Berlin. Die Pflegekosten steigen: Geplant sind Beitragsanhebungen und Entlastungen, doch es gibt Kritik von Opposition und Krankenkassen.

Angesichts steigender Kosten für die Pflege will die Regierung gegensteuern und die gesamte Finanzbasis verstärken. Dafür sollen Pflegebedürftige entlastet werden und Pflegebeiträge zugleich steigen.

Zur Sicherung der finanziellen Stabilität der Pflegeversicherung und vorgesehener Leistungsanpassungen könnte der Beitrag zum 1. Juli „moderat um 0,35 Prozentpunkte“ angehoben werden, wie aus einem Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht.

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Erhöhung der Entlastungszuschläge für Pflegebedürftige im Heim und zu Hause

Um immer höhere Kosten für Pflegebedürftige abzufedern, sehen die Pläne dazu mehrere Entlastungen zum 1. Januar 2024 vor. So soll für Pflegebedürftige zu Hause das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld um fünf Prozent steigen. Für Pflegebedürftige im Heim sollen 2022 eingeführte Zuschläge angehoben werden.

Dies soll den Eigenanteil für die reine Pflege künftig im ersten Jahr im Heim um 15 statt 5 Prozent drücken, im zweiten um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt bisher 70 Prozent. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Dazu kommen für Heimbewohner noch Zahlungen etwa für Unterkunft und Verpflegung.

Gleichzeitig umgesetzt werden soll auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Eltern mit mehreren Kindern bessergestellt werden müssen als kleine Familien und Kinderlose.

Konkret würden die Pläne dazu führen, dass Familien mit drei und mehr Kindern weniger zahlen als derzeit. Laut Entwurf läge der Beitrag bei drei Kindern künftig bei 3,10 Prozent - davon entfallen 1,40 Prozent auf die Versicherten und 1,70 Prozent auf die Arbeitgeber. Bisher sind es beim Beitrag für Menschen mit Kindern für Arbeitgeber sowie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils 1,525 Prozent.

Lauterbach wirbt für Pflegereform

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt trotz breiter Kritik für die geplante Pflegereform, um Entlastungen und stabilere Finanzen zu erreichen. „Die Pflegebedürftigen haben unsere volle Solidarität verdient“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Da die Kosten von guter Pflege steigen, darf die Solidargemeinschaft nicht wegschauen und diese höheren Kosten den zu Pflegenden und ihren Angehörigen überlassen.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Pflege reformieren.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Pflege reformieren. © Wolfgang Kumm/dpa

Derzeit liegt der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. SPD, FDP und Grüne hatten bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, den Pflegebeitrag „moderat“ anzuheben.

Lauterbach sagte, es gelte die Finanzierung der Pflegeversicherung zu stabilisieren. „In einer menschlichen Gesellschaft muss uns die Pflege Hochbetagter mehr wert sein. Dass immer mehr Menschen nach einem arbeitsreichen Leben in die Sozialhilfe abrutschen, werden wir nicht akzeptieren.“ In Heimen, aber ganz besonders bei der Pflege zu Hause müssten Leistungen deutlich verbessert werden.

Pflegereform: Kritik von Opposition und Krankenkassen

Von der Opposition und den Krankenkassen kam Kritik. Die Union monierte eine ungeklärte Finanzierung. Es sei völlig offen, wie hoch ein neuer Zuschuss aus Steuermitteln ausfallen soll, sagte Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) der dpa. Dabei sei es ein offenes Geheimnis, dass die Pflegeversicherung Mittel in Milliardenhöhe brauche, um stabil zu bleiben. „Anderenfalls bleiben allein die Beitragszahler auf den Kosten sitzen.“

Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, nannte es „völlig inakzeptabel“, wenn das Pflegegeld erstmals seit 2017 um fünf Prozent angehoben werden soll. „Das ist unverhältnismäßig und lässt den notwendigen Respekt vor den Pflegebedürftigen und der Leistung ihrer Angehörigen vermissen.“

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte mehr Zuschüsse aus Steuermitteln. „Der Bund muss selbst Verantwortung übernehmen und Defizite der Pflegekassen ausgleichen.“ Wenn wegen des demografischen Wandels künftig weniger Erwerbstätige mehr Pflegebedürftige allein über Beiträge finanzieren müssten, bekomme man ein großes Problem. Der Linke-Fachpolitiker Ates Gürpinar sagte, Lauterbachs Problem sei, dass er zur Finanzierung nur eine Antwort kenne: Erhöhung der Beiträge. Längst sei aber klar, dass man im jetzigen System an die Grenzen gestoßen sei. „Nötig ist ein Umdenken, damit finanziell starke Schultern endlich mehr Verantwortung für die Pflege tragen.“

(dpa/ew/amw)