Berlin. Die Kauflaune hat sich vor Weihnachten verbessert. Manche Geschenke sind besonders gefragt. Doch einiges fehlt wegen Lieferengpässen.

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    Die Wochen vor Weihnachten sind im Handel traditionell die umsatzstärksten Zeiten. Wie wirken sich Inflation, Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie auf die Geschäfte aus? Kommen manche Waren wegen Lieferschwierigkeiten nicht mehr rechtzeitig an? Über die Lage im Einzelhandel spricht diese Redaktion mit dem neuen Präsidenten des Handelsverbands Deutschland (HDE), Alexander von Preen.

    Vorweihnachtszeit ist Shoppingzeit. Wie laufen die Geschäfte nach zwei harten Corona-Jahren?

    Alexander von Preen: Die Konsumlaune war lange eingetrübt, doch in den letzten Wochen hat sich die Stimmung aufgehellt. Wir sind ordentlich ins Weihnachtsgeschäft gestartet, in kleinen Städten teilweise besser als in großen Metropolen. Und wir erwarten weitere kauffreudige Wochen bis in den Januar, wenn viele Gutscheine eingelöst werden. Insgesamt rechnet der Handel für November und Dezember mit einem Umsatzplus von über 5 Prozent, inflationsbedingt bedeutet dies ein Minus von 4 Prozent.

    Tragen die Weihnachtsmärkte zu einer höheren Frequenz in den Innenstädten bei?

    Weihnachtsmärkte sind wichtig. Viele lassen sich von der festlichen Stimmung inspirieren und gehen dann auch noch shoppen.

    Verschieben sich die Einkäufe weiter ins Internet?

    von Preen: Die meisten Händler nutzen spätestens seit der Corona-Pandemie die Chance, ihre Waren auf allen Wegen anzubieten – also auch online. Beide Vertriebswege haben für die Kunden ihre Vorteile. Allerdings gehen die Online-Umsätze in diesem Jahr erstmals etwas zurück. Dies liegt auch daran, dass sich seit 2019 die Umsätze kräftig um 40 Prozent erhöht haben. Im Vergleich zu den beiden Sonderjahren mit den Corona-Auswirkungen ist es da natürlich schwer, auch in diesem Jahr weiter zu wachsen. 2022 werden voraussichtlich 13,5 Prozent der Umsätze im Einzelhandel online erzielt. Je nach Bereich wird der Anteil bis zum Jahr 2030 voraussichtlich weiter steigen – bei Textilien liegen wir schon nahe bei 50 Prozent.

    Wie stark drücken Inflation und hohe Energiepreise die Kauflaune?

    von Preen: Wir sehen, dass viele Verbraucher auch wieder positive Nachrichten wahrnehmen – trotz des Ukraine-Kriegs. Dass sie bei Strom und Gas staatlich unterstützt werden und im Winter wohl auch nicht das Gas ausgeht, dies beeinflusst das Kaufverhalten positiv.

    Alexander von Preen ist neuer Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE). Der 57-Jährige frühere Unternehmensberater und promovierte Forstwissenschaftler ist Vorstandsvorsitzender der Intersport Deutschland. Der Vater zweier Kinder liebt den Golfsport. Sein Herz schlägt für seine Familie, die Nordsee und Vereine.
    Alexander von Preen ist neuer Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE). Der 57-Jährige frühere Unternehmensberater und promovierte Forstwissenschaftler ist Vorstandsvorsitzender der Intersport Deutschland. Der Vater zweier Kinder liebt den Golfsport. Sein Herz schlägt für seine Familie, die Nordsee und Vereine. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

    Werden die Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr wegen Preiserhöhungen durch Handel und Hersteller teurer?

    von Preen: Obwohl sich der Einzelhandel insgesamt eher preisdämpfend verhält, werden die Händler nicht alle Preissteigerungen komplett abfangen können. Grundsätzlich können Preiserhöhungen nicht 1:1 weitergegeben werden, da geht es um Wettbewerbsfähigkeit im harten Konkurrenzkampf.

    Smartphones sind wegen Lockdowns in China knapp. Welche Waren sind noch von Lieferengpässen betroffen?

    von Preen: Die Lager sind wieder gut gefüllt, die Geschäfte voll. Knapper wird es nur bei elektronischen Produkten, in denen Chips verarbeitet werden. Das betrifft Smartphones, Consumer-Electronics und geht bis zu hochwertigem Kinderspielzeug. Da kann es zu Engpässen kommen. Aber die Situation ist deutlich besser als in den vergangenen Jahren.

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    Welche Waren sind in diesem Weihnachtsgeschäft besonders gefragt?

    von Preen: Consumer-Electronics wie Smartphones, Spielzeug, Schmuck aber auch Sportsachen - wie Schuhe, Tennisschläger oder Trikots.

    Gibt es viel Betrug im Online-Handel?

    von Preen: Im Online-Handel gibt es viele ehrbare und hervorragende Unternehmen. Aber wir erleben gerade eine Flut von Produkten aus Asien, die in Deutschland so nicht zugelassen sind. Textilien, die hoch schadstoffbelastet sind, Unterhaltungselektronik, die nicht den Sicherheitsvorschriften entspricht und die Einfuhr von Plagiaten. Ein Riesenärgernis und eine große Wettbewerbsverzerrung. Hier werden bewusst Gesetze verletzt. Der Zoll muss hier personell besser ausgestattet und digitalisiert werden, um diesen Missbrauch zu verhindern.

    Skifahren wird sich angesichts der hohen Inflation stark verteuern. Inwieweit trifft dies auch die Sportgeschäfte?

    von Preen: Die Skigebiete sind sehr gut gebucht. Skifahren war immer etwas teurer, das konnte sich nicht jeder leisten. Entsprechend erwarten wir, dass es eine stabile Nachfrage für Skiausrüstungen gibt. Der Umsatz im Skihandel wird sich aber auch mit der Wetterlage entwickeln. Wenn es im Flachland schneit, dann steigen die Umsätze, da viele bedarfsorientiert einkaufen.

    Wie lief das Merchandising-Geschäft zur Fußball-WM?

    von Preen: Im Vergleich zu anderen Weltmeisterschaften war es ein Desaster. In diesem Jahr hat die Nachfrage nach Merchandising-Artikeln ein Allzeittief erreicht. Es gibt noch viel unverkaufte Ware. Die Preise dafür sind im Keller, keiner mag die Trikots kaufen. Wir hoffen, dass sich Handel und Fußball darauf einigen können, dass man zur Europameisterschaft 2024 mit demselben Trikot wieder an den Start geht. Es wäre nicht sinnvoll, die Waren massenhaft zu schreddern. Hier geht es auch um einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und darum, ein Zeichen zu setzen.

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    Wie stark belasten die hohen Energiekosten den Einzelhandel?

    von Preen: Große Läden mit Kühltheken haben wohl den höchsten Energieverbrauch – und damit leidet der Lebensmitteleinzelhandel besonders. Die Energiekrise belastet aber den ganzen Handel teils existenziell. Die Energiekosten betragen im Handel etwa 1,5 Prozent bis 2 Prozent vom Umsatz. Gleichzeitig liegen die Umsatzrenditen nur bei 1,5 Prozent bis 3 Prozent. Wenn sich die Energiepreise verdoppeln oder sogar verzehnfachen, dann schrumpft der Gewinn vielerorts auf Null. Manche Händler müssen sogar ans Eigenkapital gehen, das schon durch die Corona-Lockdowns stark angegriffen ist.

    Reduzieren die Geschäfte ihre weihnachtlichen Beleuchtungen, um Energie zu sparen?

    von Preen: Fast alle Händler fahren die Beleuchtung herunter, Eingangstüren von Geschäften werden geschlossen, um die Wärme in den Läden zu halten. Die meisten Händler haben zudem ihren Energieverbrauch bereits durch LED-Leuchten und andere Energiesparmaßnahmen stark reduziert. Doch diese Kostenersparnis kann die Preiserhöhungen nicht ausgleichen.

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    Reichen die staatlichen Strom- und Gaspreishilfen?

    von Preen: Die Hilfen helfen. Ein Problem für die Berechnung ist für uns der Bezugszeitraum 2021. Hier sollten wenigsten die Lockdown-Zeiten herausgerechnet werden. Wichtig ist auch die Härtefallregelung – wenn die Preisbremsen gut funktionieren, werden wir sie aber hoffentlich kaum in Anspruch nehmen müssen.

    Selbst große Ketten wie Görtz und Galeria Kaufhof sind insolvent. Erwarten Sie für die nächsten Monate eine Pleitewelle im Handel?

    von Preen: In der Coronakrise haben viele Unternehmen ihre Rücklagen aufgebraucht. Dies kann größere Betriebe sogar schneller treffen als kleinere. Im Vergleich zu 2019 haben wir rund 41.000 Geschäfte verloren. Die meisten verschwinden leise vom Markt – ohne Insolvenzverfahren. Filialketten haben teils 30 Prozent ihrer Standorte aufgegeben. Wir erwarten dennoch keine große Insolvenzwelle. Vielmehr wird es eine Verschiebung zu neuen Ideen und Angeboten geben.

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    Inwieweit belasten hohe Mieten den Handel?

    von Preen: Händler haben heute bessere Chancen als vor Jahren, mit Vermietern gute Konditionen auszuhandeln. Das ist oft in beiderseitigem Interesse. Je höher der Leerstand, desto größer ist der Verhandlungsspielraum für Händler. Das Mietniveau geht eher zurück. Gut ist eine angemessene Basismiete plus umsatzbezogener Anteil. So können Händler neu angesiedelt und Innenstädte belebt werden.

    Wie sollte der stationäre Handel der Zukunft aussehen?

    von Preen: Vielfältig. Ein Mix aus Einkaufszentren, kleinen und großen Läden, Gastronomie und Kultur. Sie sollten grüner und blauer werden – also mit mehr Bäumen, Wiesen und Wasser wie Springbrunnen, um den Aufenthalt für alle attraktiv zu machen. Man sollte aber auch weiter mit Autos die Innenstädte erreichen können – das wünscht sich auch die Mehrheit der Deutschen. Außerdem wünschen wir uns verlässliche Rahmenbedingungen für gelegentliche offene Sonntage für den Handel. Einkaufen ist ein Freizeiterlebnis. Menschen müssen Spaß haben, in die Innenstadt zu kommen.

    Finden Sie derzeit leicht Personal?

    von Preen: Der Einzelhandel ist die drittgrößte Wirtschaftskraft des Landes und mit 3,1 Millionen Mitarbeitern einer der größten und interessantesten Arbeitgeber und Ausbilder in Deutschland. Wir haben eine Verantwortung und der Fachkräftemangel kommt nicht überraschend für uns. Der Handel bietet eine Vielzahl von Jobs und flexible Arbeitszeiten an. Wir bieten Voll- und Teilzeit, Jobs mit Kundenkontakt, im Backoffice oder der Logistik. Aktuell ist ein Drittel der Mitarbeitenden in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit beschäftigt. Und dank Digitalisierung bieten sich mehr und mehr Chancen und Abwechslung, z.B. im E-Commerce. Dennoch wird es immer schwieriger, gute Mitarbeiter zu finden. Für Oktober 2022 waren bei der Bundesagentur für Arbeit im Bereich Einzelhandel mehr als 55.000 freie Stellen gemeldet. Und die Branche baut weiter Arbeitsplätze auf.

    Wie attraktiv ist der Handel für Auszubildenden?

    von Preen: Die beiden Kernverkaufsberufe zählen jedes Jahr zu den beliebtesten Ausbildungsberufen, in denen allein über zehn Prozent aller Ausbildungsverträge in Deutschland geschlossen werden. Am beliebtesten sind die Kaufleute im Einzelhandel und die Verkäufer. Aber es gibt auch ganz neue Berufsbilder wie den E-Commerce-Kaufmann.

    Könnte ein Einwanderungsgesetz das Personalproblem lösen?

    von Preen: Wir sind offen für eine qualifizierte Einwanderung von Arbeitskräften. Unsere Branche könnte davon profitieren. Im Handel ist nicht unbedingt ein Akademikerabschluss notwendig, um Karriere zu machen. Wir können in einigen Fällen auch ungelernten Kräften Jobs oder zumindest eine Ausbildung bieten. Der Handel hat hier eine große integrative Kraft in Deutschland. Vielfalt wird jeden Tag gelebt, Chancen für eine Entwicklung im Handel eröffnet.