New York City. Eine Jury hat den R&B-Sänger R. Kelly in allen neun Anklagepunkten schuldig gesprochen. Dem 54-Jährigen droht eine lange Haftstrafe.

Fliegen wird er so bald wohl nicht mehr: Eine Jury hat R. Kelly, der Sänger des weltbekannten R&B-Songs "I Believe I Can Fly", im gegen ihn geführten Missbrauchsprozess schuldig gesprochen. Das Urteil beziehe sich auf alle neun Anklagepunkte, teilte die aus sieben Männern und fünf Frauen bestehende Jury am Montag in einem Gericht in New York mit. Zuvor hatten sie zwei Tage lang über das Urteil diskutiert.

R. Kelly war unter anderem wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung angeklagt und nahm das Urteil laut Beobachtern bewegungslos und mit heruntergebeugtem Kopf auf. Im droht eine jahrzehntelange Haftstrafe. Wie hoch sie letzten Endes ausfällt, soll am 4. Mai 2022 bekannt gegeben werden.

Staatsanwältin: Urteil gegen R. Kelly sendet "starke Botschaft"

"Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzliche und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigung auszubeuten", sagte die zuständige Staatsanwältin Jacquelyn Kasulis nach der Verkündung.

Das Urteil der Jury sende eine "starke Botschaft" an Männer wie R. Kelly: "Egal wie lange es dauert, die Justiz wird euch kriegen", so die Staatsanwältin. Vor dem Gericht im Stadtteil Brooklyn hatten sich auch einige Unterstützer von Kelly versammelt.

R. Kelly habe "überrascht" und "enttäuscht" auf das Urteil reagiert, sagte Kellys Anwalt Deveraux Cannick - und kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen. Die Zeugenaussagen seien voller Widersprüche gewesen. Deshalb wolle man das Urteil nicht hinnehmen.

R. Kelly: Ein wichtiges Verfahren in der #MeToo-Ära

Das Verfahren ist - nach Fällen wie denen von Filmproduzent Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby - eine weitere viel beachtete juristische Aufarbeitung der #MeToo-Ära. Wegen der Coronavirus-Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozess zuvor mehrfach verschoben worden. #MeToo-Begründerin Tarana Burke twitterte gleich nach der Verkündung des Urteils ein kurzes Video von einer tanzenden Frau mit dem Untertitel "Kannst du einen völlig neuen Tag fühlen?".

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Gloria Allred ist Frauenrechtsanwältin und vertrat mehrere Klägerinnen im Verfahren gegen Kelly. Am Montag erklärte sie, dass die Gerechtigkeit durch das Jury-Urteil gesiegt habe. Kelly sei der "schlimmste" Sexualstraftäter gewesen, den sie in ihrer langen Laufbahn verfolgt habe. Er habe seine Berühmtheit dazu benutzt, Minderjährige zu missbrauchen, einzuschüchtern und zu demütigen.

Hunderte Beweisstücke und dutzende Zeugen führen zum Urteil

Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung an dem Gericht vor Richterin Ann Donnelly die Missbrauchsvorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnten detailliert ausgebreitet, auseinandergenommen und ihre Argumente dargelegt. Dutzende Zeugen hatten sich zu Wort gemeldet und Hunderte Beweisstücke waren gesichtet worden.

Kelly sei ein Sexualstraftäter, hatte Anwältin Elizabeth Geddes für die Staatsanwaltschaft argumentiert und seine Verurteilung gefordert. Der Musiker sei selbst Opfer - von ausgedachten Geschichten und ausgeschmückten Erzählungen über Misshandlungen, hatte Kellys Anwalt Deveraux Cannick für die Verteidigung erklärt. Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, das Verfahren aber im Gerichtssaal verfolgt.

Anschuldigungen gegen R. Kelly seit 25 Jahren

Schon vor 25 Jahren wurden die ersten Anschuldigungen gegen R. Kelly bekannt. Im Jahr 2008 stand er bereits vor Gericht - wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Damals wurde er freigesprochen.

2019 erschien dann die Dokumentation "Surviving R. Kelly". Sie fasste die schweren Anschuldigungen gegen den Sänger zusammen. Als Reaktion auf den Film distanzierten sich Kolleginnen und Kollegen aus dem Musik-Business von Kelly, ebenso wie Radiosender, Streaming-Dienste und sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört.

Nach dem Urteil in New York drohen Kelly nun zudem noch weitere juristische Auseinandersetzungen: Auch in weiteren Bundesstaaten der USA liegen Anklagen gegen den Sänger vor. (te/dpa)