Berlin. Eine eigene Wohnung, noch besser ein Haus. Mit dem Baukindergeld greift der Staat Familien unter die Arme, die in die eigenen vier Wände ziehen möchten. Die allermeisten Antragsteller setzen aufs eigene Haus - was bei den Grünen keine Freude auslöst.

Das staatliche Baukindergeld wird stärker für den Bau von Eigenheimen nachgefragt. Mehr als neun von zehn Anträgen wurden im vergangenen Jahr und im ersten Halbjahr 2020 für den Kauf oder Bau eines eigenen Hauses gestellt.

Das geht aus einer Antwort des auch für Bau zuständigen Bundesinnenministeriums an die Grünen-Fraktion im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Seit dem 18. September 2018 winkt Familien für den Bau eines Hauses oder den Kauf einer Immobilie ein staatlicher Zuschuss. Pro Kind gibt es 12.000 Euro, ausgezahlt in zehn Jahresraten zu je 1200 Euro. Letztmalig beantragt werden kann das Baukindergeld, wenn am 31. Dezember 2020 eine Baugenehmigung erteilt oder ein Kaufvertrag unterschrieben wird.

Von Januar bis Juni standen 16.770 Anträge (91 Prozent) für Eigenheime 1717 Anträgen (9 Prozent) für den Kauf oder Bau eigener Wohnungen gegenüber. Im vergangenen Jahr war das Verhältnis mit 31.086 beantragten Häusern zu 3095 Wohnungen fast gleich. In der Startphase, den letzten paar Monaten des Jahres 2018, entfielen 950 von 6724 Anträgen und damit rund 12 Prozent auf Wohnungen.

"Es zeigt sich einmal mehr, dass das Baukindergeld wie ein Brandbeschleuniger beim Flächenfraß wirkt", sagte der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Chris Kühn dazu. "Es löst lediglich Mitnahmeeffekte aus. Statt Milliarden von Euro in einen ohnehin überhitzten Markt zu pumpen, wäre das Geld besser in bezahlbare Mietwohnungen investiert."

Der Bundesverband Deutscher Fertigbau widersprach. Anders als bei Bestandsimmobilien könne beim Eigenheim-Neubau angesichts einer sinkenden Zahl von Baugenehmigungen im laufenden Jahr von einem überhitzten Markt keine Rede sein. Bei der Mehrzahl der Bauherren in diesem Segment handle es sich laut einer Branchenumfrage des Verbands um Familien mit Kindern. Das Baukindergeld erreiche sein Ziel, sagte Verbandspräsident Volker Noller der dpa. "Diesen Familien gibt die staatliche Förderung eine stabile Rückendeckung in wirtschaftlich zunehmend unsicheren Zeiten."

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu verringern. Nach jüngsten Zahlen für 2018 wurden laut Umweltministerium rund 56 Hektar täglich neu für Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen, was etwa 79 Fußballfeldern entspreche.

Aus den Zahlen des Innenministeriums zum Neubau ließ sich auch erneut ablesen, dass die Bundesregierung ihr selbstgestecktes Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen im Laufe ihrer Amtszeit zu verfehlen droht. In den vergangenen beiden Jahren, und damit ungefähr zur Halbzeit, wurden gerade einmal rund 580 000 neue Wohnungen und Eigenheime geschaffen. Viel Zeit bleibt der großen Koalition nicht mehr: Die nächste reguläre Bundestagswahl findet zwischen Ende August und Ende Oktober kommenden Jahres statt.

"Die Bundesregierung verfehlt ihre Ziele beim Wohnungsneubau krachend", kommentierte Kühn. Das Innenministerium bewertete die Daten anders. Im Vergleich zum Jahr 2009 sei die Zahl fertiggestellter Wohnungen um rund 84 Prozent gestiegen, was auch den "guten und verlässlichen Rahmenbedingungen" zu danken sei. "Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend anhalten wird." Unter Berücksichtigung des erheblichen Bauüberhangs - also der Zahl genehmigter aber noch nicht umgesetzter Bauvorhaben - "wird bis zum Ende der Legislaturperiode der Bau von mehr als 1,5 Millionen Wohnungen fertiggestellt bzw. angestoßen worden sein", schrieb das Ministerium.

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