Berlin. Wie weiter nach der Wahl? In der Union kursiert ein verwegenes Szenario, wie CSU-Chef Söder zum Nachfolger Merkels werden könnte.

  • Armin Laschet hat die Union zum schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl geführt
  • Nach der Wahl musste der CDU-Chef viel Kritik einstecken, Rücktrittsforderungen wurden laut
  • All das sind keine guten Voraussetzungen für mögliche Koalitionsgespräche - profitiert am Ende Markus Söder?

Nach der historischen Niederlage der Union bei der Bundestagswahl nimmt der Druck auf den angeschlagenen Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) weiter zu – und könnte am Ende jenen Mann zum großen Sieger machen, den Laschet im Ringen um die Kanzlerkandidatur knapp besiegt hatte: den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder.

In der Union kursiert ein Szenario, wie Söder doch noch Kanzler werden könnte. Es setzt voraus, dass Armin Laschet zurücktritt und der CSU-Vorsitzende die Sondierungen mit FDP und den Grünen für ein mögliches Jamaika-Bündnis übernimmt. Dass er hier eine Führungsrolle beansprucht, hatte Söder bereits am Montag klargemacht: „Die Gespräche führt nicht einer allein“, sagte er in München.

Den Plan, im Falle eines Scheiterns seines Konkurrenten Laschet einen erneuten Vorstoß zu wagen, soll der CSU-Vorsitzende schon länger verfolgt haben, ist zu hören. Gelänge es Söder, erfolgreich ein Bündnis mit der FDP und den Grünen zu schmieden, könnte dies in einer Kanzlerschaft münden. Denn der Kanzler wird auf Vorschlag der Bundestagsfraktion gewählt, ohne selbst dafür Mitglied im Bundesparlament sein zu müssen. Es wäre die erste Kanzlerschaft eines CSU-Vorsitzenden.

Jamaika-Koalition: Formal stünde Söders Kanzlerschaft nichts im Wege

Söder äußerte sich am Dienstag – im Anschluss an die konstituierende Sitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin. Auf Fragen nach besagtem Szenario sagte er, die vielen Gerüchte nach der Bundestagswahl seien Ausdruck der großen Nervosität. Sie seien „völlig irrelevant – zunächst mal“. Ein typischer Söder-Satz, in den sich vielerlei hineininterpretieren lässt. Lesen Sie auch: Ampel oder Jamaika: Welche Koalition gibt Cannabis frei?

Söder zeigte sich erneut bereit für Gespräche über ein Jamaika-Bündnis. Aus dem Wahlergebnis leite sich kein Regierungsauftrag ab. Aber: „Wir sind immer bereit, Deutschland zu einer stabilen Regierung zu verhelfen.“

Dann wird der CSU-Chef konkret: Gemeinsam mit dem frisch wiedergewählten CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt habe er eine „Matrix“ für solche Gespräche erarbeitet. Wichtig sei, dass die Union nun „arbeitsfähig“ sei. „Wir müssen das Wahlergebnis akzeptieren“, sagte Söder und gratulierte ausdrücklich SPD-Kandidat Olaf Scholz. Diese Geste hatte Laschet vermieden und war dafür als „schlechter Verlierer“ kritisiert worden. Lesen Sie mehr: Bundestagswahl 2021: Das sind die sechs größten Verlierer

Auffällig bei den Ausführungen von Söder: Laschet spielte darin keine größere Rolle mehr. Statt dessen sagt Söder aber mit auffallender Deutlichkeit: „Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz.“

CDU: Das Misstrauen gegenüber Söder ist groß

Noch am Montag hatte Laschet gesagt: „Kanzler wird in Deutschland der, der eine Mehrheit im deutschen Bundestag hinter sich hat.“ Er hatte damit sich selbst als Zweitplatzierten gemeint. Nun könnte es eine Art Prophezeiung für seinen Erzrivalen Söder werden. Doch selbst wenn Laschet nun schnell zurücktreten würde, ist eine Kanzlerschaft von Söder alles andere als eine ausgemachte Sache.

In Teilen der CDU ist das Misstrauen gegenüber Söder und die Abneigung, sich von einem Politiker der kleinen Schwesterpartei dominieren zu lassen, groß. Dennoch könnte es ihm gelingen, mit einer Charmeoffensive eine Mehrheit auf seine Seite zu bringen.

Hilfreich wäre dabei die Aussicht, doch noch den bitteren Kelch der Opposition vermeiden zu können. Allerdings müssten auch große Teile der Grünen und der Liberalen für Söder stimmen, was ebenfalls keineswegs sicher wäre. Die größte Hürde aber ist eine andere: Das Söder-Szenario setzt voraus, dass die SPD als stärkste Kraft nach der Bundestagswahl beim Versuch scheitert, mit der FDP und den Grünen eine Ampel zu bilden.

Entscheidend dürfte auch sein, was am Dienstagabend bei der ersten Sitzung der sich neu konstituierenden Fraktion von CDU und CSU passiert. In deren Vorfeld war es zum offenen Zwist zwischen dem bisherigen Fraktionschef Ralph Brinkhaus und Laschet gekommen.

Schwere Tage für den Kandidaten: Armin Laschet kommt vom Treffen der Landesgruppe NRW der CDU im Bundestag.
Schwere Tage für den Kandidaten: Armin Laschet kommt vom Treffen der Landesgruppe NRW der CDU im Bundestag. © dpa | Michael Kappeler

Zoff mit Laschet: Brinkhaus will kein Platzhalter sein

Der Grund: Der CDU-Chef hatte am Wahlabend mit der CSU vereinbart, dass die Fraktion zunächst keinen neuen Vorsitzenden wählen wird und Brinkhaus kommissarisch im Amt bleibt. Damit hätte er diesen Posten für weitere Pläne zur Verfügung, wenn klar ist, ob die Union in die Opposition muss oder doch noch mit der FDP und den Grünen eine Regierung bilden kann. Doch das wollte Brinkhaus sich nicht bieten lassen. Ein Versuch von Laschet, Brinkhaus am Abend in einem Vier-Augen-Gespräch umzustimmen, scheiterte.

Brinkhaus: Wahlausgang ist "Riesenenttäuschung für die Union"

weitere Videos

    Der neue Fraktionschef wird regulär zunächst für ein Jahr gewählt und dann noch einmal für die nächsten drei Jahre. In der konstituierenden Fraktionssitzung am frühen Dienstagabend gab es dann einen Kompromiss: In Abstimmung mit Söder schlug Laschet laut Teilnehmerangaben Brinkhaus als Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für zunächst sechs Monate vor.

    Mit diesem Kompromiss sollte der Streit um den Fraktionsvorsitz entschärft werden. Doch wie die Stimmung in der Union derzeit ist, ließen sich Überraschungen für den weiteren Verlauf der abendlichen Fraktionssitzung zunächst nicht mit Sicherheit ausschließen. Am Abend wurde dann aus Teilnehmerkreisen berichtet, dass Brinkhaus für sechs Monate gewählt worden sei.