Berlin. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt spitzt sich zu: Es drohen Mietpreissteigerungen, zugleich nimmt die Zahl der Sozialwohnungen ab.

In den nächsten Wochen werden viele Mieterhaushalte ihre Betriebskostenabrechnung im Briefkasten finden. Die Abrechnung, die sich in der Regel auf das vergangene Jahr bezieht, dürfte einen ersten Vorgeschmack auf das geben, was im kommenden Jahr an Preissteigerungen ansteht. Schon jetzt sorgen die hohen Energiekosten dafür, dass viele Vermieter und Mieter sich auf eine Anpassung ihrer monatlichen Warmmiete geeinigt haben, um horrende Nachzahlungen zu vermeiden.

Doch dabei wird es mitunter nicht bleiben. Viele Mieterhaushalte müssen sich auch auf eine Erhöhung der Kaltmiete einstellen. Zwar setzt die Mietpreisbremse zumindest in Regionen mit angespanntem Wohnraum eine Grenze – binnen drei Jahren darf die Mieterhöhung nicht mehr als 20 Prozent beziehungsweise in vielen Städten nicht mehr als 15 Prozent angehoben werden. Ausgenommen ist dabei die Vermietung von neu gebauten Wohnungen. Auch interessant: Strom: Börsenpreis bricht ein – Was das für Kunden bedeutet

Zudem berichten die Mietervereine, dass immer mehr Verträge mit Indexmiete abgeschlossen werden – deren jährliche Mietsteigerung sich an der Inflationsrate bemisst, die zuletzt bei fast acht Prozent lag. Auch viele private Vermieter, die in den vergangenen Jahren auf Mieterhöhungen verzichtet haben, dürften sich angesichts der Teuerung nun überlegen, ihre Mieten anzupassen.

Wohnen: Zahl der Sozialwohnungen erneut gesunken

Es kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu, der das Wohnen verteuert: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt weiter. Bundesweit haben im vergangenen Jahr 27.369 mehr Wohnungen ihre Sozialbindung verloren, als neue Sozialwohnungen gebaut wurden. Damit ergibt sich ein großes Ungleichgewicht.

Bundesweit haben mehr als 11 Millionen Menschen einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf eine Sozialwohnung. Zugleich gibt es nur noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Im Schnitt gingen in den vergangenen vier Jahren pro Jahr mehr als 30.000 Sozialwohnungen verloren – setzt sich dieser Trend fort, droht im Jahr 2025 die Millionenmarke unterschritten zu werden.

Damit geht auch die preisdämpfende Wirkung, die Sozialwohnungen auf den Gesamtmarkt ausüben sollen, zunehmend verloren. „Die Mieten werden weiter steigen und sie werden stärker steigen, wenn nichts unternommen wird“, warnt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Und Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU rechnet vor: „Alle 19 Minuten verliert Deutschland eine Sozialwohnung.“ Deutschland habe eine neue Talsohle beim sozialen Wohnen erreicht. Lesen Sie hier: Günstiger wohnen: Diese Neuerung plant die Ampelkoalition

Studie: Subventionsbedarf auf bis zu 15,2 Milliarden Euro gestiegen

Gleichzeitig aber hat der russische Angriff auf die Ukraine den Bedarf nach Wohnraum noch einmal gesteigert. 927.300 Menschen kamen bis Mai nach Deutschland – und damit fast dreimal so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Zwar kehrten viele Geflüchtete mittlerweile wieder in ihre Heimat zurück, für andere ist der Gang zurück in Krieg und Zerstörung derzeit aber keine Option. Sie treffen auf einen ohnehin angespannten Wohnungsmarkt.

„Die wachsende Bevölkerung trifft bei verminderter Zahlungsfähigkeit auf einen rückläufigen Wohnungsbau und weiter sinkende Sozialwohnungsbestände“, heißt es in einer neuen Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Verbändebündnisses Wohnen, dem neben Mieterbund und IG BAU auch die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau angehören.

Wolle die Ampel-Koalition an ihrem Ziel festhalten, 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen, dann müsse sie laut der Pestel-Studie angesichts der derzeitigen Preissteigerungen für das kommende Haushaltsjahr 12,5 Milliarden Euro locker machen. Sollen die Sozialwohnungen dann noch den besonders klimafreundlichen Effizienzhausstandard 40 aufweisen, wären es schon 15,2 Milliarden Euro. Auch interessant: Preisbremse für Gas und Strom: Bald auch in Deutschland?

Bauministerin Geywitz ruft Bundesländer zu mehr Tempo auf

So viel Geld wird Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber wohl kaum erhalten, wenn sich in der kommenden Woche der Bundestag mit dem Bauetat befassen wird. Fünf Milliarden Euro sind für das kommende Jahr vorgesehen, zwei Milliarden Euro sollen den Ländern laut Bauministerium für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden. Bis 2026 soll es für Neubau und die Modernisierungen insgesamt 14,5 Milliarden Euro geben.

„Sind wir doch realistisch. Dieses deutliche Plus im Budget muss erst einmal verbaut werden. Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht einfacher geworden“, sagte Geywitz unserer Redaktion. Der Bund mache bereits viel, unter anderem sollen ab dem kommenden Sommer die Abschreibungsbedingungen verbessert werden.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) weist die Forderung nach deutlich mehr Geld vom Bund zurück.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) weist die Forderung nach deutlich mehr Geld vom Bund zurück. © dpa | Monika Skolimowska

Am Ende seien die Bundesländer für den Wohnungsbau verantwortlich. Klar sei aber „Statt weniger Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen, brauchen wir mehr.“

Zweifel aus der Bauwirtschaft

Aber auch die Bauwirtschaft zweifelt, dass das Vorhaben zu schaffen ist. Bisher seien jährlich nur rund 30.000 Sozialwohnungen gebaut worden, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschaftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, unserer Redaktion. „Wir müssten also mehr als das Dreifache bauen – und dafür müsste es erst einmal Aufträge geben. Aber angesichts der Preissteigerungen halten sich Investoren und Wohnungsbaugesellschaften derzeit zurück.“

Die Preisexplosionen, Lieferengpässe, der Material- und Fachkräftemangel sowie das Förderchaos hätten einen „perfekten Sturm“ ergeben, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko unserer Redaktion. Das Ziel von 100.000 Sozialwohnungen sei zur „Makulatur“ geworden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.