Berlin. Am Freitag hat der Bundestag der geplanten Wahlrechtsreform der Ampel zugestimmt – zuvor gab es scharfe Kritik von Union und Linke.

Es ist das Thema, das in der Politik in den vergangenen Tagen am intensivsten diskutiert wurde: die geplante Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition. SPD, Grüne und FPD wollen den Bundestag mit der kommenden Bundestagswahl dauerhaft auf 630 Sitze verkleinern. Am Freitag hat nun der Bundestag darüber abgestimmt – und die Reform trotz scharfer Kritik aus der Opposition beschlossen. Insgesamt stimmten 399 Abgeordnete für die Reform und 261 Abgeordnete dagegen. 23 Personen enthielten sich.

Ziel der Reform ist es, das weitere Anwachsen des Parlaments zu verhindern. Dafür sollen die Überhang- und Ausgleichsmandate gestrichen werden. Diese entstehen nach dem bisherigem Wahlrecht, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustehen würde. Die Partei erhält zwar diese Sitze, den anderen Parteien stehen dann aber sogenannte Ausgleichsmandate zu.

Abgeschafft werden soll außerdem die Grundmandatsklausel, die bisher besagt hatte, dass Parteien auch dann in den Bundestag einziehen können, wenn sie zwar nicht mehr als fünf Prozent der Stimmen, aber mindestens drei Direktmandate erhalten haben.

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Wahlrechtsreform: Union und Linke wollen verfassungsrechtliche Schritte einleiten

Während die Ampel die Reform für fair und verfassungsgemäß hält, gibt es vor allem von Union und Linken heftige Kritik. Die Linke hatte bei der Bundestagswahl 2021 nur aufgrund der Grundmandatsklausel Sitze im Parlament erhalten. Wird diese nun abgeschafft, läuft die Partei Gefahr, nach der kommenden Wahl gar nicht mehr ins Parlament einziehen zu können. Je nach Wahlergebnis könnte die Abschaffung der Klausel auch Konsequenzen für die CSU haben, die bei der Bundestagswahl 2021 nur auf 5,2 Prozent der Stimmen kam.

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Beide Parteien fühlen sich deswegen benachteiligt und haben bereits angekündigt, verfassungsrechtlich gegen die Reform vorgehen zu wollen. Der frühere Verkehrsminister und CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt sprach während der hitzigen Debatte am Freitag im Bundestag von einem "Akt der Respektlosigkeit" gegenüber den Wählerinnen und Wählern und der Demokratie an sich. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, nannte die Reform einen "Anschlag auf die Demokratie".

Merz sprach sich für Verschiebung der Abstimmung aus – SPD lehnte ab

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) appellierte gegen Ende der Debatte in Richtung der Ampel-Parteien, die Entscheidung um zwei Wochen zu verschieben. "Einer solchen Beschädigung des Vertrauens in unsere Demokratie werden wir zu keinem Zeitpunkt zustimmen", sagte Merz. Dieser Vorschlag wurde allerdings direkt vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich abgelehnt. Im Anschluss an die Abstimmung kündigte Merz an, per Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Reform vorzugehen. Er werde seiner Fraktion einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, sagte der CDU-Politiker.

Verteidigt wurde das Vorhaben hingegen vom Obmann der SPD in der Wahlrechtskommission, Sebastian Hartmann. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel sei eine "klare Systementscheidung" und stärke den Gedanken des Verhältniswahlrechts, so Hartmann.

Wahlrechtsreform: Optimismus in der Wirtschaft

Auch aus der Wirtschaft waren die Signale weitgehend positiv: Der Mittelstandsverband begrüßte die Reformpläne der Regierung, wies allerdings darauf hin, dass dann künftig ein Viertel weniger Unternehmer als bisher im Parlament vertreten seien. "Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass die Stimmen und Erfahrungen von Unternehmerinnen und Unternehmern und deren Wertschöpfung für die Entscheidungsfindung bei politischen Angelegenheiten, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen von unschätzbarem Wert sind", sagte der BVMW-Bundesvorsitzende Markus Jerger dieser Redaktion.

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats Wirtschaft, Monika Schnitzer, verteidigte die Änderung. "Für mich ist das in erster Linie eine politische Reform, die die Größe des Bundestags begrenzen und damit Kosten sparen soll", sagte Schnitzer dieser Redaktion. "Das ist ein wichtiges Anliegen, eine Reform ist lange überfällig."