Berlin. Die Deutsche Bahn investiert für einen Boom nach der Pandemie. Deshalb soll auch das Führungsteam bleiben. Es muss jedoch eine Kröte schlucken.

Fahrgäste der Deutschen Bahn können weiter damit rechnen, dass das Angebot an Zügen und Fahrten wächst.

Der Aufsichtsrat verlängerte den Vertrag des Konzernchefs Richard Lutz und unterstrich damit das laufende Wachstumsprogramm. Die Zahl der Fahrgäste im Fernverkehr soll 2030 doppelt so hoch liegen wie 2015. Dafür fließen Milliarden in das Schienennetz, zusätzliche Mitarbeiter und Züge.

Lutz' Name sei untrennbar mit dieser Strategie verbunden, teilte Aufsichtsratschef Michael Odenwald mit. "Diese gilt es nun zum Wohle unserer Kunden Stück für Stück umzusetzen." Der Bund als Eigentümer sieht mehr Bahnfahrten als einen Hebel, die deutsche Klimabilanz zu verbessern.

Unterdessen sind die Finanzprobleme des Staatskonzerns nicht gelöst. Nach einem Jahr Corona-Krise wird Lutz an diesem Donnerstag die Bilanz für 2020 vorlegen - mit starken Umsatzeinbußen und einem milliardenschweren Verlust, wie erwartet wird.

Aus Sicht des Bündnisses "Bahn für Alle" hat das nur zum Teil mit der Corona-Pandemie zu tun. "Wir haben vor allem eine hausgemachte Krise", sagte Winfried Wolf, der Mitverfasser eines Alternativen Geschäftsberichts, den das Bündnis am Mittwoch vorlegte. Ihm gehören unter anderem Gewerkschaften, politische Jugendorganisationen und Umweltschutzverbände an.

Das Bündnis sieht die Bahn in einer langfristigen Schieflage mit einem maroden Schienennetz, kostspieligen Großprojekten, verlustreichen Auslandsgeschäften, wenig ertragreichen Beteiligungen und einer aufgeblähten Verwaltung. Die Schulden seien auf 33 Milliarden Euro gestiegen.

Seit Monaten versucht der Bund, eine milliardenschwere Finanzspritze für die Bahn bei der EU-Kommission durchzubekommen. Der Aufsichtsrat äußerte sich nach seiner Sitzung am Mittwoch nicht zur Finanzkrise des Konzerns. Beschlüsse der Hauptversammlung am selben Tag wurden zunächst nicht veröffentlicht.

Der 56 Jahre alte Lutz soll die Bahn nun mindestens bis zum März 2027 führen. Ebenso lang bleibt der Vorstand Personenverkehr, Berthold Huber (57), an Bord. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla (61) macht weiter bis Juli 2025, dann erreicht er das Rentenalter.

Die FDP kritisierte die Vertragsverlängerungen - angesichts einer dramatischen wirtschaftlichen Lage und jahrelang verschleppter Reformen könne es dafür kaum einen schlechteren Zeitpunkt geben. Die Grünen sehen "einen bitteren Beigeschmack". Das Management solle über die Bundestagswahl im September gerettet werden, der Spielraum für die Bahnpolitik danach klein gehalten werden.

Die Vorstände unterzeichnen jedoch ohne die übliche Gehaltserhöhung. Eigentlich war ein Aufschlag von zehn Prozent auf das Fixgehalt geplant. Es beträgt bei Lutz 900.000 Euro im Jahr; mit variablen Bestandteilen kam er 2019 auf 1,73 Millionen Euro. Bei Pofalla und Huber sind 650.000 Euro fix. Die Gewerkschaften sperrten sich am Mittwoch gegen die Erhöhung. Im kommenden Jahr solle das Thema aber noch einmal besprochen werden, hieß es aus dem Umfeld des Aufsichtsrats.

Wegen der großen Einnahmenverluste hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sich für dieses Jahr auf eine Nullrunde für die Tarifbeschäftigten eingelassen. Auch die Bezüge der leitenden Angestellten sollen 2021 nicht steigen. Im Gegenzug für die geplante Staatshilfe hatte die Bahn auch zugesagt, dass der Konzernvorstand für 2020 keine Boni erhält.

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