Nürnberg/Wiesbaden. Um den zunehmenden Fachkräftemangel auszugleichen, braucht Deutschland viel mehr Zuwanderer. Aber qualifiziert sollten sie sein, mahnt Detlef Scheele von der Bundesagentur für Arbeit.

Deutschland braucht aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr - und damit deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.

"Aber mir geht es hier nicht um Asyl, sondern um gezielte Zuwanderung für die Lücken am Arbeitsmarkt", sagte Scheele der "Süddeutschen Zeitung". "Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen." Zu möglichen Widerständen gegen Migration sagte er: "Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funktioniert nicht."

Corona-Krise hat Problem verschärft

"Fakt ist: Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus", sagte Scheele. Durch die demografische Entwicklung nehme die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im typischen Berufsalter bereits in diesem Jahr um fast 150.000 ab. "In den nächsten Jahren wird es viel dramatischer", sagte Scheele. Deutschland könne das Problem nur lösen, indem es Ungelernte und Menschen mit wegfallenden Jobs qualifiziert, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lässt - und vor allem, indem es Zuwanderer ins Land hole. Das müsse die neue Bundesregierung alles anpacken.

Die Corona-Krise hat das Problem zu geringer Zuwanderung von Fachkräften derweil noch verschärft: So ist im vergangenen Jahr die Zahl der Neuanträge auf Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bei den deutschen Behörden um 3 Prozent auf 42 000 gesunken, wie das Statistische Bundesamt berichtete.

Kritik an Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Das Verfahren war zum März 2020 mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert worden und soll beschleunigte Abläufe gewährleisten. Der Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, kritisierte angesichts der Zahlen, "das kümmerliche Fachkräfteeinwanderungsgesetz" von Union und SPD werde der Bedeutung der Aufgabe bei weitem nicht gerecht. "Wir müssen endlich besser werden im globalen Wettbewerb um Talente - und brauchen dafür ein modernes Einwanderungsrecht mit Punktesystem, wie es etwa Kanada und Neuseeland schon lange vormachen."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangte bundeseinheitliche, verlässlichere und schnellere Verfahren. Der Wechsel aus dem Status der Duldung oder einem humanitären Aufenthalt in eine dauerhafte Perspektive mit fester Arbeitsstelle müsse leichter werden, forderte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Sie erklärte: "Insbesondere zugewanderte Frauen müssen beim Schritt ins Erwerbsleben unterstützt werden, um das inländische Potenzial an Fachkräften voll auszuschöpfen."

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