Berlin. Weibliche Vorstandsmitglieder müssen ihr Amt niederlegen, wenn sie in Mutterschutz gehen. Die Initiative #stayonboard will das ändern.

Im April 2011 hat Delia Lachance mit zwei Unternehmenspartnern die Einrichtungsfirma Westwing gegründet. Damals hieß Lachance noch Fischer. Doch nicht nur ihr Nachname hat sich in der Zwischenzeit verändert: Im März diesen Jahres trat sie ihren Mutterschutz an. Ihren Posten im Vorstand ihrer eigenen Firma musste Lachance dafür abgeben. So will es das Gesetz.

Denn Vorstandsmitglieder haben, anders als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, kein Recht auf Mutterschutz. Sie dürfen ihr Mandat nicht über längere Zeit ruhen lassen, sondern müssen es aufgeben – und können es erst am Ende der Abwesenheit wieder aufnehmen. Würde das nicht passieren, würden die Pflichten in der Zeit weiterlaufen und erhebliche Haftungsrisiken entstehen. Das ist ein Problem, findet auch die Initiative #stayonboard.

Unter den Initiierenden befinden sich unter anderem Verena Pausder, Aufsichtsrätin der comdirekt Bank AG. Zu den Unterstützenden gehört Delia Lachance. Und zwischen den Gesichtern der Unternehmerinnen finden sich auf der Webseite auch Männer, Menschen aus der Wirtschaft und Rechtsanwälte, die die Initiative unterstützen oder mit ins Leben gerufen haben. Das Problem ist nämlich keinesfalls ein reines Frauenproblem, noch nicht einmal ein reines Elternproblem.

#stayonboard: Die Gesetzeslücke betrifft nicht nur Frauen

„Längerfristige Abwesenheit (z.B. Mutterschutz, Elternzeit, längerfristige Krankheit, Pflege von Angehörigen) zwingt Vorstandsmitglieder faktisch zu einer Mandatsniederlegung“, heißt es in einem Eckpunktepapier der Initiative. Das beträfe neben schwangeren Personen also beispielsweise auch Männer, die in Elternzeit gingen oder Menschen, die an Covid-19 erkranken und länger ins Krankenhaus müssten.

Das Ziel von #stayonboard, so heißt es in dem Papier, sei es, „durch eine Ergänzung des Aktiengesetzes zu erreichen, dass Vorstandsmitglieder nicht wie bisher ihr Amt niederlegen müssen“. Dabei wurde das Eckpunktepapier so verfasst, dass es auch gleich als Grundlage für einen Gesetzesentwurf genutzt werden könne.

Konkret schlägt die Initiative darin etwa vor, dass das Mandat bei längerer Abwesenheit in eine Ruhephase geht und nach dem Ende dieser automatisch wieder auflebt. In dieser Zeit soll das Vorstandsmitglied für abwesenheitsbedingte Versäumnisse nicht haftbar gemacht werden. Aber: Die Interessen des Unternehmens oder der Gläubiger und Gläubigerinnen sollen ebenfalls berücksichtigt werden, etwa durch einen Ersatz. Und auch besondere Arbeitnehmerinnenrechte sollen den Vorstandsmitgliedern qua privilegierter Position selbst bei einer Gesetzesänderung nicht zugute kommen.

#stayonboard will mehr Vielfalt in den Chef- und Chefinnen-Etagen

Die Initiative will damit einen „wirtschaftlichen Impuls“ in der Debatte um mehr Diversität setzen – zumindest auf der Chef- und Chefinnenetage. Tatsächlich entsteht durch die fehlende Regelung noch immer ein Konflikt zwischen Karriere und familienbezogener Arbeit oder Pflegearbeit, sogenannter „Care-Arbeit“. Und letztere wird gesellschaftlich und gesetzlich immer noch hauptsächlich Frauen zugeschrieben.

An dieser Konzeption ändert offensichtlich auch ein Mandat in einem Unternehmensvorstand wenig. Dennoch dürfte die Lösung des Mutterschaftsproblems in deutschen Vorständen nur einen Bruchteil der Veränderungen ausmachen, die auch Arbeitnehmerinnen mit Kindern bräuchten. Damit hat sich offenbar auch #stayonboard auseinandergesetzt.

#stayonboard: Veränderungen in Vorständen ein reines Elitenthema?

„Ist das nicht ein (überflüssiges) Elitenthema?“, heißt es in den FAQ der Webseite. Kurzfristig könne man das so bezeichnen, so die Antwort der Initiative. Langfristig aber signalisiere die geschlossene Gesetzeslücke, dass es in Ordnung sei, wenn Frauen Kinder und Vorstandsposten haben. „Der top-down-Ansatz wird sich, wenn es ‘oben’ entsprechende Vorbilder gibt, auch positiv auf andere berufliche Level auswirken.“

Ob und wann eine entsprechende Gesetzesänderung kommt und ob sie auch für Arbeitnehmerinnenrechte wegweisend sein kann, wird sich zeigen. Die Initiative erwartet die Gesetzesanpassung nach eigenen Angaben noch dieses Jahr.

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