hatte sich dazu entschieden, Harmonie über alles zu stellen. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Hummels nicht dabei ist. Aber mit einer ruhigen, harmonischen Truppe wirst du nichts gewinnen.“

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Die Abwehr hatte ja auch reichlich Angriffsfläche geboten – den Japanern zum Toreschießen und den Experten zur Kritik. Vor dem ersten Gegentreffer lieferte Niklas Süle nur Geleitschutz, vor dem zweiten verschlief er die Abseitsfalle – und Nico Schlotterbeck erfasste die Brisanz der Situation erst, als es schon zu spät war. Tags darauf nimmt Bundestrainer Flick seine Abwehrspieler nur halbherzig in Schutz: „Niki hat es bisher im Training gut gemacht.“ Bisher. Im Training. Heißt auch: im Spiel eher nicht. „In den letzten 20 bis 25 Minuten muss ich als Abwehrspieler mit jeder Gier das Tor verteidigen“, moniert Flick, ohne Namen zu nennen. „Wenn man 1:0 führt, kann und muss man das nach Hause spielen.“

Ilkay Gündogan warnt vor Spaniern

Schöne Grüße auch an Schlotterbeck, der vor den Gegentoren nicht sicher wirkte. Aber auch Flick wird sich fragen müssen, ob er mit der Auswahl seiner Hintermannschaft richtig lag. Warum spielte der in den vergangenen Wochen oft anfällige Schlotterbeck und nicht der grundsolide Matthias Ginter? Warum tourt Mats Hummels mit Borussia Dortmund durch Asien, anstatt in Katar zu helfen? Der Weltmeister von 2014 hätte in der Innenverteidigung voraussichtlich deutlich umsichtiger agiert. Andererseits hätte man Hummels auch nicht zwingend in Laufduellen mit den pfeilschnellen Japanern erleben wollen.

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Flick wird nun einiges zu tun haben, um seine Mannschaft für das nächste Spiel besser einzustellen. Dann ist ja auch der Gegner besser, der zum Aufwärmen Costa Rica 7:0 abfertigte. „Spanien wird technisch auf extrem hohem Niveau agieren, taktisch sind sie auch sehr gut“, warnt Ilkay Gündogan. Und gegen diesen Gegner steht die Mannschaft nun am Sonntag (20 Uhr/ARD) mit dem Rücken zur Wand. Flick muss also in den kommenden Tagen herausfinden, welche seiner Spieler mit einer solchen Drucksituation besonders gut umgehen können.

Nun ist Charakter bei der deutschen Nationalmannschaft gefragt

Nach dem zweiten Gegentor gegen Japan machten nicht alle diesen Eindruck, auch das besorgt den Bundestrainer. „Es ist jetzt wichtig, dass wir Charakter zeigen am Sonntag“, fordert er – und sagt dann einen Satz, den er an diesem Donnerstag in leichten Variationen wiederholt: „Wir können und müssen es besser machen.“ Selbstbewusstsein, berechtigte Hoffnung oder doch nur Zweckoptimismus? Das wird sich am Sonntag zeigen.