Washington. Nach zwei Abstürzen von Boeings Bestseller 737 Max stehen sowohl der Flugzeugbauer als auch die US-Aufsicht FAA schwer in der Kritik. Jetzt zählt die Behörde den Konzern öffentlich an. Es geht um brisante Nachrichten zwischen Boeing-Mitarbeitern.

Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat wegen angeblicher Versäumnisse im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Zulassung des Krisenjets 737 Max Vorwürfe gegen Boeing erhoben.

FAA-Chef Steve Dickson forderte in einem am Freitag von der Behörde veröffentlichten Brief an Boeing-Chef Dennis Muilenburg eine "sofortige Erklärung", warum ein "beunruhigendes Dokument" Aufsehern erst mit Monaten Verspätung vorgelegt worden sei. Boeing äußerte sich zunächst nicht.

Einer Mitteilung der FAA zufolge geht es um Nachrichten zweier Boeing-Mitarbeiter, in denen ein bestimmter Informationsaustausch zwischen der Behörde und dem Flugzeugbauer zur ursprünglichen Zulassung der nach zwei Abstürzen mit Startverboten belegten 737 Max im Jahr 2016 beschrieben wurde. Boeing habe dieses Dokument schon vor Monaten aufgetrieben, jedoch erst am späten Donnerstag dem Verkehrsministerium vorgelegt, behauptet die FAA.

Sowohl Boeing als auch die FAA sind infolge der 737-Max-Abstürze, bei denen im Oktober und März insgesamt 346 Menschen starben, schwer in die Kritik geraten. US-Ermittler untersuchen, ob bei der Zulassung der Unglücksflieger alles mit rechten Dingen zuging. Die FAA soll wesentliche Teile der Zertifizierung Boeing selbst überlassen haben. Ob und wann die 737 Max wieder abheben darf ist derzeit unklar. Anleger reagierten am Freitag nervös auf die Kritik der FAA, Boeings Aktien fielen im US-Handel zeitweise um über sechs Prozent.

Die "New York Times" zitierte später aus den brisanten Nachrichten der Boeing-Mitarbeiter und brachte den Flugzeugbauer damit noch stärker in die Bredouille. Laut dem Transkript klagte der für die Technik der 737 Max zuständige Pilot bereits im November 2016 über Probleme mit der Steuerungsautomatik MCAS, die inzwischen als Hauptursache der beiden Abstürze gilt. Zudem räumte er darin ein, die FAA angelogen zu haben - wenngleich angeblich unwissentlich.

Dem Zeitungsbericht nach hatte der Pilot acht Monate zuvor im Auftrag von Boeing grünes Licht bei der FAA dafür eingeholt, dass das MCAS-System in der Betriebsanleitung der 737 Max keine Erwähnung mehr findet. Die Aufsichtsbehörde sei aber davon ausgegangen, dass MCAS nur eine geringe Rolle bei der Steuerung der Maschine spielt und sich nicht im Klaren darüber gewesen, wie stark die Wirkung tatsächlich ist. Dies war auch ein Hauptkritikpunkt des jüngst veröffentlichten Untersuchungsberichts einer unabhängigen Expertenkommission der FAA.

Für Boeing sind die Vorwürfe der FAA sehr heikel. Der Konzern ist wegen der Abstürze mit einer Klagewelle konfrontiert. Sollten bei der Zertifizierung der 737 Max falsche Angaben gemacht oder Informationen unterschlagen worden sein, könnte dies schwere Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Steuerungssoftware MCAS soll eigentlich in kritischen Flugsituationen - wie bei einem zu steilen Aufstieg - automatisch den Flugwinkel korrigieren. Doch die bisherigen Untersuchungen deuten darauf hin, dass sie die Unglücksmaschinen durch falsche Sensordaten automatisch Richtung Boden lenkte.