Berlin. Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Das Bündnis Soziales Wohnen tritt für einen radikalen Kurswechsel ein, um mehr Mietwohnungen zu schaffen.

Innerstädtisches Bauland für mehr als 1000 Euro pro Quadratmeter, über 20 Bewerber für eine Sozialwohnung und Vermieter, die neben dem Gehaltsnachweis auch das polizeiliche Führungszeugnis verlangen: Das ist das derzeitige Bild des deutschen Wohnungsmarkts.

In Ballungsgebieten wird es immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Mittlerweile stoßen sogar Durchschnittsverdiener bei Mietpreisen von 9,50 Euro und mehr pro Quadratmeter an ihre Schmerzgrenze.

Noch schlimmer ist die Lage für Menschen mit Beeinträchtigungen, Sozialhilfeempfänger und Rentner. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hat die Zahl der Wohnungslosen 2017 auf 650.000 geschätzt.

Gründe sind etwa das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum, der Rückgang des Sozialwohnungsbestandes und gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse. Derzeit gibt es in Deutschland nur einen Bestand von weniger als 1,2 Millionen Sozialwohnungen.

80.000 Sozialwohnungen pro Jahr seien notwendig

Fünf soziale Organisationen und Verbände der Bauwirtschaft wollen jetzt die Notbremse ziehen. Das Bündnis bestehend aus dem Deutschen Mieterbund, dem Caritasverband, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) fordert, dass bis zum Jahr 2030 der Bestand von Sozialmietwohnungen auf über zwei Millionen Wohnungen stabilisiert wird.

Auf Grundlage einer Studie des Pestel-Institutes spricht sich das Verbändebündnis in einem „Akutplan für soziales und bezahlbares Wohnen“ für einen Kurswechsel in der Wohnungsbaupolitik aus. Um das zu erreichen, ist nach Ansicht von Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, ein Neubau von mindestens 80.000 Sozialwohnungen pro Jahr notwendig, erklärt er am Donnerstag in Berlin.

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Deutlich mehr Ausgaben für sozialen Wohnungsbau

Weitere 75.000 Bestandswohnungen müssten jedes Jahr modernisiert und durch Ankauf von Belegrechten Menschen mit Wohnberechtigungsschein zugänglich gemacht werden. Um die Bauvorhaben umzusetzen, sei es notwendig, dass der Staat seine Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau von jährlich zuletzt 2,4 Milliarden Euro auf 6,3 Milliarden Euro pro Jahr erheblich steigert.

Kommentar: Was die Politik gegen steigende Wohnungslosigkeit tun muss

Für Menschen, die mit ihrem Gehalt nur knapp über der Einkommensgrenze liegen, fordert das Bündnis, dass mindestens 60.000 bezahlbare Wohnungen in Wachstumsregionen pro Jahr neu gebaut werden. Dafür sind noch einmal staatliche Investitionen von rund drei Milliarden Euro im Jahr notwendig.

Erschwingliche Mieten durch günstiges Bauland

Von Beginn an müssen dabei laut Ronald Rast, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, die Rahmenbedingen für den sozialen Wohnungsbau stimmen. Aus Modellrechnungen der Studie des Pestel-Institutes geht hervor, dass vor allem der Baulandpreis Auswirkungen auf die Kaltmiete hat.

Aus diesem Grund fordert das Bündnis, dass Bauland maximal 300 Euro pro Quadratmeter kosten darf. Das sei vor allem möglich, wenn Landwirte ihre Flächen verkaufen.

„In den Städten geht es im Wesentlichen um Nachverdichtung, denn dort gibt es wenig freie Flächen außer die der Deutschen Bahn oder Flächen, über die Bund und Länder teilweise noch verfügen“, sagt DGfM-Vorstandsvorsitzender Hannes Zapf: „Mehr Freiflächen gibt es an den Rändern der Städte.

Dort müssen die Landwirte jedoch noch mehr Bereitschaft zeigen und ihre als Wohngebiete ausgewiesenen Felder veräußern. Ansonsten kann der Wohnungsmarkt dort nicht geschlossen werden.“

Menschen mit Beeinträchtigungen haben es besonders schwer

Neben den baulichen Forderungen stellt das Verbändebündnis in seinem Akutplan auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen in den Vordergrund. Die Caritas fordert, dass im Bereich der Neubauten ein Kontingent geschaffen wird, das insbesondere Menschen mit Beeinträchtigungen einen Zugriff auf Sozialwohnungen ermöglicht.

Die Wohnungen sollen über eine Härtefall-Kommission ausgewiesen werden. „Zudem fordern wir, dass zehn Prozent der neuen Sozialwohnungen rollstuhlgerecht und barrierefrei eingerichtet werden“, sagt Thorsten Hinz, Geschäftsführer des Caritasverbands Behindertenhilfe und Psychia­trie, unserer Redaktion.

Seit 2011 sind in Deutschland rund 500.000 Wohnungen mehr aus dem Sozialwohnungsbestand gefallen als neu gebaut wurden. Grund dafür waren unter anderem die geringen staatlichen Zuschüsse und der unzureichende Mitteleinsatz der Bundesländer. Aktuell werden laut Studie pro Jahr in Deutschland nur 27.000 neue Sozialwohnungen gebaut. Im Bereich des bezahlbaren Wohnraums entstehen jährlich 3000 neue Wohnungen.