Brüssel. Die deutsche Blockade im Streit um das Verbrenner-Aus spaltet die EU. Was Scholz und Macron jetzt planen, erzürnt andere Staatschefs.

Beim EU-Gipfel wollten Kanzler Olaf Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs gemeinsam neue Hilfen für die Ukraine verkünden. Am ersten Gipfeltag bekräftigten sie das Versprechen, schnell Munition aus europäischen Reserven zu liefern, eine Million Artillerie-Granaten sollen die ukrainischen Streitkräfte binnen eines Jahres erhalten. Ein Bild der Geschlossenheit, das jedoch vom Streit über das geplante Aus für neue Verbrenner-Autos getrübt wurde.

Gleich mehrere Regierungschefs äußerten ungewöhnlich scharfe Kritik an der deutschen Blockade: „Es ist verwirrend, dass eine Regierung plötzlich einen Rückzieher macht, nachdem alle Vereinbarungen getroffen worden sind“, sagte der lettische Premier Krisjanis Karins an die Adresse Berlins. „Wenn ein Mitgliedstaat das tun kann, was wird als nächstes gestoppt?“

Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung werde so zerstört. Auch der belgische Premier Alexander de Croo warnte davor, die EU-Beschlüsse in Frage zu stellen: „Wir müssen Kurs halten.“

Der Streit steht offiziell nicht auf der Tagesordnung des Gipfels – aber die Verstimmung bei einem Teil der EU-Staaten ist offenkundig. Andererseits stellten sich mehrere Regierungen an die Seite Berlins: Das Verbrenner-Aus müsse sorgfältig überprüft werden, sagte die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni in Brüssel. Die EU sollte nicht vorschreiben, mit welcher Technologie die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Der österreichische Kanzler Karl Nehammer unterstützte Berlin ebenfalls und forderte, der „grüne Verbrenner“ müsse erlaubt bleiben: „Klimaschutz braucht Innovation“, sagte er.

Scholz sieht Lösung für Fahrzeuge mit E-Fuels auf gutem Weg

Tschechien und die Slowakei äußerten sich ähnlich, drängten sogar auf eine Debatte während des Gipfels. Der Riss geht tief: Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen.

Die Bundesregierung stellte Anfang März auf Betreiben der FDP jedoch Nachforderungen und verhinderte so die endgültige Bestätigung des Gesetzes durch die EU-Staaten.

Klimaschutz

Scholz selbst verteidigte das Vorgehen: Die EU-Kommission müsse ihre Zusage einhalten und eine Regelung vorschlagen, wie nach 2035 ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betriebene Fahrzeuge weiter zugelassen werden könnten. „Das ist alles auf einem gutem Weg“, meinte Scholz mit Blick auf Gespräche zwischen Kommission und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Auch der niederländische Premier Mark Rutte zeigte sich zuversichtlich, dass „in den nächsten Tagen“ eine Lösung gefunden werde. Die müsse aber den schon vereinbarten Gesetzesrahmen einhalten.

Der Auspuff eines Autos mit Dieselmotor: Nach einem EU-Gesetzesplan sollte 2035 das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren kommen – jetzt ringt die EU um Ausnahmen für synthetischen Kraftstoff.
Der Auspuff eines Autos mit Dieselmotor: Nach einem EU-Gesetzesplan sollte 2035 das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren kommen – jetzt ringt die EU um Ausnahmen für synthetischen Kraftstoff. © dpa | Christoph Schmidt

Genau das bleibt schwierig: Die EU-Kommission hatte zu Wochenanfang als Ausweg vorgeschlagen, in der EU einen neuen Fahrzeugtyp festzulegen, der als Verbrenner nur mit E-Fuels betrieben werden kann – der aber bei Benzin und Diesel automatisch abschaltet. Wissing befürchtet indes, bei diesem Modell müsste die Autoindustrie erst einen neuen Motor entwickeln, was möglicherweise zu teuer werde.

Kritiker des Vorschlags stört außerdem, dass sich am geplanten Verbot jeder Co2-Emission am Auspuff nichts ändern soll, womit der neue Fahrzeugtyp allenfalls eine Nischenlösung wäre – E-Fuels sind nur durch den Co2-absorbierenden Herstellungsprozess klimaneutral, bei der Verbrennung entsteht aber sehr wohl Kohlendioxid. Wissing fordert eine rechtssichere Lösung, was sehr kompliziert sei.

Krach um Verbrenner-Aus: Was planen Scholz und Macron?

Wissings Kritiker in der Bundesregierung fürchten schon, wenn der Streit noch länger dauere, würden weitere EU-Staaten ihre Zustimmung zu dem Gesetz zurückziehen – in der Folge werde womöglich das gesamte Klimaschutzpaket der EU scheitern. Spätestens beim Koalitionsausschuss am Sonntag müsse die Regierung einen Kompromiss absegnen.

Viel hängt jetzt von der Haltung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in dem Streit ab. Ein Gespräch zwischen Scholz und Macron am Rande des Gipfels war vereinbart und zunächst für Freitagmorgen angesetzt. Paris hatte die deutsche Blockade zunächst scharf kritisiert, doch wurde in Brüssel spekuliert, Macron könne die deutsche Haltung zum Verbrenner-Aus unterstützen – allerdings unter einer Bedingung.

Scholz müsste im Gegenzug die Einstufung der Atomenergie als förderwürdige Technologie im geplanten Gesetz zur klimaneutralen „Netto-Null-Industrie“ unterstützen. Andere Regierungschefs sind deshalb alarmiert. Der luxemburgische Premier Xavier Bettel warnte, die Eigeninteressen der beiden großen EU-Staaten dürften nicht den Gipfel dominieren. „Dies hier ist kein Wunschkonzert“, sagte Bettel.