Berlin. „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln“, sagt Scholz zur Ukraine. Der Kanzler umreißt aber einen Weg zum Frieden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Donnerstag in einer Regierungserklärung dargelegt, wie ein Frieden in der Ukraine erreicht werden könnte. Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs machte der Kanzler allerdings keine Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Kämpfe in dem osteuropäischen Land. Scholz nannte in seiner Ansprache vor den Abgeordneten des Bundestags fünf zentrale Punkte:

1. Friedensverhandlungen mit Russland sind im Moment nicht möglich

Scholz ging auf die Forderungen nach sofortigen Friedensverhandlungen ein, wie sie zuletzt auch auf Demonstrationen in Deutschland erhoben worden sind. Es gehe um die Frage, wie die Ukraine einem „gerechten Friedensschluss“ näherkomme, sagte der Kanzler. Über die Köpfe der Ukrainer hinweg könne und werde es dazu keine Vereinbarung geben. Scholz stellte klar, dass es deswegen aus seiner Sicht derzeit keine Verhandlungen über einen für die Ukraine akzeptablen Friedensschluss geben könne. Der Grund dafür ist Wladimir Putin.

Russlands Staatschef wolle sich Teile der Ukraine einverleiben und das Land als Nation zerstören. Der Herrscher im Kreml habe zudem mit der internationalen Friedensordnung gebrochen. „Bleibt die Frage, ist Putin überhaupt bereit, über die Rückkehr zu diesen Grundsätzen und einen gerechten Frieden zu verhandeln?“, sagte Scholz. „Im Moment spricht nichts dafür.“ Putin setze auf Drohgebärden und bedrohe die Existenz der Ukraine. „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln – außer über die eigene Unterwerfung.“

2. Waffenlieferungen an die Ukraine gehen weiter

„Russland setzt nach wie vor auf einen militärischen Sieg. Aber diesen Sieg wird es nicht geben“, sagte Scholz und versprach weitere Unterstützung für die Ukraine an, auch mit Waffenlieferungen. Es werde kein Frieden geschaffen, wenn die militärische Hilfe für das Land gestoppt werde. „Denn wir wissen, welches Schicksal den Ukrainerinnen und Ukrainern unter russischer Besatzung blüht“, sagte Scholz im Hinblick auf bekanntgewordene Massaker von Putins Truppen an ukrainischen Zivilisten. Russische Soldaten hätten schreckliche Kriegsverbrechen begangen. „Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine“, sagte Scholz.

3. China muss Druck auf Putin machen

Der Kanzler weiß, dass es nicht nur Waffen für die Ukraine braucht, um Putin zur Einkehr zu bewegen – sondern auch massiven internationalen Druck. Die in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit angenommene UN-Resolution habe eine Botschaft an Putin gehabt: „Ziehen Sie Ihre Truppen zurück, dann ist dieser Krieg augenblicklich vorbei.“ Es sei wichtig, dass Russland diese Botschaft von Ländern weltweit höre, hob Scholz hervor. Besonders bedeutend ist aber, wie Putins Verbündeter China sich positioniert.

Der Kanzler lobte, dass sich der chinesische Staatschef Xi Jinping „unmissverständlich“ gegen den Einsatz von Atomwaffen und nukleare Drohungen gestellt habe. „Das hat zur Deeskalation beigetragen.“ China hatte zuletzt Vorschläge für einen Frieden in der Ukraine gemacht und darin die Warnung vor einer atomaren Eskalation wiederholt. International wurde das Papier dennoch als einseitig zugunsten Russlands interpretiert. Scholz kritisierte, dass die Regierung in Peking ihre Ideen nicht mit der ukrainischen Regierung besprochen habe.

Russlands Staatschef Wladimir Putin: China zählt zu seinen Verbündeten.
Russlands Staatschef Wladimir Putin: China zählt zu seinen Verbündeten. © AFP | Mikhail Metzel

Scholz nannte es zudem „enttäuschend“, dass China bei einem Treffen der G20-Finanzminister in Indien in der vergangenen Woche nicht mehr bereit war, den russischen Angriff in einer gemeinsamen Erklärung eindeutig zu verurteilen. „Meine Botschaft an Peking ist klar: Nutzen Sie Ihren Einfluss auf Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen“, forderte Scholz. „Und liefern Sie keine Waffen an den Aggressor Russland.“

4. Sicherheitsgarantien für die Ukraine

Die Bundesregierung wolle der Ukraine helfen, dass es zu einem gerechten Frieden komme. „Deswegen sprechen wir mit Kiew und anderen Partnern auch über künftige Sicherheitszusagen für die Ukraine“, kündigte Scholz an. Solche Zusagen setzten aber zwingend voraus, dass sich die Ukraine in diesem Krieg erfolgreich verteidige.

Die Botschaft des Kanzlers ist aber klar: Deutschland und andere Staaten wie Großbritannien und Frankreich wollen nach einem Ende des Krieges die Sicherheit der Ukraine, auch ohne dass das Land Mitglied der Nato ist. Wie diese aussehen können, ließ Scholz offen. Innerhalb des Nato-Bündnisses gibt es eine Beistandsgarantie: Wird ein Mitglied angegriffen, sind die anderen Länder der Allianz zum Beistand verpflichtet. Soweit dürften Deutschland und die anderen Staaten nicht gehen.

5. Scholz Seite an Seite mit US-Präsident Joe Biden

Eine Stärkung der Ukraine für einen gerechten Frieden, weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, Druck auf China und Sicherheitsgarantien: Für all das brauchen Deutschland und Europa fest die USA an ihrer Seite. Auch weil es eine enge transatlantische Abstimmung benötigt, um die Unterstützung der Ukraine stetig gegen die Gefahren einer Eskalation abzuwägen – und Einigkeit gegenüber Russland zu demonstrieren. „Wir unterstützen die Ukraine, auch um die europäische Friedensordnung zu verteidigen“, sagte Scholz. „Und zugleich achten wir bei jeder unserer Entscheidungen darauf, dass die Nato nicht zur Kriegspartei wird.“

Darin sei er sich mit US-Präsident Joe Biden einig. „Um unsere enge Abstimmung fortzuführen, reise ich heute zu Gesprächen mit Joe Biden nach Washington“, sagte Scholz am Donnerstag. „Ein Jahr Zeitenwende heißt auch, ein Jahr transatlantische Partnerschaft, enger und vertrauensvoller denn je.“ Biden empfängt Scholz am Freitag im Weißen Haus. In der Krise ist Biden international der wichtigste Partner des Kanzlers. Die Reise in die US-Hauptstadt findet auf die Initiative von Scholz statt.

Scholz am Donnerstag im Bundestag.
Scholz am Donnerstag im Bundestag. © AFP | ODD ANDERSEN

Fazit: Scholz will Ende des Krieges – aber nicht um jeden Preis

Der Weg zum Frieden in der Ukraine ist noch weit. Scholz hat aber die Bausteine genannt, die es aus seiner Sicht dafür braucht: weitere Hilfe für die Ukraine inklusive Waffenlieferungen, um den Druck auf den derzeit nicht an Verhandlungen interessierten Putin zu erhöhen. China zur Verantwortung rufen und von einer militärischen Unterstützung Russlands abhalten. Enge Abstimmung mit den USA in allen Fragen – getreu dem Kanzler-Motto: keine Alleingänge. Zudem die Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine für die Zeit nach Ende der Kämpfe.

Damit sendet Scholz auch eine Botschaft an die Menschen in Deutschland, die sich ein baldiges Ende des Krieges wünschen. Der Kanzler kann den Wunsch verstehen und bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten darum, dass die Voraussetzungen für einen Frieden geschaffen werden. Scholz will ein Ende des Krieges allerdings auf keinen Fall auf Kosten der Ukraine und ihrer Bevölkerung erreichen.

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