Rom/Berlin. Der Ukraine-Krieg hinterlässt Spuren in der Getränkeindustrie. Kohlensäure wird knapper. Was das für Limos und Mineralwasser bedeutet.

Italien im August: Im heißesten Sommer seit Jahrzehnten suchen Touristen in der Toscana im Badeort Capalbio Erfrischung an der Strandbar. Erwachsene bestellen Aperol Spritz, Kinder schlürfen Gazzosa, Chinotto oder Cola. Noch. Denn kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke könnten bald knapp werden.

In einigen Supermärkten ist Sprudelwasser in Italien bereits nicht mehr zu finden. Der Grund: Die Herstellung der Kohlensäure – eine Reaktion zwischen CO2 (Kohlenstoffdioxid) und Wasser – ist sehr energieintensiv und teuer geworden. Sie wird entweder natürlich durch alkoholische Gärung oder als Nebenprodukt von chemischen Prozessen gewonnen.

CO2 entsteht unter anderem bei der Produktion von Ammoniak, das zur Herstellung von Düngemitteln und technischen Kunststoffen verwendet wird. Doch manche Chemiekonzerne haben aufgrund hoher Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs ihre Produktion zurückgefahren und somit auch die CO2-Produktion reduziert.

Ukraine-Krieg: Kohlensäure wird zum knappen Gut

„Unsere Lieferanten haben Schwierigkeiten, CO2 zu finden, weil die Produktion eines Werks in Ferrara aufgrund der hohen Energiekosten gedrosselt wurde“, berichtet Alberto Bertone, CEO und Vorsitzender des Mineralwasserabfüllers Acqua Sant’Anna. Der Produzent musste bereits einen Teil seiner üblichen Produktion aussetzen. Auch Sanpellegrino, das zu Nestlé gehört, ist gezwungen, seine Produktion zu drosseln.

„Eine wachsende Zahl an Getränkekonzernen, darunter auch große und mittelgroße Unternehmen, sind wegen der derzeitigen Situation auf dem CO2-Markt besorgt“, sagt Giangiacomo Pierini, Vorsitzender des Branchenverbands Assobibe. „Es ist schwer zu sagen, ob einige Getränke vorübergehend aus den Supermarktregalen verschwinden werden.“

Auch in Deutschland sind die Lieferketten der Mineralbrunnen angespannt. „Knappheiten, die die Versorgung der Menschen mit Mineralwasser gefährden würden, gibt es derzeit aber nicht“, sagt Maik Hünefeld, Sprecher des Verbands Deutscher Mineralbrunnen. Lokale Lieferengpässe seien zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, „aber grundsätzlich gibt es genügend Mineralwasser, um den erhöhten Bedarf im Sommer sicher zu decken“.

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Hersteller: Mineralwasser könnte teurer werden

Mineralwasser ist hierzulande der beliebteste Durstlöscher. 123 Liter davon trinkt im Schnitt jeder Bundesbürger pro Jahr. Im ersten Halbjahr ist der Absatz weiter um rund 2,6 Prozent gestiegen. Dabei werden nur 20,7 Prozent der Mineral- und Heilwasser ohne Kohlensäure konsumiert. Die Mehrheit enthält Sprudel. Abgefüllt werden sie von rund 150 überwiegend kleinen und mittleren Mineralbrunnen-Betrieben.

Wie die ganze Lebensmittel- und Getränkewirtschaft steht auch die Mineralbrunnenbranche wegen der Energiekrise unter deutlichem Kostendruck, berichtet der Verbandssprecher. Ein Preisanstieg sei deshalb nicht ausgeschlossen. „Abhängig von den gestiegenen Energiekosten sind in nahezu allen Bereichen die Rohstoffpreise gestiegen, dies betrifft auch Kohlensäure für die Lebensmittel- und Getränkeherstellung.“ Entscheidend sei, wie lange diese Situation anhalte, so Hünefeld: „Auf Dauer werden die Mineralbrunnen die Kostensteigerungen nicht abfedern können.“

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Ukraine-Krieg: Wie Coca-Cola die Produktion sichert

In Italien haben unterdessen kleinere Mineralwasserproduzenten größere Schwierigkeiten. „In den letzten zwei Monaten war die Versorgung von Mineralwasser mit Sprudel begrenzt“, sagte Denis Moro, Geschäftsführer von Fonte Margherita 1845. „Wir stehen vor einer kritischen Phase und wissen nicht, wann sie enden wird“, klagt auch Samuele Pontisso, Geschäftsführer des Mineralwasserproduzenten „Goccia di Carnia“. „In den Regalen geht das Wasser mit Kohlensäure langsam zur Neige. Wir hatten einige Probleme in den vergangenen Tagen, als wir die Produktion für zwei bis drei Tage stoppen mussten.“

Coca-Cola setzt unterdessen auf Eigenproduktion von Kohlendioxid. „Dies ermöglicht uns, die Notlage ohne Probleme zu überstehen“, sagt Pierini, Manager bei Coca-Cola HBC Italia. „Wir haben Vorräte, so dass wir trotz der schwierigen und teuren Marktlage arbeiten können.“

Auch in Deutschland gibt der Coca-Cola-Konzern als größtes deutsches Getränkeunternehmen für seine Produkte Entwarnung. „Die Coca-Cola Europacific Partners bezieht CO2 von mehreren Lieferanten in ganz Europa, darunter auch einige in Deutschland“, sagt die Kommunikationschefin Marlen Knapp. „Wir sind uns bewusst, dass es auf dem Markt zu Kapazitätsengpässen kommen könnte, haben aber geeignete Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung unserer Produktionsstandorte sicherzustellen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt