Berlin. Tausende Delegierte im Badeort Scharm El-Scheich haben eine schwere Aufgabe: Sie müssen die Welt wieder auf Kurs bringen für 1,5 Grad.

Die Diagnose vor einem Jahr war besorgniserregend: Das Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erwärmung lebe noch, aber der Puls sei schwach, so fasste das nach der Weltklimakonferenz in Glasgow der britische Konferenzpräsident Alok Sharma zusammen. In Ägypten will die Weltgemeinschaft jetzt versuchen, dem Patienten Klimaschutz wieder mehr Leben einzuhauchen – und das unter denkbar schwierigen Bedingungen.

Worum es geht, wann der Bundeskanzler in Scharm El-Scheich sein wird und warum Greta Thunberg dieses Mal nicht kommt: Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist COP27?

Die Abkürzung COP27 steht für „Conference of Parties“. Gemeint sind die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Besser bekannt sind die Treffen als Weltklimakonferenzen. Delegationen von rund 200 Staaten kommen bei den Konferenzen zusammen. Das Klimaabkommen von Paris entstand 2015 auf der COP 21.

Wie oft findet die Klimakonferenz statt?

Planmäßig einmal im Jahr, seit 1995. Nur das Treffen 2020 wurde pandemiebedingt um ein Jahr verschoben.

Worum geht es bei der Klimakonferenz in Scharm El-Scheich?

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Laufrichtung vorgegeben in einem Tweet: Die Klimakonferenz in Ägypten müsse die Welt wieder auf Kurs bringen um Emissionen einzusparen, Klimaanpassung zu fördern, das Versprechen bei Klimafinanzen einzuhalten und Schäden und Verluste zu thematisieren.

Hinter der knappen Liste verbergen sich vier große Aufgaben. Denn zwischen Inflation, Energiekrise und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte Klimaschutz in vielen Ländern in diesem Jahr nicht die höchste Priorität. Unter Beobachterinnen und Beobachtern gilt es deshalb schon als eine wichtige Funktion der Konferenz, das wieder zu ändern.

Ägypten, das als Gastgeberland den Vorsitz über die Weltklimakonferenz hat, hat angekündigt, das Treffen zu einer COP der „Umsetzung“ machen zu wollen – es soll jetzt konkret werden, wie Emissionen weltweit eingespart werden können.

Dabei geht es auch um viel Geld: Schon 2009 hatten sich die Industriestaaten dazu verpflichtet, ab 2020 100 Milliarden Dollar jährlich aufzubringen, um arme Länder beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Bislang lag die Summe aber stets darunter, erst 2023 werden die 100 Milliarden wohl erreicht. Laut Berechnungen des UN-Umweltprogramms UNEP blieben die internationalen Hilfszahlungen an den globalen Süden bislang fünf bis zehn Mal unter dem eigentlichen Bedarf der Länder.

Und eines der heikelsten Themen ist mit dem 100 Milliarden-Versprechen noch gar nicht abgedeckt: Länder im globalen Süden wollen Geld nicht nur Klimaschutz und -anpassung, sondern auch für die Schäden und Verluste, die die Folgen des Klimawandels schon jetzt verursachen. Allein die verheerenden Fluten in Pakistan in diesem Jahr haben nach Schätzungen der Weltbank 40 Milliarden Dollar an Schäden verursacht. Unter anderem Pakistan, dass derzeit den Vorsitz der großen Verhandlungsgruppe der G77 hat, will deshalb in Ägypten darauf drängen, dass es in diesem Bereich konkrete Fortschritte gibt.

Wo steht die Welt zum Auftakt von COP27 beim internationalen Klimaschutz?

Berichte aus den Tagen vor Beginn der Konferenz zeichnen ein düsteres Bild. Laut einem Report des UN-Umweltprogramms gibt es derzeit keinen glaubwürdigen Weg, um unter der Schwelle von 1,5 Grad Erwärmung zu bleiben.

Bei der vorherigen Konferenz in Glasgow 2021 hatten sich die Staaten dazu verpflichtet, in diesem Jahr neue nationale Klimaschutzziele vorzulegen. Doch nachgekommen sind dem nur wenige Länder. Die Fortschritte seien „jämmerlich unzureichend“, bilanziert UNEP. Um die Vereinbarung des Pariser Abkommens einhalten zu können, müsse die Welt in den kommenden acht Jahren in einem „beispiellosen“ Ausmaß Emissionen einsparen. Der Titel des Berichts: „Das Fenster, das sich schließt“.

Und wie steht es in Deutschland um den Klimaschutz?

Deutschland hat sich als Teil der EU mit dem Pariser Klimaabkommen darauf verpflichtet, die Erhitzung des Planeten auf unter deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bis 2045 soll die Bundesrepublik treibhausgasneutral sein, bis 2030 sollen die Emissionen in Deutschland im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent gesunken sein.

Der Expertenrat Klimafragen stellte Bundesregierung auf diesem Weg allerdings kurz vor Beginn der Konferenz ein schlechtes Zeugnis aus: „Im Moment sieht es nicht so aus, als könnten wir die Ziele erreichen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. Im Vergleich zu den vergangenen 10 Jahren müssten sich die jährlichen Einsparungen verdoppeln, sagen die Expertinnen und Experten. Im Industriesektor sei etwa eine 10-fache und beim Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.

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Ausgerechnet beim Verkehr allerdings tut sich wenig: Laut Eckpunkten für ein Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung bleibt im Verantwortungsbereich von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach den bisher vorgeschlagenen Maßnahmen eine Lücke von 118 bis 175 Millionen Tonnen Treibhausgase. Maßnahmen, mit denen diese große Lücke geschlossen werden kann, sollen erst im Frühjahr verabredet werden.

Ist Greta Thunberg bei der COP27 in Scharm El-Scheich dabei?

Nein, die schwedische Aktivistin und Gründerin von Fridays for Future wird nicht bei der Konferenz sein. Thunberg kritisierte das Treffen vorab als Gelegenheit für mächtige Menschen „zu lügen und zu betrügen“ und Greenwashing zu betreiben, also Klimaschutz vorzutäuschen.

Vertreterinnen und Vertreter von Fridays for Future Deutschland werden dagegen vor Ort sein. Eine Gruppe von deutschen Aktivistinnen und Aktivisten haben sich bereits Anfang der Woche auf den Weg nach Ägypten gemacht. Laut einem Tweet von Luisa Neubauer wollen sie dabei mit Bus und Bahn bis Istanbul reisen und nur für den letzten Teil der Reise fliegen.

Wer von den deutschen Politikerinnen und Politikern geht zur COP27?

Die Bundesregierung wird dieses Mal mit vielen hochrangigen Mitgliedern in Scharm El-Scheich vertreten sein. Den Auftakt macht am Montagabend Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In den zwei Wochen der Konferenz werden außerdem Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) tageweise auf der Konferenz sein.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die die Zuständigkeit für internationale Klimapolitik zu Beginn der Legislaturperiode in ihr Ressort geholt hat, wird zwei Tage vor Ende des Treffens anreisen, wenn es darum geht, sich auf ein Abschlussdokument zu einigen. Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte für Internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, wird für die gesamte Dauer der Konferenz vor Ort sein. Gemeinsam mit der chilenischen Umweltministerin Maisa Rojas wird Morgan im Auftrag der ägyptischen Konferenzleitung die Gespräche zu Schäden und Verlusten leiten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de