Moskau. Nach dem Angriff auf Juden am Flughafen in Dagestan sucht unser Russland-Korrespondent nach Antworten. Was befeuert den Hass auf Juden?

Es war fast ein Pogrom am Flughafen von Dagestan – und das in einer russischen Republik, in der eigentlich rund 40 verschiedene Ethnien zusammenleben. Was befeuert diesen Hass auf Juden? Er ist nicht im Interesse von Kremlchef Wladimir Putin, möglicherweise aber der innenpolitische Kollateralschaden seiner derzeitigen Nahostpolitik. Nicht gegen Israel gerichtet, aber eben auch nicht gegen die Hamas. Diese wird geradezu hofiert in Moskau. Bei so manchen der Muslime in Russland kommt das an.

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Kremlchef Putin sagt zwar: „Dieser Konflikt muss so schnell wie möglich beendet werden.“ Doch Putin stellt sich mehr auf die Seite der Hamas als auf die Seite Israels. Tage hat es gedauert, bis Putin den Terror gegen Zivilisten in Israel verurteilte, ohne die Hamas direkt anzuprangern.

Jo Angerer, Korrespondent in Moskau.
Jo Angerer, Korrespondent in Moskau. © WDR | WDR

Die Krise in Nahost kommt Russland gelegen. Sie lenkt nicht nur ab vom Krieg in der Ukraine. Sie bringt vor allem das international geächtete Land zurück aufs diplomatische Parkett. Putin will sich als Vorreiter bei der Entstehung einer multipolaren Weltordnung ohne eine Vorherrschaft der USA profilieren. Vollmundig bescheinigt er den USA Versagen in Nahost.

Ob der Präsident Wolodymyr Selenskyj mit der These recht hat, die Unruhen seien kein Einzelfall gewesen, sondern Teil einer „weit verbreiteten Kultur des Hasses gegenüber anderen Völkern in Russland“, wird sich an der russischen Reaktion zeigen. Gegen antisemitischen Hass muss das Land Härte zeigen. Fraglich, ob Wladimir Putin daran wirklich Interesse hat.