Rom. Die Zahl der Hundertjährigen hat sich sich in Italien trotz Pandemie gegenüber 2009 verdoppelt. Dafür hat das Land ein anderes Problem.

"Wieso ich so alt geworden bin? Ich habe in meinem Leben viel Zeit im Freien verbracht!" Domenica Ercolani ist mit ihren 112 Jahren die älteste Italienerin. Sie lebt mit ihrer 86-jährigen Tochter Alessandra in einem Haus in der mittelitalienischen Stadt Pesaro. "Ich bin fit und nehme keinerlei Medikamente, nicht einmal gegen hohen Blutdruck", berichtet die am 3. Juli 1910 geborene rüstige Witwe. In ihrem Leben hat die Hausfrau zwei Weltkriege erlebt und den Tod eines im Alter von 45 Jahren an Tumor verstorbenen Sohnes verkraften müssen.

An eine Diät hat sich Domenica nie gehalten. "Meine Mutter isst alles, vor allem Süßigkeiten, auf die sie nicht verzichten kann", berichtet Tochter Alessandra. Domenica Ercolani ist eine der rund 20.000 Italienerinnen und Italienern im Alter von über 100 Jahren. Das mit einem starken demografischen Rückgang konfrontierte Italien ist das Land der langlebigen Senioren. Trotz Corona-Pandemie hat sich im Jahr 2022 die Zahl der mindestens Hundertjährigen gegenüber 2009 verdoppelt, 83 Prozent sind Frauen.

Hundertjährige in Italien: Wer viele soziale Kontakte hat, wird im Schnitt älter

Nicht einmal die Pandemie hat die Gruppe der mindestens hundertjährigen Italiener stark belastet: Laut Angaben des Statistikamts Istat wurde in der Altersgruppe während der Pandemie kein Anstieg der Todesrate verzeichnet.

Wissenschaftler führen Untersuchungen durch, um das Geheimnis der Langlebigkeit zu ergründen. Im Fokus stehen dabei vor allem jene, die das hohe Alter in gutem Gesundheitszustand erreicht haben. Eine kalorienarme Diät, ein enges Netz sozialer Beziehungen und viel Bewegung sind Faktoren, die zur Langlebigkeit beitragen. Lediglich zwölf Prozent der italienischen 100-Jährigen leben in Seniorenheimen, die meisten bleiben im Kreise der Familie. Experten zufolge wird die Zahl der Menschen, die zumindest ein Jahrhundert gelebt haben, in Italien weiterhin wachsen.

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Altwerden in Italien: Das Dorf der Hundertjährigen auf Sardinien

Das Dorf Perdasdefogu auf der Insel Sardinien ist sogar ins Guinness-Buch der Rekorde eingetragen worden – als die Gemeinde mit der höchsten Quote an Hundertjährigen auf dem Planeten im Vergleich zur Bevölkerungszahl. Von den insgesamt 1.778 Einwohnern sind acht gebürtige und ansässige Bürger 100 Jahre alt oder älter. Das sind also mehr als vier Hundertjährige pro tausend Einwohner. Der älteste Bürger Perdasdefogus ist 104 Jahre alt. Wegen der Zahl der Hundertjährigen gehört die sardische Gemeinde zu den fünf Blauen Zonen der Welt mit der ältesten Bevölkerung, zusammen mit den Inseln Okinawa in Japan und Ikaria in Griechenland, der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und der Gemeinde Loma Linda in Kalifornien.

Trotz seiner langlebigen Bevölkerung ist Italien von demografischen Problemen belastet. Der starke Geburtenrückgang in den vergangenen Jahren macht dem Land zu schaffen. Werde die Entwicklung nicht durch strukturelle Maßnahmen ausgeglichen, wird das Land im Jahr 2050 fünf Millionen Einwohner weniger als heute zählen, warnt das Statistikamt Istat in seinem jüngsten Bericht über die demografische Lage im Land. Nur etwas mehr als jeder Zweite wäre dann im erwerbsfähigen Alter. Derzeit zählt Italien 59 Millionen Einwohner.

Italienische Frauen bekommen zu wenige Kinder

Die Zahl der 90-jährigen Italiener, die heute 800.000 beträgt, wird sich bis 2050 auf 1,7 Millionen mehr als verdoppeln. In diesem Zeitraum könnten die jährlichen Geburten im Jahr 2050 auf 298.000 sinken, geht aus Angaben des Statistikamts hervor. Ein bisheriges Rekordtief von 399.000 Geburten wurde 2021 in Italien gemeldet, 2022 blieb die Zahl unverändert. Seit dem Ersten Weltkrieg waren nicht mehr so wenige "Bambini" zur Welt gekommen. Im Pandemiejahr 2020 waren es noch 404.892 gewesen.

Die Regierung müsste sich als Ziel setzen, mit einer effizienten Familienpolitik die Geburtenzahl in zehn Jahren auf mindestens 500.000 pro Jahr zu erhöhen. Ein Niveau, das in Italien zuletzt 2014 verzeichnet wurde, betont Istat-Präsident Gian Carlo Blangiardo. "Ich habe den Eindruck, dass die Politik und auch die Gesellschaft endlich sensibilisiert sind und aktiv handeln wollen, um dem Geburtenrückgang entgegenzuwirken", so Blangiardo.

Dabei bezieht sich der Chef des Statistikamtes auf die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni, Mutter einer sechsjährigen Tochter. Das Familienministerium benannte Meloni in "Ministerium für Familie und Geburten" um. Damit bekräftigte sie ihre Absicht, mit mehr Förderungen für Familie die Geburtenrate anzukurbeln. Lesen Sie auch: 100 Tage Meloni – So überrascht sie ihre Kritiker