Berlin. Um die Ukraine weiter zu unterstützen, will die SPD die Schuldenbremse auch 2024 aussetzen. Aus der FDP kommt heftiger Widerspruch.

Wenn Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner in diesen Tagen immer wieder zusammenkommen, um einen Weg aus der Haushaltskrise zu finden, dann müssen sie ihre Schritte präzise setzen. Denn in alle Richtungen gibt es Stolperfallen, Hürden und rote Linien, die die eine oder andere Ampel-Partei gezogen hat.

Lesen Sie auch:Diese fünf Erkenntnisse hat die Scholz-Rede gebracht

Zum Beispiel die, dass die Schuldenbremse im kommenden Jahr nicht noch einmal ausgesetzt werden soll. Mit der FDP wird es das nicht geben, diese Linie zieht der stellvertretende Parteichef Wolfgang Kubicki am Sonntag noch einmal mit Druck nach. „Wer ernsthaft erklärt, im Bundesetat sei keinerlei Möglichkeit zu sparen, weshalb es nötig sei, stattdessen eine Notlage zu konstruieren, geht willentlich unredlich mit dem hart erarbeiteten Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um“, sagte Kubicki dieser Redaktion.

Die Koalitionspartner können gerne auch mal einen Vorschlag machen, der verfassungskonform ist
Wolfgang Kubicki

Deutschland zahle zum Beispiel rund 20 Milliarden Euro mehr für Entwicklungshilfe als der Schnitt der übrigen G7-Staaten. „Sämtliches Sparpotential unangetastet zu lassen, während man sich auf eine verfassungsrechtlich fragwürdige Grundlage beruft, halte ich weder für seriös noch für klug.“

Eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse wäre ein Weg, das Haushaltsloch zu stopfen, das sich nach dem Urteil der Verfassungsrichter aufgetan hat. Der Schritt würde eine inhaltliche Begründung voraussetzen – eine Notlage, die diesen Schritt nötig macht. Die Einschätzung der Sozialdemokraten, dass der Krieg in der Ukraine diese Bedingung erfülle, weist Kubicki aber zurück. Der Ukraine-Krieg sei weder eine Naturkatastrophe noch eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die finanziellen Möglichkeiten überschreitet. „Die Koalitionspartner können gerne auch mal einen Vorschlag machen, der verfassungskonform ist“, sagte der Liberale in Richtung der SPD.

Schuldenbremse: SPD sieht Voraussetzung für Notsituation gegeben

Die hatte ihre Position am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag in Berlin festgeschrieben – und damit den Druck auf die FDP erhöht. Die Sozialdemokraten beschlossen einen Antrag des Parteivorstands, in dem sie sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr aussprechen. Begründet wird dies mit den anhaltenden Folgen des russischen Überfalls auf die .

„Das Handeln eines aggressiven Autokraten im Krieg entzieht sich nicht nur der Kontrolle des deutschen Staates, sondern beeinträchtigt erheblich die Finanzlage des Bundes und weiterer öffentlicher Haushalte“, heißt es in dem Beschluss. „Politisch ist damit aus unserer Perspektive die Voraussetzungen für eine Notsituation gegeben, die eine erweiterte Kreditaufnahme zur Bewältigung der mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbundenen Folgen ermöglicht.“

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte in seiner Parteitagsrede die Notwendigkeit, die Ukraine im Krieg 2024 und auch 2025 weiterhin zu unterstützen, auch wenn dies für Deutschland eine „große finanzielle Herausforderung“ sei.

Rätselraten auf dem SPD-Parteitag: Was heißt Lindners‘ Post auf X?

Die klare Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin müsse aber lauten, „er darf nicht darauf rechnen, dass wir nachlassen“, sagte Scholz. Deshalb müssten Entscheidungen getroffen werden, „die uns in der Lage halten, das tun zu können“. Der Kanzler hob zudem hervor, dass fast eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien.

Scholz ging zwar nicht so weit, auf der Parteitagsbühne eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse für 2024 zu fordern. Die Äußerungen des Kanzlers müssen im Kontext der andauernden Verhandlungen des Kanzlers mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner über die Haushaltskrise jedoch als Fingerzeig verstanden werden.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Lindner reagierte auf dem Portal X, ehemals Twitter, auf die Aussagen des Kanzlers. Er könne Scholz nur recht geben, dass die Unterstützung der Ukraine eine Investition auch in Deutschlands Sicherheit sei, erklärte der FDP-Chef. „Wir stehen zu dieser gemeinsamen Verantwortung in schwierigen Zeiten.“ Auf dem SPD-Parteitag wurde daraufhin gerätselt, was Lindner damit sagen will: Ist er damit einverstanden, eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse im Jahr 2024 mit der Unterstützung der Ukraine zu begründen? In der SPD zumindest ist die Erwartung an den Koalitionspartner klar.

Schuldenbremse ja oder nein? Entscheidet nicht der SPD-Parteitag, sagt die FDP

„Wir stehen so lange an der Seite der Ukrainer, wie es notwendig ist“, sagte der neue SPD-Vizechef Achim Post dieser Redaktion. „Dieses Versprechen der Ampel-Regierung gilt und muss deshalb auch weiterhin mit den notwendigen finanziellen Mitteln hinterlegt werden.“ Der Ukraine-Krieg und seine Folgen seien eine „fortdauernde außerordentliche Herausforderung“ für Deutschland. „Ich halte angesichts dessen ein nochmaliges Aussetzen der Schuldenbremse für angemessen und gerechtfertigt“, fügte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD hinzu.

Die Antwort aus der FDP fällt kühl aus. Wie die Koalition mit der Schuldenbremse umgehe, regelten das Grundgesetz und das jüngste Bundesverfassungsgerichtsurteil, „kein Parteitagsbeschluss“, sagt Fraktionsvize Christoph Meyer dieser Redaktion. Mit dem finanziellen Handlungsbedarf für den Haushalt 2024 könne man auch ohne das Ausrufen einer Notlage umgehen. „Dafür braucht es von allen Seiten den Mut und Willen zur Konsolidierung und Prioritätensetzung.“

Einer der Koalitionspartner, heißt das, wird über eine der eigenen roten Linien steigen müssen.