Washington. Die US-Regierung schießt gegen Tech-Konzerne: Amazon habe den Einzelhandel in den Vereinigten Staaten zerstört, sagt der Finanzminister.

Wenn der amerikanische Finanzminister Steve Mnuchin dem zweitwertvollsten Unternehmen des Landes ohne stichhaltige Belege öffentlich vorwirft, es habe den Einzelhandel „in ganz Amerika zerstört”, besteht kein Zweifel mehr: Im Verhältnis zwischen Staat und Technologie-Giganten – in diesem Fall Amazon (Börsenwert: rund 980 Milliarden Dollar) – ist etwas ins Rutschen gekommen.

Wie stark, das zeigt die Ankündigung der Kartellwächter im Justizministerium und in der Aufsichts- und Regulierungsbehörde Federal Trade Commission (FTC). Sie wollen die marktdominanten Anbieter in den Sektoren Online-Handel, Internetsuche und soziale Medien zum ersten Mal einer umfassenden Untersuchung unterziehen.

Behindern Amazon, Google und Facebook den Wettbewerb?

Geklärt werden soll in einem Prozess, der Monate dauern wird, die Frage, ob Platzhirsche der digitalen Wirtschaft wie etwa Amazon, Google und Facebook mit ihren Geschäftspraktiken den Wettbewerb behindern, Innovationen erschweren und so dem Verbraucher schaden.

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Hintergrund: Google beherrscht in den Vereinigten Staaten die Internetsuche mit einem Marktanteil von annähernd 90 Prozent. Gemeinsam mit dem sozialen Netzwerk Facebook kontrolliert das Unternehmen aus Kalifornien über 50 % der Onlinewerbung in den USA.

Amazon unterdessen gibt im Web-Handel mit einem Marktanteil von 38 Prozent den Ton an. Dem Unternehmen aus Seattle wird vorgeworfen, auf seiner Online-Verkaufsplattform selbst als Händler aufzutreten und damit Konkurrenten zu verdrängen.

Amazon will Händler auf seiner Plattform besser behandeln

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    Daten-Skandale ließen Bewunderung für Tech-Giganten schrumpfen

    Auch Apple und Microsoft könnten in den Sog der Untersuchungen geraten, die sich in einem rapide abgekühlten Klima gegenüber den einst als globale Schmuckstücke der US-Ökonomie gefeierten Tech-Riesen abspielen. Nur ein Detail: Amazon und Microsoft sind mit über 2000 Milliarden Dollar werthaltiger als alle 763 deutschen Unternehmen zusammen, die an der Börse notiert sind.

    Die Bewunderung für diese Leistung ist in den USA nicht zuletzt durch Daten-Skandale wie Cambridge Analytica, für die Facebook gerade mit der Rekordstrafe von fünf Milliarden Dollar belegt wurde, abgeflacht.

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      Aufspaltung nicht mehr völlig ausgeschlossen

      In Regierung und Kongress, wo diverse Ausschüsse tribunalartige Anhörungen durchführen, wächst die Neigung, den Firmen regulatorische Grenzen zu setzen. Selbst eine Aufspaltung wird nicht mehr völlig ausgeschlossen. Ein Facebook-Mitgründer forderte zuletzt die Zerschlagung des Konzerns.

      Der oberste Kartellwächter im Justizministerium, Makan Delrahim, beklagte vor Kurzem auf einer Konferenz demonstrativ, dass es bei der Internetsuche, bei sozialen Netzwerken und Handy-Betriebssystemen durchweg nur noch einen oder höchstens zwei substanzielle Anbieter gebe.

      Ressentiments sind parteiübergreifend, aber haben unterschiedliche Ursachen

      Die unter dem Stichwort „techlash” bekannt gewordenen Gegenbewegung, die Parallelen mit der kritischen Haltung der Wettbewerbshüter in der Europäischen Union aufweist, speist sich aus einem parteiübergreifenden Ressentiment.

      Während die Demokraten vor allem kundenfeindliche Quasi-Monopole beklagen, ziehen die Republikaner gegen die Giganten verstärkt aus ideologischen Gründen zu Felde. Konservative politische Positionen würden von den tendenziell liberalen Bossen im Silicon Valley untergebuttert, werfen sie Google, Facebook & Co. vor.

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        Donald Trump äußerte sich mehrfach kritisch über Amazon

        An der Spitze der Bewegung steht Twitter-König Donald Trump. Er will die besagten Konzerne wegen angeblicher Zensur verklagen lassen. Mit Amazon-Boss Jeff Bezos verbindet Trump eine innige Feindschaft. Der Präsident glaubt, dass der Besitzer der „Washington Post” das Hauptstadt-Blatt als publizistisches Flakgeschütz gegen seine Präsidentschaft instrumentalisiert. Was Redaktion und Bezos dutzendfach dementiert haben.

        So weit wie seine potenzielle Konkurrentin bei der Präsidentschaftswahl 2020, Elizabeth Warren, ist der New Yorker Geschäftsmann bisher noch nicht gegangen, wenn Rezepte gegen die Tech-Firmen erörtert wurden. Die demokratische Senatorin forderte im Frühjahr zum ersten Mal die Zerschlagung von Amazon, Google und Facebook.

        Was Amazon, Facebook und Co. blühen könnte

        Sollte sie ins Weiße Haus einziehen, versprach die Professorin aus Massachusetts, müssten Aufkäufe – der Lebensmittelhändler Whole Foods durch Amazon etwa oder die Einverleibung von Whatsapp und Instagram durch Facebook – rückgängig gemacht werden.

        Außerdem würden Plattform-Betreiber wie Amazon wie staatliche Energie-Versorger reguliert. Konkret hieße dies, das Amazon nicht mehr als Anbieter von Produkten in seinem eigenen Online-Handelssystem auftreten dürfte. Ob am Ende des Prozesses tatsächlich eine andere, aus kleineren Einheiten bestehende Tech-Landschaft stehen wird, ist offen.

        Wie schädlich sind die Tech-Giganten tatsächlich?

        Vor 20 Jahren wollte die US-Regierung mit richterlicher Hilfe wegen der Dominanz des Windows-Betriebssystems Microsoft zerschlagen. Ein Berufungsgericht kippte die Entscheidung. Auch heute ist der generelle Befund über die Gefährlichkeit der Tech-Riesen strittig.

        Amazon etwa betont, dass 90 Prozent aller Verkäufe in den USA noch immer im „brick and mortar”-Bereich erledigt würden, sprich: in Einzelhandelsgeschäften.

        Dass letztere durch Amazon massenhaft vertrieben worden seien, lassen Analysten der Bank Morgan Stanley so nicht gelten. Sie führen in einer Studie den Nachweis, dass der Online-Handelsriese da, wo er mit seinen Verteilzentren aktiv ist, der lokalen Wirtschaft entscheidende Wachstumsimpulse gebe.