Berlin. Israel, Großbritannien, Chile und die USA galten als effektiv, wenn es um das Impfen ging. Doch wie ist die Corona-Situation aktuell?

  • In Israel steigen die Corona-Zahlen wieder - trotz hoher Impfquote
  • In Großbritannien steigt die Inzidenz deutlich an
  • Wie wirksam sind die Corona-Impfungen?

Noch vor wenigen Monaten galten sie als die Impf-Champions, die den Rest der Welt vor Neid erblassen ließen: Israel, Großbritannien, die USA und Chile. Doch mittlerweile läuft es bei der Verabreichung der Vakzine nicht mehr so rund. Vor allem bei Jugendlichen gibt es große Lücken. Zudem macht die schnelle Ausbreitung der Delta-Mutante Sorgen. Ein Überblick.

Israel: Delta-Variante bereitet Sorgen

In Israel herrschte bis vor Kurzem noch Gelassenheit. Die Gefahr einer neuen Covid-Welle schien weit weg. Das Land galt als Impfweltmeister. Derzeit haben knapp 60 Prozent der Bevölkerung vollen Impfschutz gegen das Coronavirus. Bei der Altersklasse über 50 sind es sogar mehr als 90 Prozent. Experten gingen von einer "De-facto-Herdenimmunität" aus.

Doch nun wendet sich das Blatt: Die Infektionskurve stieg in den vergangenen Wochen infolge der Delta-Variante steil an. Am 4. Juli wurden in dem Land laut "Haaretz" 343 neue Corona-Infektionen gemeldet. Laut dem israelischen Sender i24News stiegen die Fälle in den vergangenen zwei Wochen um 1000 Prozent an. Am 6. Juli wurden nach Zahlen unserer Redaktion bereits über 400 Fälle gemeldet.

In Israel werden junge Menschen erst seit wenigen Wochen geimpft.
In Israel werden junge Menschen erst seit wenigen Wochen geimpft. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Nir Alon

Auffällig ist die Altersverteilung: Israelis unter 19 Jahren stellen die größte Gruppe der frisch Infizierten. Das liegt vor allem daran, dass bis vor Kurzem nur Menschen über 16 Jahre geimpft wurden. Die Altersgrenze wurde erst Anfang Juni auf zwölf Jahre gesenkt. Die Behörden gaben aber keine Empfehlung aus, Jugendliche impfen zu lassen. Erst jetzt trommelt die Regierung massiv für die Corona-Impfung, um die Jungen an die Impfstationen zu locken.

Der starke Anstieg der Infektionen ist für Epidemiologen aber noch kein Grund zur Panik. In den vergangenen zwei Wochen gab es nur einen Todesfall.

Großbritannien: Dritte Corona-Welle rollt über das Land

Eine dritte Covid-19-Welle rollt gerade über Großbritannien hinweg. Aber auf der Insel sind mehr Menschen geimpft als in den meisten anderen Ländern. Die Krankenhauseinweisungen und Todesfälle sind weit geringer als zuvor. Daher soll in England die Maskenpflicht weitgehend entfallen. Zudem sollen alle Kontaktbeschränkungen entfallen und Clubs wieder öffnen.

EMA: Vollständige Corona-Impfung schützt gegen Delta-Variante

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    Derzeit werden fast 30.000 Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist auf über 270 angestiegen. Im April/Mai gab es 2000 bis 3000 Neuansteckungen am Tag, die Inzidenz lag bei rund 20. Damals gab es die Hoffnung, dass eine dritte Pandemiewelle dank des Impfprogramms vermieden werden kann. Aber die Delta-Variante hat zu einem erneuten Ausbruch geführt. Delta hat sich flächendeckend durchgesetzt.

    Mit der der dritten Welle wurde die zweite Impfdosis für die oberen Altersgruppen priorisiert. Bisher haben 50 Prozent der Briten beide Dosen erhalten. Für eine Herdenimmunität ist das aber zu wenig.

    USA: Impftempo nimmt deutlich ab

    Mit knapp 3,6 Millionen Impfungen – am Tag – legten die USA im April im Anti-Corona-Kampf das weltweit höchste Tempo vor. Präsident Joe Biden gab die Losung aus, dass bis zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli 70 Prozent der Amerikaner gegen das Virus geschützt sein sollten. Das Ziel wird verfehlt. Nach Zahlen der Gesundheitsbehörde CDC sind mittlerweile knapp unter 50 Prozent der erwachsenen Amerikaner ab 18 doppelt geimpft. Das Impftempo hat sich enorm verlangsamt – auf etwa 900.000 pro Tag.

    Das Problem ist das Gefälle in den Vereinigten Staaten. Während etwa der Zwerg-Bundesstaat Vermont im Norden zu 77 Prozent durchgeimpft ist, liegt der Wert in Mississippi bei 38 Prozent. In Bundesstaaten, die 2020 Donald Trump gewählt haben, ist die Impfzurückhaltung generell größer als dort, wo Biden gewonnen hat. Knapp 30 Prozent der Amerikaner bleiben hartnäckig skeptisch.

    Zuletzt meldeten die USA pro Tag rund 12.500 Neuinfektionen, 1800 Krankenhauseinlieferungen und 250 Todesfälle. Im Vergleich zum Jahresbeginn ist dies ein Rückgang um bis zu 95 Prozent. Sorgen bereit der CDC die Delta-Mutante. Sie macht 20 Prozent der Neuinfektionen aus, Tendenz steigend.

    Jill Biden und Sänger Brad Paisely besuchen ein Pop-Up Impfzentrum in Nashville, Tennessee Nashville, Tennessee.
    Jill Biden und Sänger Brad Paisely besuchen ein Pop-Up Impfzentrum in Nashville, Tennessee Nashville, Tennessee. © imago images/The Photo Access | ADRIAN E MORALES via www.imago-images.de

    Chile: Pandemie trotz Impfungen nicht unter Kontrolle

    In der letzten Juniwoche gab es endlich mal wieder gute Nachrichten von der Corona-Front in Chile. Die Zahl der Neuansteckungen ging auf das niedrigste Niveau seit einigen Monaten zurück. Am 1. Juli wurden nur 2677 Neuinfektionen registriert. Allmählich beginnt der südamerikanische Impf-Champion, den harten Lockdown wieder zu lockern. Die Menschen atmen durch.

    Der Andenstaat war einer der ersten und effektivsten bei der Impfkampagne. Aber obwohl 67 Prozent der 15 Millionen Chilenen einmal und 56 Prozent zweimal geimpft sind, bekommt das Land die Pandemie kaum in den Griff.

    Die Kliniken sind nach wie vor voll und die Intensivbetten knapp. Noch immer gehört Chile zu den 25 Ländern mit den weltweit höchsten Infektionszahlen. Die Gründe sind vielfältig: Die Delta-Mutante ist seit gut einer Woche nachgewiesen, die brasilianische P1-Variante grassiert seit Monaten. In Chile leben zudem die Menschen der Mittel- und Unterschicht recht beengt. Schließlich haben die Chilenen nach langen Monaten der Restriktionen und wiederkehrenden harten Lockdowns einfach keine Lust mehr auf das Maskentragen und Abstandsregeln.

    Darüber hinaus haben Mediziner das breite Impfen mit dem chinesischen Impfstoff Sinovac als Problem ausgemacht. Denn er schütze nicht gegen Ansteckungen und die Weitergabe des Sars-CoV-2-Erregers, sondern mildere nur den Verlauf ab, heißt es. Und Chile – ähnlich wie viele andere Staaten Lateinamerikas – hat vor allem dieses Vakzin verimpft.