Berlin. Sind mehrere Menschen wirklich durch Wurst des Herstellers Wilke gestorben? Die Staatsanwaltschaft geht diesem Verdacht jetzt nach.

Mindestens drei Todesfälle sowie dutzende mit Listeriose Infizierte könnten mit keimbelasteter Wurst der Firma Wilke Wurstwaren in Verbindung stehen. In der Wurst wurden Listerien gefunden, die bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem zum Tod führen können. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Ermittler wollen herausfinden, ob die Menschen wirklich durch die Wurst von Wilke gestorben sind oder aber sich woanders Infektionen zugezogen haben. „Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Infektion und dem Ableben besteht und welche Krankheitssymptome die Infizierten durch die Listeriose erlitten haben, wird nunmehr ermittelt“, sagte Justizsprecher Andreas Thöne auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Die Staatsanwaltschaft prüft auch, ob sich strafrechtliche Konsequenzen aus den Verunreinigungen ergeben. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen den Geschäftsführer.

Laut Thöne wurde von der Rechtsabteilung des Robert-Koch-Instituts in Berlin eine anonymisierte Liste mit den bislang bekannt gewordenen Erkrankungsfällen übermittelt. Darauf verzeichnet seien Krankheitsfälle mit dem Keimstamm „Sigma 1“, die in den direkten Zusammenhang mit Produkten der Firma Wilke gebracht würden.

Wilke Wurst: Robert-Koch-Institut bestätigt bei drei Sterbefällen Zusammenhang

Von den 37 Infizierten mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren seien mittlerweile 25 verstorben. Das RKI habe aber nur bei den drei bereits bekannten Sterbefällen einen Zusammenhang zwischen „Sigma 1“ und dem Tod bejaht. Dem gehen die Ermittler nun nach.

„Ob tatsächlich ein Zusammenhang besteht, steht aus staatsanwaltschaftlicher Sicht bislang nicht fest und bedarf der Aufklärung“, sagte Thöne. Denn alle Verstorbenen hätten teilweise beträchtliche weitere Erkrankungen gehabt, „die durchaus allein todesursächlich gewesen seien können“.

Wilke hat mittlerweile Insolvenz angemeldet – und wehrte sich gegen das Aus. Wie die „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) zuerst berichtete, hatte Wilke Wurstwaren einen Eilantrag gegen den Landkreis Waldeck-Frankenberg eingereicht, um die Betriebsschließung zu verhindern.

Doch die Antwort des Verwaltungsgerichts Kassels kam prompt: Ein Gerichtssprecher teilte am Montag mit, dass der Antrag abgelehnt worden sei. Die Betriebsschließung war demnach rechtens. Wilke könnte nun noch in der Sache Beschwerde vor den hessischen Verwaltungsgerichtshof einlegen.

Wilke: Sollte wieder Wurst produziert werden?

Aber wollte Wilke wirklich wieder Wurst produzieren? Zuletzt wurden Bilder von verschimmelten Leberkäse und Salami bekannt. Das nordhessische Unternehmen aus Berndorf stand mit seinen Produktionsbedingungen derart im Fokus der Öffentlichkeit, dass eine Wiederaufnahme der Wurstproduktion wirtschaftlich kaum Sinn ergeben würde. Zu groß dürften die Sorgen der Verbraucher nach dem verursachten Lebensmittelskandal sein.

Stattdessen wäre es aber möglich, dass Wilke mit dem Eilantrag ein anderes Ziel verfolgte: Sollte dem Landkreis bei der Schließung des Betriebs ein Rechtsfehler unterlaufen sein, könnte Wilke auf Schadenersatz hoffen.

Diese Produkte sind von dem Lebensmittelskandal bei Wilke betroffen.

Ähnlicher Fall in Bayern

Die „HNA“ zieht Verbindungen zu einem ähnlichen Fall aus Oberbayern: Die dortige Großmetzgerei Sieber musste vor drei Jahren aufgrund von Listerien in der Wurst Insolvenz anmelden. Insolvenzverwalter Josef Hingerl will den Freistaat Bayern auf zwölf Millionen Euro Schadenersatz verklagen, da er das Produktionsverbot für rechtswidrig halte. Seit Anfang des Jahres läuft der Prozess vor dem Münchener Landgericht.

Der Fall Sieber könnte auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter von Wilke Wurstwaren, Dr. Mario Nawroth, als Vorbild dienen. Ein Sprecher von Nawroth bestätigte der „Lebensmittelzeitung“, dass Wilke den Eilantrag gestellt habe. Ob Wilke den Plan nun aber noch weiterverfolgt und Beschwerde einlegt, ist offen.

Gewerkschaft hält Wiederaufnahme des Betriebs für unwahrscheinlich

Ob es im Rechtsstreit über die Firmenschließung ein Hauptsacheverfahren gibt, ist unklar. Laut Verwaltungsgericht wäre dieses nötig, falls Wilke Schadenersatzansprüche gegen den Landkreis wegen der Schließung anstreben sollte.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist eine Wiederaufnahme des Betriebs unwahrscheinlich. „Ich sehe da schwarz“, sagte Gewerkschaftsgeschäftsführer Andreas Kampmann: Die einzige Hoffnung für die Mitarbeiter sei weiterhin nur, dass sich ein Investor finde, der für die Firma eine neue Verwendung finde. (dpa/tki)