Berlin. Jennifer Morgan ist mit scharfer Kritik an schlechter Klimapolitik bekannt geworden. Jetzt wird sie Klimadiplomatin – geht das gut?

Wenn Diplomatinnen und Diplomaten gut sein wollen in ihrem Job, dann pflegen sie meistens einen eher zurückhaltenden Stil. Leise Töne und abwägende Formulierungen sind das Handwerkszeug der Branche, Krach machen eher andere. Leute wie Jennifer Morgan zum Beispiel.

Die war bis vor wenigen Tagen Chefin der einflussreichen Umweltorganisation Greenpeace, und hat diesen Posten jetzt aufgegeben hat, um für das deutsche Außenministerium Klimapolitik zu machen. Eine Aktivistin, eine Frau der scharfen Worte, wenn es um mangelnden Klimaschutz geht, eine Amerikanerin im Auswärtigen Amt – kann das gut gehen?

Die 55-Jährige aus New Jersey, die seit Jahren in Berlin lebt, soll zunächst Sonderbeauftragte werden für internationalen Klimaschutz, dann Staatssekretärin, sobald ihr Antrag auf Einbürgerung bewilligt wurde. Rund 15.000 Euro monatlich soll sie dafür erhalten, zunächst auf der Besoldungsstufe B6 plus Zulagen, nach ihrer Einbürgerung dann regulär über die Besoldungsstufe B11 für Staatssekretäre. Verbeamtet wird sie nicht.

Von der Aktivistin zur Regierungsvertreterin: Jennifer Morgan macht bald für die Bundesrepublik Klimapolitik.
Von der Aktivistin zur Regierungsvertreterin: Jennifer Morgan macht bald für die Bundesrepublik Klimapolitik. © dpa | Christian Åslund

Baerbock freut sich über ihren Coup

Es ist, nach einer langen Karriere bei verschiedenen Organisationen in der Umweltbewegung, stets im Kampf gegen den Klimawandel, Morgans erster Job als offizielle Regierungsvertreterin.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die Morgan in ihre Haus geholt hat, war die Freude über Coup bei der Vorstellung der neuen Beraterin am Mittwoch deutlich anzumerken. Deutschlands Klimapolitik bekomme mit Jennifer Morgan ein Gesicht, „das weltweit bekannt ist, eine weltweite Reputation und Strahlkraft hat“, sagte Baerbock.

Morgans Wechsel ist das bisher deutlichste Zeichen, dass die Grünen-Politikerin es ernst meint mit ihrer Ankündigung, Klimapolitik als zentralen Teil von Außenpolitik zu verstehen. Dazu gehört nicht nur die prominente Personalie, es wird auch ordentlich umgebaut am Werderschen Markt, wo Baerbocks Haus seinen Sitz hat. Statt bislang zwei soll es künftig ganze sechs Referate für den Komplex Klima und Energie geben.

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Die Union wittert Lobbyismus in der Ernennung Morgans

Wahrend Baerbock über den Wechsel begeistert ist, zeigten sich Teile der Opposition entsetzt: Unionsfraktionsvize Thorsten Frei schrieb auf Facebook, die Ernennung sei „purer Lobbyismus“ und warf den Grünen „ungezügelte Doppelmoral“ vor. Als Aktivistin habe Morgan in „vielerlei Hinsicht geschmackliche Grenzen überschritten“ schrieb Frei, allerdings ohne ein Beispiel zu nennen.

Diplomatisches Protokoll statt Protest, Sprachregelungen statt spektakulärer Bilder: Morgans bisheriger Arbeitgeber Greenpeace wurde durch aufsehenerregende Aktionen bekannt und hat immer wieder Grenzen ausgetestet, um gegen die Ausbeutung natürlicher Systeme und die immer weiter steigenden Emissionen zu protestieren.

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    Kritik an Klimakonferenz in Glasgow

    Grundsätzlich sind laut Greenpeace Aktionen der Organisation friedlich und gewaltfrei. Kritik gibt es trotzdem immer wieder, zuletzt bei einer missglückten Aktion bei einem deutsch-französischen Fußball-Länderspiel im vergangenen Jahr, als ein Motorschirmflieger zwei Menschen verletzte.

    Morgan selbst war vor allem durch scharfe Kritik an aus ihrer Sicht zu schwacher Klimapolitik aufgefallen. Nach der Klimakonferenz von Glasgow im vergangenen Jahr sagte sie, das Ergebnis sei „kleinlaut und schwach“, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens gerade noch am Leben. Dem „Freitag“ sagte sie 2020, Greenpeace kämpfe „ganz klar“ für einen Systemwechsel: „Wir wollen das System nicht erhalten, sondern verändern.“

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    Bei Greenpeace sehen sie den Wechsel Morgans positiv

    Jetzt müssen die Töne diplomatischer werden. „Sie wird in Zukunft nicht mehr so klar kommunizieren können, wie wir das bei Greenpeace tun“, sagt Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. Auch der neue Platz in der Hierarchie des Auswärtigen Amts, glaubt er, wird eine Umstellung für die Klimaschützerin. „Sie ist jetzt nicht mehr Chefin“, sagt er, „daran wird sie sich gewöhnen müssen. Die Chefin ist Annalena Baerbock.“

    Trotzdem freut man sich bei Greenpeace über den Wechsel. Kaiser kennt die Amerikanerin seit Langem, begegnete ihr zum ersten Mal 2008, als sie noch für den Thinktank E3G arbeitete. „Ich habe sie erlebt auf den Konferenzen“, sagt er. „Sie wird als Gesprächspartnerin akzeptiert und respektiert, von den kleinen Inselstaaten genauso wie von den USA, China oder Russland.“

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    Morgan gilt als gute Verhandlerin

    Auch Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sieht in Morgan einen Gewinn für die deutsche Klimapolitik. Es sei gut, dass mit der Amerikanerin eine Person das Amt übernehme, die schon lange an internationalen Klimaverhandlungen beteiligt ist und den Prozess gut kennt.

    Morgan stehe fest hinter dem Abkommen von Paris und auch hinter der Obergrenze von 1,5 bis 2 Grad Erwärmung, die darin festgelegt ist. Und sie sei glaubwürdig auch in der Gerechtigkeitsfrage, die im Zentrum von globaler Klimapolitik steht.

    Gerade vor der kommenden Weltklimakonferenz in Ägypten, wo es stark um die Belange von Schwellen- und Entwicklungsländern gehen würde, sei das wichtig, sagt die Expertin. „Sie ist eine sehr gute Verhandlerin“, so Vinke. „Jetzt muss sie sich beweisen und auch Kompromisse finden.“