Berlin. Das Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen neu zu bauen, wurde verfehlt. Die IG BAU macht neue Vorschläge und sieht langfristige Folgen.

Ihr eigenes Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr neu bauen, hat die Bundesregierung zuletzt krachend verfehlt – jetzt warnt auch noch die Baugewerkschaft IG BAU vor der Abwanderung Tausender Fachkräfte aus der Baubranche. Anlass dafür sind die stockenden Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitnehmervertretern und den Arbeitgeberzusammenschlüssen, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe.

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Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU, sagt dieser Redaktion: „Die Bauwirtschaft droht für die Beschäftigten unattraktiv zu werden. Durch den Energiepreisschock und die dramatischen Preiserhöhungen gibt es einen extremen Nachholbedarf. Wer den leugnet, nimmt die Bedürfnisse seiner Beschäftigten nicht erst.“ Feiger drängt nun darauf, dass auch die Arbeitgeberverbände im laufenden Tarifkonflikt den Schlichterspruch annehmen.

Tarifkonflikt im Bauhauptgewerbe: Gewerkschaft droht mit Streiks

Der Kompromiss sieht vor, dass die Einkommen im Bauhauptgewerbe zum 1. Mai 2024 um 250 Euro pro Monat erhöht werden. Elf Monate später sollen dann noch einmal 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten dazukommen. Gefordert hatte die IG BAU ursprünglich 500 Euro mehr. Nur „zähneknirschend“ habe man dem Schlichterspruch zugestimmt, so Feiger. Die Verhandlungskommission der Arbeitgeber hingegen lehnte direkt ab. Jetzt liegt die Sache in Gremien der beiden Verbände. Bis nächsten Freitag muss aber eine Entscheidung her. Ansonsten ist der Kompromiss geplatzt. Die IG BAU hatte für den Fall bereits vorab mit Streiks gedroht.

Robert Feiger ist Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
Robert Feiger ist Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). © dpa | Paul Schimweg

Kommt es in der Baubranche zu keinem Tarifabschluss, sieht Feiger auch langfristige Folgen. Der Gewerkschafter befürchtet einen Effekt wie in der Gastronomie während der Corona-Pandemie. „Die Beschäftigten gehen und kommen dann auch nicht wieder zurück“, sagte er. Angesichts der Wohnungsbauziele könne man sich das nicht leisten. Derzeit zählt das Bauhauptgewerbe in Deutschland rund 930.000 Beschäftigte.

Geht es wieder aufwärts in der Bauwirtschaft? Erste Anzeichen sprechen dafür

Hinter Deutschlands Bauwirtschaft liegen schwere Zeiten. Nun scheint die Talsohle allerdings durchschritten. „Die bundesweiten Wohnungsbauaufträge erreichten im Februar knapp 1,4 Mrd. Euro. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahresmonat einem realen Zuwachs um knapp ein Prozent. Wir sehen nach 22 Monaten zum ersten Mal kein Minus bei den Wohnungsbauordern“, sagte zuletzt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Zuvor hatten unter anderem die hohen Zinsen und gestiegene Baukosten für Zurückhaltung bei potenziellen Bauherren gesorgt. Unter anderem deshalb war das Ziel der Bundesregierung, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, 2022 und 2023 verfehlt worden.

Um den Wohnungsbau anzukurbeln, warb IG-BAU-Bundeschef Feiger im Gespräch mit dieser Redaktion für einen Neustart bei der staatlichen Unterstützung von Bauvorhaben. „Von der Systematik her ist es wenig sinnvoll, immer nur in Haushaltsjahren oder Legislaturperioden zu denken. Das führt dazu, dass Bedingungen alle vier Jahre neu formatiert werden. Was wir stattdessen benötigen, ist eine verlässliche Förder- und Zuschusspolitik für bezahlbaren Wohnraum“, so Feiger. Nur dann würden Bauunternehmen auch an den vorhandenen Kapazitäten festhalten und diese weiter aufbauen.

Was die Baugewerkschaft vorschlägt, um den Wohnungsbau anzukurbeln

Der Gewerkschafter plädierte darüber hinaus für höhere Einkommensgrenzen bei der Wohnbauförderung. Derzeit kann die Wohneigentumsförderung von Familien mit einem Jahreseinkommen von bis zu 90.000 Euro in Anspruch genommen werden. „Ich glaube, da kann man durchaus um ein Drittel höher gehen“, sagte Feiger. Darüber hinaus warb er für einfacheres Bauen, zum Beispiel durch weniger ambitionierte Energiesparvorgaben, und eine geringere Grunderwerbssteuer in den Bundesländern.

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