Berlin. Forscherinnen und Forscher zeigen mit verschiedenen Experimenten: Unser Kurzzeitgedächtnis kann bereits nach wenigen Sekunden versagen.

Viele kennen es: Was hatte man im Urlaub nochmal Leckeres zum Abend gegessen? Wie hieß gleich der Mitschüler in der Grundschule, der jedes Mal mit den Fingern geschnippt hat? Dass wir Dinge vergessen, die auf dem Zeitstrahl weiter zurückliegen, ist nichts Neues. Unser Langzeitgedächtnis kann Schwächen haben. Schon länger erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unser Gehirn – und stellten kürzlich fest: Auch unser Kurzzeitgedächtnis funktioniert schlechter als bisher angenommen.

Kurzzeitgedächtnis: Wie funktioniert es?

Mit dem Kurzzeitgedächtnis speichert unser Gehirn Informationen, die wir hören oder sehen, für mehrere Sekunden bis Minuten. Nur einige der aufgenommenen Daten landen danach im Langzeitgedächtnis, wo die Informationen dauerhaft abgespeichert werden. Das Kurzzeitgedächtnis kann beispielsweise helfen, wenn wir uns erinnern müssen, wo wir unser Smartphone hingelegt haben oder welche Informationen beim Lesen eines Textes wichtig sind.

Mit dem Alter nimmt unser Kurzzeitgedächtnis nach und nach ab – das ist bis zu einem gewissen Grad normal. Mit verschiedenen Übungen kann man das Kurzzeitgedächtnis jedoch trainieren: Es kann helfen, die Erinnerungslisten wegzulassen, eine neue Sprache zu lernen oder kleine Denkübungen zu machen.

Gedächtnis: Bereits nach wenigen Sekunden erinnern wir uns falsch

Forscherinnen und Forscher der Universität Amsterdam haben in einer Studie herausgefunden: Das Kurzzeitgedächtnis kann bereits nach wenigen Sekunden Fehler machen, wenn man sich an Formen erinnern soll. Die Forscher nennen das Phänomen Kurzzeitgedächtnis-Illusion. „Selbst kurzfristig ist unser Gedächtnis möglicherweise nicht vollständig zuverlässig“, sagte Dr. Marte Otten, die Erstautorin der Studie der Universität Amsterdam, gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“.

Gedächtnis-Forschung: Wir erinnern das, was wir erwarten?

Wie kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Ergebnis? Frühere Untersuchungen hätten laut Otten gezeigt, dass Menschen, denen ein spiegelverkehrter Buchstabe präsentiert wurde, häufig sagten, dass sie ihn vermeintlich richtig erkannten. Otten und ihr Team folgerten daraus, dass es sich eher um einen „Memory-Effekt“ handeln müsse. „Sie haben es also richtig gesehen, aber sobald Sie es sich merken, fangen die Dinge an, schief zu gehen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Sprich: Die Leute haben den Buchstaben oft richtig erkannt, aber später falsch erinnert.

Um die These zu stützen, wurden verschiedene Experimente mit unterschiedlicher Teilnehmeranzahl durchgeführt. Insgesamt waren 348 Testpersonen beteiligt. Die Forscherinnen und Forscher führten ebenfalls einen Test mit verdrehten Buchstaben durch. Es kam wieder zu Fehlern. Insbesondere wenn die Teilnehmer abgelenkt wurden oder die Zeit verzögert wurde, waren die Antworten häufiger falsch. Das ist laut Studie ein weiteres Zeichen dafür, dass unser Kurzzeitgedächtnis irren kann.

Kurzzeitgedächtnis macht Fehler: Was unser Wissen damit zu tun hat

Die Forscherinnen und Forscher liefern auch einen möglichen Grund für die falschen Erinnerungen: Sie glauben, dass unser Wissen um die Welt, in dem Fall um das Alphabet, schuld daran sein kann. Wir sehen Dinge, die gar nicht da sind – die wir aber so erwarten, weil wir sie eigentlich so kennen.

Bisher wurden jedoch nur die Erinnerungen von Formen getestet. Das Team hofft nun, untersuchen zu können, ob das Kurzzeitgedächtnis auch in anderen Situationen ähnlich reagiert und Fehler macht.

(emi)