Essen. Wer wird Weltmeister in Katar? Die heißesten Titelkandidaten bei der WM 2022 sind sämtlich bereits Sieger gewesen. Ein Favoritencheck.

Am Sonntag beginnt die Weltmeisterschaft in Katar mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador, die aufgrund der Menschenrechtslage in dem arabischen Land in Deutschland wohl so umstritten ist wie kein großes Fußball-Turnier zuvor. Gespielt wird trotzdem – und vor allem vier Mannschaften schielen darauf, den goldenen Pokal nach dem Finale am 18. Dezember in den Händen zu halten: Brasilien, Argentinien, Frankreich und Spanien. Alle vier WM-Titelkandidaten sind bereits Weltmeister geworden, alle haben viele Stärken und ein paar Schwächen.

Welche Nation aber hat die größten Chancen auf den Erfolg in diesem Winter? Ein Favoritencheck.

Brasilien

Ganz bewusst hat Katar versucht, potenzielle WM-Stars bei Paris Saint-Germain – der Klub wird finanziert durch eine katarische Investorengruppe – unter Vertrag zu nehmen. Darunter Kylian Mbappé (Frankreich), Lionel Messi (Argentinien) und eben auch der Brasilianer Neymar.

Der Brasilianer Neymar ist einer Superstars bei der WM 2022 in Katar.
Der Brasilianer Neymar ist einer Superstars bei der WM 2022 in Katar. © AFP

Dieser eigenwillige Künstler, der in guten Momenten für ein wildes Spektakel auf dem Rasen sorgen kann, der in schlechten Momenten nach leichten Remplern seiner Gegenspieler jedoch gerne das ganz große Theater aufführt. In diesem Winter befindet sich der 30-Jährige in beachtlicher Form – so wie die gesamte brasilianische Mannschaft.

Der Rekordweltmeister (fünf Titel) verteilt unter Trainer Tite (61) die Verantwortung in der Offensive längst auf mehrere Schultern. Neymar übernimmt die Führungsrolle, doch auch andere Spieler wie Richarlison (25/Tottenham Hotspur), Raphinha (25/FC Barcelona) und Vinicius Junior (22/Real Madrid) können Begegnungen prägen. Casemiro (30/Manchester United) dürfte zu den zweikampfstärksten Sechsern des Turniers gehören, die Innenverteidiger Marquinhos (28/Paris Saint-Germain) und Thiago Silva (38/FC Chelsea) zerfleischen sich, um das eigene Tor zu verteidigen. Dadurch hat Brasilien in der WM-Qualifikation einen neuen Rekord in Südamerika aufgestellt, 45 Punkte aus 17 Spielen gesammelt. Die Fans erwarten den sechsten WM-Erfolg. Und Neymar könnte so aus dem Schatten von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo treten.

Die Titelchancen? Hoch.

Argentinien

Acht Jahre sind vergangenen, seit Argentinien den WM-Titel vor Augen hatte, aber gegen Deutschland im Finale durch ein Tor von Mario Götze scheiterte. Lionel Messi (35) durfte den WM-Pokal nur anschauen, jedoch nicht anfassen. Dies soll sich ändern.

Argentiniens Weltstar Lionel Messi scheitert 2014 im Finale an Deutschland.
Argentiniens Weltstar Lionel Messi scheitert 2014 im Finale an Deutschland. © Getty

35 Spiele in Folge hat der amtierende Südamerika-Meister nicht verloren. Trainer Lionel Scaloni (44) lässt seinen großen Star (Messi) auf der Zehn spielen und setzt dazu auf Kompaktheit und eine sichere Defensive. Die Mannschaft hält ihrem Ausnahmekönner den Rücken frei, viele Partien wurden nur mit einem Tor Vorsprung gewonnen. Oft war es Messi, der für die entscheidenden Momente sorgte. Seine aufsteigende Form in den vergangenen Monaten lässt Argentinien hoffen.

Neben Messi kann aber auch Stürmer Lautaro Martinez (25/Inter Mailand) Spiele entscheiden. Genauso Angel Di Maria (34/Juventus Turin). Und Paulo Dybala (29/AS Rom).

Die Titelchancen? Gut.

Frankreich

Bei der vergangenen Weltmeisterschaft in Russland 2018 versuchte Deutschland, den Titel zu verteidigen, und schied kläglich in der Vorrunde aus. So wie zuvor schon Frankreich (2002), Italien (2010) und Spanien (2014). Nun möchte Frankreich als Titelverteidiger diesen Fluch brechen – und eigentlich sollte die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps (54) in einer Gruppe mit Dänemark, Australien und Tunesien in keine größeren Turbulenzen kommen.

Zwei Superstars bereiten sich auf die WM 2022 in Katar vor: Kylian Mbappe (l.) und Weltfußballer Karim Benzema wollten mit Frankreich den Titel verteidigen.
Zwei Superstars bereiten sich auf die WM 2022 in Katar vor: Kylian Mbappe (l.) und Weltfußballer Karim Benzema wollten mit Frankreich den Titel verteidigen. © AFP

In der Equipe Tricolore tummeln sich zahlreiche begnadete Fußballer, darunter PSG-Star Kylian Mbappé (23) und Weltfußballer Karim Benzema (34/Real Madrid). Selbst den kurzfristigen Ausfall von Christopher Nkunku (25), der sich bei RB Leipzig zu einem der besten Spieler der Bundesliga entwickelt hat, sollte Frankreich kompensieren können. Deschamps hat Randal Kolo Muani (23) von Eintracht Frankfurt nachnominiert. Schwerer wiegt da schon der Verlust von N’Golo Kante (31/FC Chelsea), den eine Oberschenkelverletzung an der Teilnahme hindert. Der Weltmeister dürfte dadurch an Stabilität verlieren. Dafür scheint sich Antoine Griezmann (31/Atlético Madrid) aus seinem Tief befreit zu haben. Die individuelle Qualität und die Dichte des Kaders beeindrucken ohnehin.

Wenn sich die Einzelkönner zu einem funktionierenden Gebilde zusammenraufen, wenn Mbappé und Benzema gemeinsam im Angriff funktionieren, dann wird es für jede Mannschaft schwer, sich Frankreich in den Weg zu stellen.

Die Titelchancen? Hoch.

Spanien

Deutschland trifft im zweiten WM-Gruppenspiel auf Spanien.
Deutschland trifft im zweiten WM-Gruppenspiel auf Spanien. © dpa

Ein Weltmeister von 2010, als Spanien den Fußball dominierte, steht noch im aktuellen Aufgebot: Sergio Busquets (34), der ewige Organisator vom FC Barcelona. Spannung versprechen aber vor allem die großen Talente, denen zugetraut werden kann, das Scheinwerferlicht bei dieser WM anzuziehen. Pedri (19) und Gavi (18) vom FC Barcelona sollen im Mittelfeld von Trainer Luis Enrique (52) verzücken. Ansu Fati (20), ebenfalls vom FC Barcelona, und Nico Williams (20) aus Bilbao verfügen über bemerkenswertes Tempo. Die Leistungsdichte ist hoch. „Ich könnte auch 40 Spieler mit nach Katar nehmen“, hatte Enrique vor der Nominierung gesagt – und auf Stars wie Sergio Ramos (36/Paris Saint-Germain) und Thiago Alcantara (31/FC Liverpool) verzichtet.

Bei der Europameisterschaft 2021 scheiterte Spanien unglücklich im Halbfinale gegen den späteren Sieger Italien, für einige Experten war Enriques Elf trotzdem die stärkste der EM. Immer noch glänzt die Auswahl durch Ballsicherheit, Passgenauigkeit und die Fähigkeit, sich einen Gegner in Ruhe zurechtzulegen.

Ob allerdings die Defensivqualitäten genügen, ob sich Spanien bei all dem Ballbesitz ausreichend Torchancen erspielt, muss erstmal abgewartet werden.

Die Titelchancen? Mittel.

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Und dann gibt es noch zahlreiche andere Nationen, die nicht unbedingt zu den großen Favoriten gezählt werden können, die sich aber ausmalen, am Ende vielleicht alle Mannschaften hinter sich zu lassen. England etwa schwächelte vor der WM, Trainer Gareth Southgate (52) arbeitet unter Bewährung, im Kader aber drängeln sich die Topspieler. Bei der vergangen WM schaffte es das Land immerhin bis ins Halbfinale.

Deutschland möchte nach der Blamage 2018 und einer trüben EM 2021 unter Trainer Hansi Flick (57) endlich wieder Begeisterung hervorrufen. Portugal muss es schaffen, Superstar Cristiano Ronaldo (37) bei Laune zu halten, über genügend andere Hochbegabte verfügt die Auswahl von Trainer Fernando Santos (68).

Dänemark, Uruguay, Belgien, die Niederlande könnten überraschen. Auch den Afrika-Meister Senegal haben einige auf dem Zettel. Nur schmerzt das rechte Wadenbein von Sadio Mané, Star des FC Bayern München.

Wer gewinnt also? Eine Antwort gibt es am vierten Advent.

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