Berlin. Mehr Wirtschaftswachstum, weniger Bürokratie: Dafür soll das Wachstumschancengesetz sorgen. Wir zeigen, wie Privatleute profitieren.

Mit einem Sieben-Milliarden-Paket will die Ampel-Koalition das Wirtschaftswachstum in Deutschland ankurbeln und Bürokratie abbauen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch bei der Klausurtagung in Meseberg den Entwurf für ein Wachstumschancengesetz. Es zielt zwar vor allem auf Unternehmen – aber auch Arbeitnehmer, künftige Rentner oder Vermieter erwarten Entlastungen, wenn auch nicht alle in gleichem Umfang. Das von Finanzminister Christian Lindner (FDP) erarbeitete Gesetz soll nicht nur Investitionen und Innovationen fördern und die Unternehmen in den nächsten Jahren um 32 Milliarden Euro entlasten, sondern auch zu „Steuervereinfachung und Steuerfairness“ beitragen.

So profitieren Rentner vom Wachstumsgesetz

Die Besteuerung der Rentenbezüge steigt für jeden neuen Rentenjahrgang an, bislang sollte ab 2040 die Rente komplett versteuert werden. Doch mit dem neuen Gesetz wird dieser Anstieg für alle künftigen Rentnerinnen und Rentner gebremst: Sie müssen erst bei Rentenbeginn ab 2058 auf die gesamten Altersbezüge Steuern bezahlen. Deshalb soll ab dem Jahr 2023 der Besteuerungsanteil für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang nicht mehr um einen Prozentpunkt, sondern nur noch um einen halben Prozentpunkt jährlich ansteigen.

Für den Rentner-Jahrgang 2023 beträgt er dann anstatt 83 Prozent nur noch 82,5 Prozent. Klingt wenig, zahlt sich über viele Jahre aber aus: Am stärksten profitieren nach Expertenrechnungen die Jahrgänge 1975 bis 1980 von der Verschiebung – ein Durchschnittsverdiener des Jahrgangs 1975 wird insgesamt rund 12.500 Euro weniger Steuern bezahlen, ein Spitzenverdiener sogar 23.500 Euro. Für Durchschnittsverdiener des Jahrgangs 1980 beträgt die Entlastung demnach immerhin noch rund 10.000 Euro, für den Jahrgang 1960 allerdings nur 1.500 Euro.

Finanzminister Christian Lindner (FDP), hier bei einem Schüler-Workshop zu Finanzfragen, hat das Wachstumschancengesetz vorgelegt.
Finanzminister Christian Lindner (FDP), hier bei einem Schüler-Workshop zu Finanzfragen, hat das Wachstumschancengesetz vorgelegt. © dpa | Michael Kappeler

Der Bund der Steuerzahler lobt den Plan: „Für Rentnerinnen und Rentner ist es ganz wichtig, dass die Rente jetzt erst im Jahr 2058 komplett versteuert werden muss statt wie bisher bereits 2040.“ Die Koalition setzt damit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um, das den Gesetzgeber verpflichtet hatte, eine „doppelte Besteuerung“ von Altersvorsorgeaufwendungen und Rentenleistungen zu verhindern.

Allerdings soll noch ein weiteres Gesetz folgen: Zur vollständigen Vermeidung einer „doppelten Besteuerung“ sowohl für zukünftige Rentenjahrgänge, aber auch zur Beseitigung von im Einzelfall bereits eingetretener „doppelter Besteuerung“ in Bestandsrente sind nach Angaben des Finanzministeriums weitere Regelungen erforderlich, die „zeitnah in einem dritten Schritt“ gesetzlich geregelt werden sollen.

Wachstumschancengesetz bringt neue Verpflegungspauschale für Arbeitnehmer

Die als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen werden etwas angehoben: Für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, können statt bisher 28 Euro nun 30 Euro angerechnet werden. Die Pauschale für den An- oder Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet, steigt von 14 auf 15 Euro.

Investitionsprämie für Klimaschutz

Investitionsprämie: Firmen, die ihre Energie- und Ressourceneffizienz mit einem Energiesparkonzept verbessern, können bis 2027 unabhängig von ihrem Gewinn 15 Prozent der Investition erhalten, maximal aber 30 Millionen Euro. Ziel laut Finanzministerium: „Ein konkreter Anreiz zum schnelleren Umstieg in die Klimaneutralität für Betriebe“, hieß es im Finanzministerium. Die Investitionsprämie für mehr Klimaschutz ist ein Kernstück des Gesetzes.

Mit einer Investitionsprämie will die Ampel-Koalition Klimaschutz-Investitionen der deutschen Wirtschaft ankurbeln, auch zum Beispiel in Projekte zu grünem Wasserstoff, der in der Industrie klimaschädliche Brennstoffe ersetzen soll. Das Foto zeigt eine Tankstelle des französischen multinationalen Energie- und Erdölunternehmens TotalEnergies in Berlin-Friedrichshain mit der Möglichkeit Wasserstoff zu tanken.
Mit einer Investitionsprämie will die Ampel-Koalition Klimaschutz-Investitionen der deutschen Wirtschaft ankurbeln, auch zum Beispiel in Projekte zu grünem Wasserstoff, der in der Industrie klimaschädliche Brennstoffe ersetzen soll. Das Foto zeigt eine Tankstelle des französischen multinationalen Energie- und Erdölunternehmens TotalEnergies in Berlin-Friedrichshain mit der Möglichkeit Wasserstoff zu tanken. © epd | Christian Ditsch

Private Verkäufe durch Wachstumschancengesetz steuerfrei

Private Veräußerungsgeschäfte: Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sollen steuerfrei bleiben, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 600 Euro beträgt. Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und hat jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt, steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu. Die Freigrenze soll auf 1.000 Euro erhöht werden.

Lindner-Gesetz bringt Geldspritze für den Wohnungsbau

Eine 500 Millionen Euro schwere Konjunkturspritze soll den Wohnungsbau wieder ankurbeln. Das Geld fließt in erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten – die schnellere Refinanzierung soll Bauherren zusätzliche Investitionsanreize geben und so die Bauwirtschaft stabilisieren.

Forschungsförderung wird durch neues Gesetz ausgeweitet

Steuerliche Forschungsförderung: Bisher waren bei Forschung und Entwicklung nur Personalkosten förderfähig. Nun sollen auch anteilige Investitionskosten aus diesen Programmen gefördert werden. Insgesamt sollen künftig bis zu 70 Prozent des Auftragswerts förderfähig sein.

Wachstumschancengesetz: Firmen können Verluste besser verrechnen

Verlustverrechnung: Mit dem Verlustrücktrag können Unternehmen einen Verlust mit den Gewinnen des Vorjahres verrechnen. So verringert sich die Steuerlast für das Vorjahr. Dieser Rücktrag soll nun auf drei Jahre ausgeweitet werden. Die zuletzt nur zeitweise erhöhte Betragsgrenze von zehn Millionen Euro soll dauerhaft gelten. Von 2024 bis 2027 sollen Beschränkungen auch beim Verlustvortrag aufgehoben werden. Das soll die Bereitschaft erhöhen, unternehmerische Risiken einzugehen.

Wirtschaftsprofessor Lars Feld, Berater von Finanzminister Lindner sagt: „Durch den verbesserten Verlustrücktrag werden krisenbedingt betroffene Unternehmen unmittelbar durch Steuererstattungen gestützt, die ihnen in späteren Jahren ohnehin zustünden. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass der Verlustrücktrag positive Effekte auf die Liquidität von Unternehmen hat und sie so vor Insolvenz schützt.“ Profitieren würden besonders kleine und mittlere Unternehmen, die drei schwierige Krisenjahre hinter sich gebracht hätten, sagt Feld.

Bürokratische Hürden werden abgebaut

Neben den größeren steuerlichen Erleichterungen werden bürokratische Hürden abgebaut. Meldeverfahren und Buchführungspflichten sollen vereinfacht und Daten statt auf Papier elektronisch übermittelt werden. Zur Bürokratieentlastung wird auch eine Freigrenze für Vermieter eingeführt: Für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung soll eine Steuerfreigrenze von 1000 Euro im Jahr gelten.

Der Schwellenwert, ab dem Kleinunternehmer alle drei Monate eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben müssen, steigt von 1000 auf 2000 Euro. Geringwertige Wirtschaftsgüter: Derzeit können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter sofort vollständig abgezogen werden, wenn sie nicht mehr als 800 Euro betragen. Dieser Wert soll in Zukunft bei 1.000 Euro liegen. „Das hilft Unternehmen genauso wie Arbeitnehmern“, erklärt der Bund der Steuerzahler.

Wachstumschancengesetz: Das kostet die Reform – und das fehlt noch

Finanzminister Lindner rechnet damit, dass die Steuerentlastung 2024 insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro beträgt. Ab 2026 sollen Unternehmer und Bürger aber jährlich um über sieben Milliarden Euro entlastet werden. Damit, so Lindner, würden der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt und Investitionsanreize gesetzt. Der Bund der Steuerzahler lobt „eine Menge positiver Signale und Erleichterungen“, sieht aber weiteren Handlungsbedarf: So müsse auch die steuerliche Entfernungspauschale für Berufspendler erhöht werden.