Washington. Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal infolge der Corona-Krise dramatisch eingebrochen. Auch die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Analysten sind auch für den Rest des Jahres pessimistisch.

Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal wegen der Corona-Pandemie trotz gewaltiger Konjunkturpakete dramatisch eingebrochen.

Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das war der tiefste Einbruch seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch die Zahl der Arbeitslosen stieg erneut an.

In den USA werden die Wachstumsraten des BIP immer annualisiert angegeben, das heißt die Daten eines Quartals werden hypothetisch auf das ganze Jahr hochgerechnet. Diese Betrachtungsweise ist bei großen Ausschlägen wie im zweiten Quartal allerdings missverständlich. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Vergleich zum Vorquartal entspräche der Rückgang umgerechnet einem Minus von fast 10 Prozent.

"Wir erwarten, dass es Jahre dauern wird, bis der Schaden wieder ganz behoben wird", schrieb Analyst Andrew Hunter von Capital Economics. Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, wiederum machte Donald Trumps Versagen als Staatschef für die beispiellose Wirtschaftskrise verantwortlich. Wenn der Präsident zu Beginn der Corona-Pandemie "sofort und entschlossen" gehandelt hätte, hätten Zehntausende Menschen nicht sterben müssen und Millionen Amerikaner hätten ihren Job nicht verloren, erklärte Biden.

Im ersten Vierteljahr war die US-Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnet bereits um 5 Prozent geschrumpft. Die Zuspitzung der Pandemie ab Mitte März stürzte die USA dann in eine schwere Wirtschaftskrise. In der zweiten Maihälfte und im Juni gab es aber bereits wieder Zeichen einer Erholung. Seit Ende Juni nimmt die Zahl der Neuinfektionen allerdings wieder dramatisch zu, was zu neuerlichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt hat und das Wachstum ausbremsen dürfte.

Auch vom Arbeitsmarkt gab es am Donnerstag erneut schlechte Nachrichten: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe blieben auf historisch hohem Niveau. In der Woche bis einschließlich 25. Juli stellten 1,434 Millionen Menschen einen Neuantrag, wie das Arbeitsministerium mitteilte. Die Neuanträge auf Arbeitslosengeld spiegeln die kurzfristige Entwicklung des Arbeitsmarkts wider. Die hohen Werte zeigen, dass sich die größte Volkswirtschaft der Welt trotz Lockerungen der Corona-Auflagen immer noch in einer schweren Krise befindet. Vor Beginn der Coronavirus-Pandemie war die Zahl der wöchentlichen Neuanträge selten über 100.000 gestiegen.

Die anhaltend hohe Zahl ist auch deswegen von Bedeutung, weil die zusätzliche Arbeitslosenhilfe des Bundes in Höhe von 600 Dollar pro Woche aus einem Corona-Hilfspaket vom März diese Woche ausläuft. Millionen Amerikanern steht daher ein enormer Einkommensverlust bevor. Bislang haben sich die Regierung und die beiden Parteien im Kongress noch nicht auf eine Fortsetzung der Zahlungen im Rahmen eines neuen Hilfspakets einigen können. Weil der Konsum in den USA einen sehr hohen Anteil am BIP hat, dürfte ein Wegfallen der Hilfe Analysten zufolge das Wachstum im dritten Quartal verlangsamen.

Der US-Kongress hat seit Beginn der Krise bereits Konjunkturpakete in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar beschlossen. Das entspricht mehr als zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Notenbankchef Jerome Powell hatte am Mittwoch erklärt, die weitere Wirtschaftsentwicklung sei wegen der Pandemie höchst unsicher. "Der Verlauf der Wirtschaft wird in sehr großem Ausmaß vom Verlauf des Virus abhängen", sagte er. Ohne eine Eindämmung des Virus sei eine vollständige wirtschaftliche Erholung "unwahrscheinlich", warnte er. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei extrem niedrigen 3,5 Prozent gelegen.

US-Präsident Donald Trumps Regierung hofft trotz Pandemie auf eine rasche Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal. Trump drängt daher auf eine rasche Normalisierung des Wirtschaftslebens. Analysten sehen die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung allerdings zumeist skeptischer.

Auch in Deutschland war das BIP im zweiten Quartal in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen. Es schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970.

In den USA werden derzeit täglich gut 60.000 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Betroffen sind vor allem Bundesstaaten im Süden und Westen des Landes, in denen rund ein Drittel der US-Bevölkerung lebt. Insgesamt gibt es Daten der Universität Johns Hopkins zufolge inzwischen 4,4 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 und mehr als 150 000 damit verbundene Todesfälle.

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