Brüssel. Endlich Bewegung in der EU-Flüchtlingspolitik. Mehr Druck ist richtig. Was jetzt noch dringend folgen muss, was nicht passieren darf.

Und sie bewegt sich doch: Die Europäische Union will in der Asyl- und Migrationspolitik einige besonders drängende Probleme anpacken und damit den skandalösen Stillstand auf einer der größten politischen Baustellen Europas beenden. Mehr Schutz an den EU-Außengrenzen, mehr Abschiebungen: Der Gipfelbeschluss der Staats- und Regierungschefs ist zwar noch kein Durchbruch zu einem zukunftsfähigen Asylsystem. Aber er ist ein Signal, dass in der Union auch tiefe Gräben überwunden werden können.

Es ist ja kaum noch vermittelbar: Während eine neue Flüchtlingswelle das europäische Asylsystem massiv belastet, werden immer weniger abgelehnte Asylbewerber, die den Kontinent eigentlich wieder verlassen müssen, auch tatsächlich abgeschoben. Der schlichte Vollzug des Rechts ist unter anderem deshalb blockiert, weil die Herkunftsländer sich weigern, ihre Bürgerinnen und Bürger wieder aufzunehmen, oft mit der Ausrede, es handele sich gar nicht um ihre Staatsangehörigen.

Abgelehnte Asylbewerber: Mehr Druck auf Herkunftsländer ist richtig

Dass die Europäische Union nun versuchen will, diese Heimatländer mit größerem Druck zur Kooperation zu bewegen, ist richtig – die Drohung mit Visaerschwernis, Handelshürden oder der Kürzung von Entwicklungshilfe kann ein wirksamer Hebel sein. Der Ansatz ist nicht neu. Bislang fehlte es den Europäern nur an Entschlossenheit. Wenn sich die Verhältnisse des Krisenjahres 2015 nicht wiederholen sollen, muss zudem den Schlepperbanden gezielter das Handwerk gelegt werden. Ein verstärkter Grenzschutz in Ost- und Südosteuropa kann dazu beitragen. Dass die EU nun Geld zwar nicht ausdrücklich in Zäune, aber doch verstärkt in Grenz-Infrastruktur investieren will, um geltendes Recht gegen illegale Migration durchzusetzen, ist deshalb kein Grund zur Aufregung.

Von einer Festung Europa kann keine Rede sein. Das Recht auf Asyl bleibt unangetastet. Die Erfahrung mit Grenz-Zäunen in Polen, Ungarn oder Bulgarien zeigt: Solche Bauten können als Notlösung akzeptabel sein. Aber ihre Wirkung ist begrenzt. Wie sollte es anders sein, wenn selbst das Mittelmeer Flüchtlinge nicht aufhalten kann? Nein, weder Abschiebung noch verstärkter Grenzschutz allein lösen das Problem.

Der große Wurf: So könnte ein neues Asylsystem Europas aussehen

Dafür braucht die EU die Kraft zum großen Wurf: Mit einem Asylsystem, das gefährliche Meeres-Überfahrten überflüssig macht, weil Migranten schon außerhalb Europas um Asyl oder Flüchtlingsschutz in der EU nachsuchen können. Mit Schnellverfahren an den Außengrenzen, denen bei aussichtslosen Anträgen umgehend die Rückführung folgt. Ein System, bei dem anerkannte Asylbewerber solidarisch auf alle EU-Länder verteilt werden. Und ein System schließlich, das Migranten aus Afrika oder Asien auch außerhalb des Asylrechts die Chance auf einen legalen Aufenthalt in Europa eröffnet.

Abschreckung und Abschottung allein sind kein Konzept. Die Gipfelbeschlüsse sind aber ein erster Schritt, der zeigt, dass etwas in Bewegung gekommen ist. Er nimmt zugleich Druck aus der Migrationsdebatte, rechtzeitig vor den Europawahlen im kommenden Jahr. Die nächsten Schritte gelingen indes nur, wenn sich die EU-Politik ehrlich macht: Die Situation in Deutschland und anderen Unions-Staaten ist jetzt auch deshalb so angespannt, weil neben den Asylbewerbern Millionen von Ukraine-Flüchtlingen zu uns gekommen sind. Sie so gut wie möglich zu versorgen, ist moralische Pflicht. Aber es darf nicht die eine gegen die andere Gruppe ausgespielt werden. Wer mit guten Gründen Schutz braucht in Europa, muss ihn weiter bekommen, unabhängig von der Herkunftsregion.