Washington. Der Ex-Fernsehstar Bill Cosby wurde 2018 wegen sexueller Nötigung schuldig gesprochen. Doch dieses Urteil wurde jetzt aufgehoben.

Seine Verurteilung vor drei Jahren dokumentierte den ersten großen Sieg der #MeToo-Bewegung, die sexuellen Missbrauch von Frauen durch vorzugsweise mächtige Strippenzieher aus dem Show-Geschäft ins Rampenlicht rückte und - siehe Harvey Weinstein - etliche Übeltäter hinter Gitter brachte.

Umso größer ist nun die Irritation in Amerika darüber, dass der Ex-Entertainer Bill Cosby, hierzulande vor allem bekannt als Dr. Heathcliff Huxtable in der „Bill Cosby Show”, vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Obwohl er 2018 von einem Gericht im US-Bundesstaat Pennsylvania wegen schwerer sexueller Nötigung zu einer Strafe zwischen mindestens drei und höchstens zehn Jahren verurteilt worden war.

Stellvertretend für rund 60 Frauen, die Cosby Sexualstraftaten vorwerfen, sagte Janice Baker-Kinney: „Ich habe einen Knoten im Magen. Dass dieser Serien-Vergewaltiger freigekommen ist, hat mich schockiert.”

Der 83-Jährige, der sich bis zuletzt als Opfer politischer Intrigen bezeichnete und sich bei seiner Inhaftierung mit Größen wie Martin Luther King, Mahatma Gandhi und Nelson Mandela verglich, der stets alle Vorwürfe bestritt und zu keiner Zeit Reue zeigte, ist nach seiner Entlassung aus der Haftanstalt in Shippack wieder in seinem Luxusanwesen bei Philadelphia. Bei seiner Freilassung lieferten sich Fans und Gegner des Schauspielers, der einst als „America's Dad” der Vorbild-Schwarze schlechthin war, Wortgefechte. Cosby selber schwieg.

Bill Cosby: Der Richter bezeichnete ihn als „sexuell gewalttätigen Verbrecher"

Die Freilassung des fast blinden und eingeschränkt bewegungsfähigen Schauspielers, darauf macht die Anwältin Gloria Allred aufmerksam, tastet nicht die Substanz des Urteils von 2018 an. Darin hatten Richter festgestellt, dass Cosby der kanadischen Sport-Managerin Andrea Constand 2004 in seiner Villa in der Nähe von Philadelphia Betäubungsmittel verabreicht und sie anschließend missbraucht hat. Weil auch mehrere andere Frauen in diesem Prozess (ein anderer war 2017 gescheitert) ähnliche Erfahrungen mit Cosby schilderten, sprach Staatsanwalt Kevin Steele damals von einem „Muster des Betäubens und Missbrauchens”. Richter Steven O'Neill bezeichnete Cosby als einen „sexuell gewalttätigen Verbrecher", der bis zum Ende seines Lebens psychiatrisch behandelt beaufsichtigt werden müsse.

Die Anschuldigungen gegen Cosby waren vor sieben Jahren wieder aufgeflammt. Damals hatte der Komödiant Hannibal Buress Cosby auf öffentlicher Bühne Cosby einen Vergewaltiger genannt. Nach und nach meldeten sich rund 60 Frauen zu Wort, die sagten, von dem Schauspieler erst unter Drogen gesetzt und dann vergewaltigt worden zu sein. Einige Fälle stammten aus den 70er Jahren. Weil der Fall von Andrea Constand 2015 knapp vor der Verjährung stand, erhob die Staatsanwaltschaft in letzter Minute Anklage gegen Cosby.

Exakt das, so entschied jetzt das Verfassungsgericht des Bundesstaates Pennsylvania, mit knapper 4:3-Stimmen-Mehrheit hätte nie passieren dürfen. Die Begründung: Als Constand 2005 erstmals Anzeige erstattete, weigerte sich der damals zuständige Staatsanwalt Bruce Castor den Fall zur Anklage zu bringen. Die Vorwürfe seien nicht stichhaltig, sagte er, es fehlten Beweise. Castor, der zuletzt mit einer bizarren Vorstellung Ex-Präsident Donald Trump im zweiten Amtsenthebungsverfahren vertrat, stand schon damals in dem Ruf, mutmaßliche Sexualstraftäter zu schonen.

Cosby hat den Missbrauch selbst zugegeben

Constand ging dagegen insofern an, als dass sie Cosby zivilrechtlich belangte. In diesem (von der strafrechtlichen Variante streng zur trennenden) Verfahren, beschuldigte sich Cosby selbst hinter verschlossenen Türen unter Eid in dramatischer Weise und zahlte Constand später 3,4 Millionen Dollar als Entschädigung. All das sollte vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Cosby ging den Schritt nach der Zusage Castros, dass gegen ihn nie wieder strafrechtlich ermittelt würde. Castor verließ sein Amt. Nachfolger Kevin Steele fühlte sich an die Absprache nicht gebunden. Ein Richter erlaubte, dass die eidesstaatliche Erklärung öffentlich werden darf. Cosbys Selbstbezichtigung wurde plötzlich zur schärfsten Waffe gegen ihn. Dr. Huxtable, das war auf einmal glasklar, hatte sich jahrelang Frauen Tabletten/K.o-Tropfen untergejubelt und missbraucht - und das zugegeben.

Der Oberste Gerichtshof sah in Steeles Vorgehen einen Vertrauensbruch, der gegen die US-Verfassung verstoße. Cosby habe sich auf die verbal versprochene Verschonung von juristischen Schritten durch Castor fest verlassen. Darum müsse das Urteil aufgehoben werden. Darum dürfe Cosby in diesem Kontext nie wieder staatsanwaltlichen Ermittlungen ausgesetzt werden.

Cosbys Verteidiger, von denen er einige später wegen zum hoher Rechnungen verklagte, hatte schon kurz nach dem Urteil 2018 mit Berufungsanträgen und dem Begehren auf Freilassung gegen Kaution hantiert - bislang immer ohne Erfolg.

Zu jenen, die Cosby Freilassung frenetisch feierten, gehörte auch Phylicia Rashad, die in der Cosby Show seine Ehefrau spielte. Sie sagte, ein schwerer „Justizirrtum” sei endlich korrigiert worden. Eine Meinung, die auch einige Juristen teilen. Die Schriftstellerin E. Jean Carroll, die Ex-Präsident Trump der Vergewaltigung beschuldigt, bisher aber noch kein gerichtliche Gehör gefunden hat, zeigte sich dagegen erschüttert. Der Richterspruch für Cosby werde nun dazu führen, so die New Yorkerin, dass sich Frauen nicht mehr trauen werden, ihre Peiniger öffentlich anzuklagen.