Berlin/Hannover. Die Gaspreisbremse kommt zu spät, beklagen die Länder und fordern Änderungen vom Bund. Anders sieht es bei der Strompreisbremse aus.

Sie hatten die Erwartungen im Voraus betont niedrig gehängt: Ohne den Bundeskanzler, hatten die Länderchefs vor ihrem jüngsten Treffen gewarnt, könne man in vielen offenen Fragen bei den Hilfen gegen hohe Energiepreise keine Entscheidungen treffen. Und Olaf Scholz war nicht dabei beim zweitägigen Treffen der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in Hannover.

An seiner Stelle kamen allerdings Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) – und brachten Neuigkeiten mit. Worum es bei dem Treffen ging und worauf die Länder sich geeinigt haben:

Energiekosten: Wann kommt die Strompreisbremse?

Wohl ab dem 1. Januar. Laut Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen und derzeit Vorsitzender der Länderrunde, hat Wirtschaftsminister Habeck berichtet, dass die geplante Strompreisbremse mit Beginn des neuen Jahres in Kraft treten soll. Die Details sind dabei weiter offen, die Entlastung solle aber etwa den gleichen Umfang haben wie bei der Gaspreisbremse.

Dort hatten die Expertinnen und Experten, die von der Bundesregierung beauftragt waren, vorgeschlagen, ein Kontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs vergünstigt zur Verfügung zu stellen.

Finanziert werden sollen die Entlastungen beim Strompreis über die Abschöpfung von Zufallsgewinnen der Energieerzeuger. Weil das aber kompliziert ist und länger dauern könnte, hat Finanzminister Christian Lindner nach Angaben von Weil eine Zwischenfinanzierung in Aussicht gestellt. Das begrüßten die Länder: „Wir halten das ebenfalls auch für absolut notwendig“, sagte Weil. Die Bürgerinnen und Bürger könnten nicht warten, bis die Abschöpfung geregelt sei.

Wie geht es weiter mit der Gaspreisbremse?

Grundsätzlich finden die Länder das Modell, dass die Expertenkommission des Bundes für die Gaspreisbremse vorgeschlagen hat, sinnvoll. Doch vor dem Zeitplan, nachdem zwischen einer einmaligen Übernahme der Abschlagszahlung für Gas im Dezember und einem vergünstigten Basiskontingent ab März zwei Monate ohne jede Preissenkung lägen, halten sie gar nichts. „Entlastung im Dezember, Belastung im Januar, Februar, Entlastung im März, das kann nicht gut gehen“, sagte Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Weil erklärte, man könne der Bundesregierung nur „dringend abraten“, diesen Ablauf so umzusetzen, denn ein solches Vorgehen „dürfte außerordentlich schwer zu kommunizieren sein“.

Ähnlich sieht das der Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW: „Die Ministerpräsidenten haben erkannt, was die Bundesregierung bisher nicht wahrhaben möchte“, sagte BVMW-Präsident Markus Jerger unserer Redaktion, „eine einmalige Entlastung im Dezember reicht vorne und hinten nicht aus und eine wirksame Gaspreisbremse muss auch für den Mittelstand schon ab Januar gelten.“

Wirtschaftsminister Habeck bestätigte am Rande des Treffens, dass man darüber gesprochen habe, ob nach einer Abschlagszahlung im Dezember weitere Unterstützung im Januar und Februar kommen könne, bevor dann im März die eigentliche Bremse greifen soll.

Aus der Opposition kommt Kritik, dass es zu langsam gehe mit den Entlastungen: „Statt Ankündigungen brauchen wir Entscheidungen“, sagte Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, dieser Redaktion. „Um wie viel Cent sinken wann die Energiepreise? Nichts ist klar bei Gas, Strom, Heizöl, Sprit“, kritisierte er.

Habeck und Lindner seien aktuell „die Problemminister Deutschlands“, erklärte Bartsch. „Starke Sprüche ohne Ende, Konkretes für Bürger und Betriebe gibt es kaum.“

Was ist mit Verbrauchern, die mit Öl oder Pellets heizen?

Auch die sollen bei den Entlastungen bedacht werden, wenn es nach den Ländern geht, und zwar mit einer zur Gaspreisbremse „gleichwertigen“ Unterstützung, wie es im Beschluss heißt.

Man könne sich nicht vorstellen, zu einer Gesamtregelung zu kommen, wenn insbesondere Bürgerinnen und Bürger, die mit Öl heizen, nicht bedacht würden, sagte Weil. Diese würden einen nennenswerten Teil der Privathaushalte darstellen, vor allem im ländlichen Raum.

Gibt es Unterstützung für Stadtwerke?

Neben den Unterstützungsmaßnahmen, die für Privatleute und Wirtschaft geplant sind, fordern die 16 Länder auch einen Schutzschirm für die Stadtwerke und kommunalen Energieversorger. Denn wenn die in Schieflage geraten, fürchtet die Runde der Länderchefs, könnte es zu Dominoeffekten kommen, „die die Versorgungssicherheit insgesamt bedrohen könnten“, wie es im Beschlusspapier heißt.

Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags, appellierte eindringlich, den Stadtwerken unter die Arme zu greifen: Seit Wochen warte man auf eine entsprechende Zusage des Bundes, sagte er unserer Redaktion. „Es ist nicht zu verantworten, die Stadtwerke bei den staatlichen Hilfen links liegen zu lassen.“ Man brauche die Kraft der kommunalen Energieversorger, um durch den Winter zu kommen.

Wie geht es jetzt weiter?

Das nächste Treffen der Länder mit Bundeskanzler Scholz ist am 2. November. Dann soll es „deutlich mehr Klarheit“ geben, sagte Weil. Auch offene Fragen wie die Finanzierung einer Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket und die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten sollen dann wieder auf der Tagesordnung stehen. Auch dort müsse es endlich Entscheidungen geben, sagte Lewe. „Die Hängepartie bei zentralen Fragen darf nicht nochmal in die Verlängerung gehen.“ (mit dpa)

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.