Köln. Der frühere DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig fordert neue Strukturen, vor allem bei der DFL. Ein Gast-Kommentar.

Der deutsche Fußball steht vor wegweisenden Entscheidungen.

DFB und DFL müssen vor den anstehenden notwendigen Personalentscheidungen Strukturfragen klären und ihre eigenen Hausaufgaben machen. Die DFL war und ist schlecht auf die Zeit nach dem erfolgreichen Wirken des alleinigen Geschäftsführers Christian Seifert vorbereitet.

Hier geht es nicht um die Personalie seiner Nachfolgerin Donata Hopfen, die nach nur knapp einem Jahr die DFL wieder verlässt, jedoch nie wirklich eine richtige Chance hatte. Ihr Scheitern ist neben eigenen Fehlern vor allen Dingen der Struktur geschuldet und der daraus abgeleiteten fehlenden Unterstützung. Die Zeit der „One-Man/Woman-Show“ ist längst vorbei und kann den vielfältigen gestiegen Anforderungen des heutigen Managements und auch den Anforderungen an Führungsaufgaben nicht mehr gerecht werden. Auch die Herren Hoeneß, Assauer und Calmund hätten es sich sicherlich nicht erträumen lassen, dass Klubs, denen sie jahrzehntlang nahezu allein vorstanden, heute von mehreren Vorständen geführt werden. Die Zeit der „allwissenden Generalisten“ ist vorbei. Kompetenzen teilen ist das Gebot der Stunde, und hier hätte die DFL frühzeitig zu einer zeitgemäßen Struktur kommen müssen. Dies ist in erster Linie das Versäumnis des Ex-Aufsichtsrats-Vorsitzenden Peter Peters, der diesen Weg zu verantworten hat.

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Nach meinem Ausscheiden als 2. Geschäftsführer der DFL im Jahre 2015 wurde auf eine Nachbesetzung verzichtet.

Nun stehen wir vor den wichtigsten 18 Monaten des deutschen Fußballs, der aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der großen Themen wie Investoreneinstieg der Liga, 50+1, Ausschreibung des neuen Medienvertrages, Grundlagenvertrag und nicht zuletzt der (nicht nur) sportliche Erfolg der nächsten Europameisterschaft 2024 in unserem eigenen Land. Hier müssen wir nun schnellstmöglich den Hebel umlegen, um die Herzen des Fußballfans und nicht nur deren Geldbeutel zu erreichen.

Auch beim DFB wird es zukünftig von eminent wichtiger Bedeutung sein, den verschiedenen Themen und der Lücke, die Oliver Bierhoff zweifelsohne hinterlässt und die über den Sport hinausgehen, mit einer geeigneten Organisationsform zu begegnen.

Mut und Zuversicht durch vertrauensvollen Umgang von Neuendorf und Watzke

Mut und Zuversicht kann man derzeit allein aus dem vertrauensvollen Umgang von DFB-Präsident Neuendorf und DFL-Chef Watzke schöpfen. Hier scheint die Zeit der Eitelkeiten und des Misstrauens vorbei. Diese Einheit darf nicht aufgrund möglicher unterschiedlicher Personalvorstellungen für die zu besetzenden Ämter gefährdet werden. Denn letztlich verhalten sich Erfolge der Nationalmannschaft und die Entwicklung der DFL wie kommunizierende Röhren - geht es der wichtigsten Mannschaft in unserem Lande gut, hilft dies auch der DFL, leider auch umgekehrt.

In Kenntnis der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen der beiden Häuser darf die Attraktivität, in den Fußball zu investieren, nicht weiter leiden. Dies setzt in hohem Maße eine gesellschaftliche Akzeptanz voraus.

Wichtig wird es nun sein, nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, aber dennoch durch eine kritische Analyse, warum nicht auch durch externe Fachleute, die Vorbereitungen für die nun anstehenden Personalentscheidungen zu treffen. Dass dies nun in Kenntnis des wichtigsten sportlichen Ereignisses, der EM im Sommer 2024, unter großem Zeitdruck geschehen muss, erleichtert nicht unbedingt die Aufgabe.

Andreas Rettig (59) war viele Jahre in führenden Positionen im Profifußball tätig: als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, als Manager von Klubs wie dem FC St. Pauli, SC Freiburg, 1. FC Köln und FC Augsburg. Er lebt in Köln und schaut inzwischen als gut vernetzter und informierter Kritiker von außen auf das Geschäft.