Berlin. Der Bundestag ist sich überwiegend einig: Die antisemitischen Äußerungen eines Mitglieds der AfD verbieten ihm, sein Amt beizubehalten.
Er ist ohnehin umstritten, fällt immer wieder mit seinen Tweets auf. Möglicherweise hat der AfD-Politiker Stephan Brandner es aber in diesem Fall tatsächlich überspannt – denn parteiübergreifend fordern die Mitglieder des Bundestages seinen Rücktritt vom Vorsitz des Bundestags-Rechtsausschusses. Nur die AfD hält sich bedeckt.
Union, SPD, Grüne und FDP wollen Brander nicht mehr auf dem Posten sehen, weil er sich nach einer Meinungsäußerung von Udo Lindenberg antisemitischen Begrifflichkeiten bedient, um dem Sänger etwas entgegenzusetzen.
Konkret bezeichnete Brandner das Bundesverdienstkreuz, das Lindenberg trägt, als „Judaslohn“. Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher von CDU/CSU, Jan-Marco Luczak sprach am Samstag von einer neuerlichen, ungeheuerlichen Entgleisung Brandners. „Er spielt ganz bewusst mit antisemitischen Begriffen, er grenzt aus und schürt Ressentiments.“
AfD-Mann bezeichnet Bundesverdienstkreuz als „Judaslohn“
Nachdem sich Lindenberg bei Facebook eindeutig gegen die AfD geäußert hatte, verfasste Brandner einen Tweet:
- „Klar, warum der gegen uns sabbert/ sabbern muß“, dann erwähnt er das Anfang Oktober verliehene Bundesverdienstkreuz. Darunter setzte Brandner das Wort „Judaslohn“.
Judaslohn nennt man eine Belohnung für einen Verrat. Die Redensart bezieht sich auf Judas, einen Jünger von Jesus, der nach allen vier Evangelien die Festnahme von Jesus in Jerusalem ermöglicht hat.
„Unverschämt, spielen mit antisemitischen Ressentiments“
Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, sagte dem „Handelsblatt“, Brandners Äußerungen seien „unverschämt, spielen mit antisemitischen Ressentiments und sind seiner Position schlicht unwürdig“. Brandner sei seiner Vorsitzendenposition nicht gewachsen.
„Er sollte daraus Konsequenzen ziehen.“ Luczak schrieb, der Rechtsausschuss wache über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Werte des Grundgesetzes. „Um das Amt des Vorsitzenden auszufüllen, bedarf es Würde und Anstand. Diese fehlen Brandner ganz offenbar.“ Er sei in dieser Funktion untragbar und müsse zurücktreten.
Rechtliche Probleme sind möglich
Falls Brandner auf seinem Posten bleiben will, könnten sich rechtliche Probleme ergeben. Denn in der Geschäftsordnung des Bundestags findet sich keine ausdrückliche Regelung zur Abwahl von Ausschussvorsitzenden.
Zuvor hatte bereits der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, dem „Handelsblatt“ gesagt: „Wir wollen die Frage der Abwahl von Ausschussvorsitzenden im zuständigen Geschäftsordnungsausschuss thematisieren.“
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, hatte auf Twitter geschrieben: „Der Mann ist eines Rechtsausschussvorsitzenden unwürdig und in dieser Funktion untragbar.“
„Widerlich und eines Ausschutzvorsitzenden nicht würdig
Ihr FDP-Amtskollege Marco Buschmann warf Brandner dort vor, immer wieder mit antisemitischen Vorurteilen zu spielen. „Das ist einfach nur widerlich und eines Ausschussvorsitzenden des Deutschen Bundestages nicht würdig.“
Zuletzt hatte er sich mit einem Adventskalender-Posting blamiert – und es dann als Wette dargestellt. Auch nach dem Amoklauf in Halle hatte er mit Tweets für Empörung gesorgt.
Der 73-jährige Rockmusiker Lindenberg hatte das Verdienstkreuz Anfang Oktober bekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, er habe in einzigartiger Weise gegen die deutsche Teilung angesungen. Zudem lobte er dessen großes soziales Engagement.
Lindenberg schockiert über das Abschneiden der AfD in Thüringen
Am Donnerstag hatte sich Lindenberg auf Facebook schockiert über das starke Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Thüringen geäußert. „24 Prozent. Und viele sagen immer noch: Das wird sich niemals wiederholen - aber seht ihr denn nicht an den Häuserwänden die selben alten neuen Parolen? und die gleiche kalte Kotze (wie vor 80 jahren) schwappt ihnen wieder aus dem Mund...“
Über den Spitzenkandidaten Björn Höcke schrieb Lindenberg: „Ein echter Fascho, auferstanden aus Ruinen und den Nazis zugewandt.“ (ses/dpa)