Berlin. Steuern rauf oder runter - das war die zentrale Frage bei “Markus Lanz“. CSU-Grande Edmund Stoiber redete sich dabei richtig in Rage.

Edmund Stoiber gefiel das alles gar nicht. Nicht die Frage von Markus Lanz, ob die Union mit noch nicht einmal mehr 20 Prozent in den Wahl-Prognosen der letzten Woche weiterhin als Volkspartei gelten konnte. Und schon gar nicht, ob der Kandidaten-Streit mit Markus Söder nicht doch entscheidend war für die schwachen Umfragewerte von Armin Laschet.

Ach, was, schnappte der CSU-Ehrenvorsitzende und bekannter Söder-Mentor: "Diese Konkurrenz zwischen den Schwesterparteien hat es immer schon gegeben, denken Sie nur an den Kampf zwischen Strauß und Kohl, 1976."

Und überhaupt: Die Dauerwarnung der CDU vor einer rot-grün-roten Koalition wäre überhaupt keine "Rote-Socken-Reloaded"-Kampagne, wie Markus Lanz "dauernd unterstellte": Die Bereitschaft, die Linkspartei in die Regierung zu holen, sei vielmehr ein "Quantensprung" und "ein später Sieg von Oskar Lafontaine", der 2005 zur Linkspartei wechselte und als deren ehemaliger Vorsitzender die SPD weiter zu spalten versuchte. Ein Linksbündnis wäre laut Stoiber deshalb vor allem eins: Ein Skandal.

Stoiber wettert bei Lanz gegen die Grünen

2001 war der CSU-Politiker selbst noch Kanzlerkandidat der Union gewesen. Und Stoiber machte sich deshalb bei "Markus Lanz" an diesem Donnerstag so kurz vor der Bundestagswahl richtig Luft, noch mehr aber Sorgen um die Folgen, wenn "in einer Koalition mit knapper Mehrheit, die Grünen mit sechs oder sieben Prozent eine Machtposition bekommen, Dinge durchzusetzen, die dem Land schaden."

Bei der laut ihm aktuell wichtigsten Herausforderung für die nächste Bundesregierung seien die Grünen aus Stoibers Sicht jedenfalls keine Hilfe. Die Verbindung einer ökologischen mit der sozialen Marktwirtschaft werde man damit, dass man "die sowieso schon hohen Steuern noch weiter erhöht," nicht erreichen, glaubt der CSU-Politiker. Er erregte sich immer weiter und warnte schließlich: "Wenn wir unsere Wirtschaftsstärke verlieren, verlieren wir auch unseren Einfluss in Europa und der Welt."

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Edmund Stoiber (CSU), Politiker
  • Anna Mayr, Journalistin
  • Julius van de Laar, Strategieberater
  • Marcel Fratzscher, Ökonom

Lanz: Edmund Stoiber malt den Teufel mit dunkelroten Hörnern an die Wand

An den Gefühlsausbrüchen und historischen Rückblicken seines Hauptgastes hatte keiner mehr Spaß als Markus Lanz: "Ich sorge mich um Ihren Blutdruck!", lachte er, aber doch froh über die Aufregung, die seine kontroverse Sendung spürbar belebte: "Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass Sie den Teufel an die Wand malen, und der hat dunkelrote Hörner."

Am Nachmittag noch in Köln mit dem "Deutschen Fernsehpreis" in der Sparte "Beste Information" ausgezeichnet, saß Markus Lanz am späten Abend schon wieder in seinem Hamburger Studio. Noch im gleichen Anzug und den gleichen Schuhen, setzte er in der Sendung am Donnerstagabend mehrfach seine Strategie ein, mit der er – laut seiner Dankesrede – den "Gästen, die immer alles wüssten" allein begegnen könne: "Gute Fragen zu den Antworten finden."

Bei dieser Sendung ging das Konzept auf: Es war tatsächlich ein ausgezeichneter "Lanz-Talk", lohnend bis zum Schluss auch für die Zuschauer – voller "guter Sätze", verständlicher Problemanalysen und interessanter Lösungsvorschläge, bis hin zu einem kostenlosen Rentenvorsorge-Coaching durch den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher.

Wer für sein Alter vorsorgen wollte, sollte eine Eigentumswohnung kaufen, riet er und schlug vor, dass der Staat ähnlich wie in Schweden, Menschen mit geringen und mittleren Einkommen dabei helfen sollte.

Ökonom bei Lanz: Wo sind Steuer-Entlastungen möglich?

Aber der Ökonom, der früher für die Europäische Zentralbank gearbeitet hat, überraschte auch – nicht nur Edmund Stoiber – mit seinen klaren Ansichten zu Steuersenkungen: Die wären nur machbar, wenn man gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben massiv runterfahren würde. "Punktuell macht das schon Sinn", sagte Fratzscher, schränkte aber weiter ein: "Arbeit wird in Deutschland viel zu hoch besteuert, im Vergleich zu Kapitalanlagen oder Vermögen."

Auch hätte Deutschland längst den größten Niedriglohnbereich in ganz Europa: "10 Millionen Menschen verdienen weniger als 12 Euro pro Stunde, das ist jeder vierte oder fünfte." Ein wahrscheinlich höherer Mindestlohn sei nötig, weil diese Arbeitnehmer meistens eben auch ohne Tarifvertrag arbeiteten. "Natürlich geht es um Geld, aber auch wie es verteilt wird", analysierte der Finanzexperte.

Zentrale Frage der Sendung: Wer bezahlt die ökologische Wende?

Die zentrale Frage bei dieser "wegweisenden Wahl" ist auch für die "Zeit"-Redakteurin Anna Mayr, wer künftig wieviel Lasten trägt: "Es geht um Geld. Wer bezahlt die ökologische Wende?", brachte sie es auf den Punkt.

Die richtungsweisenden Konzepte lägen ihrer Meinung nach bereits auf dem Tisch: "SPD und Grüne wollen die Reichen mehr belasten, Union und FDP die Armen weniger entlasten", erklärte sie und nannte Zahlen für die versprochenen Steuersenkungsgeschenke: 30 Milliarden pro Jahr von der CDU/ CSU, 80 Milliarden pro Jahr von der FDP.

So jung, dass sie 1976 beim Strauß-Kohl-Zwist erst "noch ein Gedanke Gottes" war", traute sie sich trotzdem Edmund Stoiber hart zu widersprechen: "Wir werden den Wohlstand dieses Landes nur bewahren, wenn der Klimaschutz gelingt."

Talkshow-Gäste einig: Wahlkampf ist furchtbar inhaltsleer

Hätte doch der "so furchtbar inhaltsleere Wahlkampf", den unisono alle Talk-Teilnehmer beklagten, nur ähnlich viele Zukunftsaspekte thematisiert wie diese Talkrunde. "Natürlich ist es viel einfacher über Befindlichkeiten zu sprechen", kommentierte Julius van de Laar die Versuchungen der Parteien, ihre Gegner lieber zu dekreditieren als über Konzepte zu diskutieren.

Der Strategieberater, der als Wahlkämpfer Barack Obama zu seiner ersten Präsidentschaft mitverhalf, erläuterte, warum der "lachende Laschet" in Erftstadt zum Wendepunkt für den CDU-Kandidaten wurde: "Es ist wie ein Test: Der schlimmste Tag im Wahlkampf ist immer noch der leichteste im Amt", erläuterte er. "Und Bilder sind schlussendlich das, was hängen bleibt: Die Wähler gucken einfach, kann der Kandidat das?"

Statt die Situation zu erklären, hätte Armin Laschet deshalb einfach seine Konkurrenten –"Olaf Scholz als Experte für Geld, Annalena Baerbock als Expertin für Umwelt" – nach NRW einladen sollen, um mit ihnen gemeinsam durch die Katastrophen-Orte zu laufen. Durch eine solche Macher-Geste, begleitet von wieder neuen Pressebildern, "hätte er noch Kanzler werden können", war sich der Kampagnenexperte sicher.

"Markus Lanz" – So liefen die vergangenen Sendungen