Berlin. Bund und Länder haben über Fluthilfen und das Corona-Regelwerk für den Herbst beraten. Das wurde bei der Konferenz beschlossen.

  • Bund und Länder haben sich am Dienstag auf neue Corona-Regeln geeinigt
  • Dabei wurde auch ein Ende der kostenlosen Tests beschlossen
  • Hier finden Sie alle neuen Corona-Regeln und Beschlüsse von Bund und Ländern

Corona war das beherrschende Thema bei der Konferenz der Regierungschefs und -chefinnen der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag. Bund und Länder stimmten darüber ab, welche Regeln ab Herbst gelten sollen – angesichts steigender Fallzahlen und schleppender Impfkampagne.

Als erster Punkt stand aber ein anderes Thema auf der Agenda: die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe und ihrer Folgen. Neben den Soforthilfen der Länder, an denen sich der Bund mit 400 Millionen Euro beteiligt, soll es auch einen Wiederaufbaufonds mit 30 Milliarden Euro geben. Das gab Merkel nach der Videokonferenz mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in Berlin bekannt. Mit dem Geld soll der längerfristige Aufbau der Flutgebiete finanziert werden.

Bund-Länder-Treffen: Katastrophenwarnung künftig auch per SMS

Bund und Länder vereinbarten bei ihren Beratungen auch, auf die Erstattung der Kosten für ihre jeweiligen Einsatzkräfte in den Hochwassergebieten durch die betroffenen Länder und Kommunen zu verzichten. Um in künftigen ähnlichen Fällen die Bevölkerung besser vor Gefahren warnen zu können, soll ein technisches System eingeführt werden, das Warnhinweise direkt auf Mobilfunkgeräte schickt, die in der Funkzelle eingebucht sind. Auch Sirenenanlagen sollen wieder ausgebaut werden. Lesen Sie dazu: Hochwasser offenbart fatale Mängel im Katastrophenschutz

Nur eine halbe Stunde hatten die Kanzlerin und die Länderchefs und -chefinnen am Dienstagmittag benötigt, um die Fluthilfen für Hochwassergebiete zu beschließen. Zäher wurde es dann bei den Corona-Maßnahmen. Denn es ging um eine Festlegung, wie sich Deutschland auf eine mögliche vierte Welle ab Herbst vorbereitet.

Trotzdem wurde es keine Nachtsitzung – Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, und sein Stellvertreter, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), präsentierten die Beschlussfassung am frühen Abend. Das sind die Kernpunkte des Corona-Konzepts für den Herbst:

Bund und Länder wollen kostenlose Schnelltests abschaffen

Die Kanzlerin und die Landesregierungen werben weiter für zügige Impfungen. Impfstoff sei vorrätig, die Vakzine sowohl in Studien als auch in der Anwendung millionenfach bewährt und auch gegen die Delta-Variante als wirksam erwiesen. Die Bevölkerung solle nun, soweit noch nicht geschehen, schnellstmöglich die bestehenden Impfangebote wahrnehmen. Lesen Sie hier: So viel kosten Corona-Tests.

Merkel: Ende der kostenlosen Corona-Tests am 11. Oktober

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    Die kostenlosen Corona-Schnelltests für alle Bürger werden am 11. Oktober abgeschafft. Gratistests soll es nur noch für Personen geben, die sich nachweislich nicht impfen lassen können oder für die es keine Impfempfehlungen gibt wie Schwangere oder Kinder und Jugendliche. Darauf einigten sich Bund und Länder am Nachmittag.

    Abschaffung der Gratistests soll auch Anreiz für Corona-Impfung sein

    Der Schritt soll einen weiteren Anreiz darstellen, sich impfen zu lassen: "Wir setzen jetzt voll bei steigenden Infektionszahlen auf diejenigen, die noch nicht geimpft sind", sagte Merkel nach den Spitzenberatungen. "Da wir in im Grunde jetzt schon ein umfassendes Impfangebot jedem Bürger der Bundesrepublik Deutschland oder jeder Bürgerin machen können, werden wir die kostenlosen Bürgertests für alle mit Wirkung vom 11. Oktober beenden."

    Die Bundeskanzlerin äußerte die Hoffnung, "dass sich die Impfquote nochmal deutlich steigert". Derzeit sind rund 55 Prozent der Bürger vollständig geimpft. Ziel sei es, die Impfquote "deutlich über 70 Prozent hin zu 80 Prozent" zu steigern, sagte Merkel.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt an einer Pressekonferenz teil.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt an einer Pressekonferenz teil. © dpa

    Ursprünglich war als Termin für die Abschaffung der kostenlosen Tests Ende September angedacht. Aber weil in den kommenden Wochen nun verstärkt um Impfskeptiker geworben werden soll und der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung bei mRNA-Impfstoffen laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission sechs Wochen betragen soll, wäre dieser Stichtag nicht haltbar gewesen.

    Lesen Sie auch: Friseur, Einkaufen, Fitnessstudio: Das soll im Herbst gelten

    Fünf Gründe für die Corona-Impfung

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      Corona-Gipfel: Testpflicht für Ungeimpfte beschlossen

      Gleichzeitig wird eine Testpflicht für Ungeimpfte eingeführt. Mit der sogenannten 3-G-Regel soll der Besuch von Veranstaltungen und das Wahrnehmen von Dienstleistungen weiter möglich bleiben. Sie soll gelten, sobald es in einer Region pro 100.000 Einwohner mehr als 35 Neuansteckungen innerhalb einer Woche gibt.

      • Wer nicht gegen das Coronavirus geimpft ist, muss ab dem 23. August für Veranstaltungen in Innenräumen einen negativen Corona-Test vorlegen.
      • Im Sinne der 3-G-Regel muss man in Zukunft für zahlreiche Angebote entweder vollständig geimpft oder genesen sein – oder eben einen negativen Antigen-Schnelltest (Alter max. 24 Stunden) oder einen PCR-Test, der maximal 48 Stunden alt sein darf, vorweisen können.
      • Ausgenommen von der Regelung sind Kinder bis zum sechsten Lebensjahr und Schüler.

      Gelten soll die 3-G-Regel für Besuche in Kliniken und Pflegeheimen, bei Besuchen der Innengastronomie, für Gottesdienste, für Feste und den Sport im Innenbereich, Übernachtungen sowie körpernahe Dienstleistungen. Davon abweichen könnte allerdings im Einzelfall der Zutritt zu medizinischen Einrichtungen, Alten- wie Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen. Die Erforderlichkeit der Regelung soll alle vier Wochen überprüft werden.

      Die Länder können dabei für sich selbst entscheiden, ob 3G-Regel ganz oder teilweise ausgesetzt wird, solange die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis stabil unter 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern liegt oder das Indikatorensystem eines Landes ein vergleichbar niedriges Infektionsgeschehen widerspiegelt. Auch können die Landesregierung in Eigenregie bereits bei einer Inzidenz von unter 35 Verschärfungen anordnen, etwa für Großveranstaltungen, Bars und Diskotheken.

      Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte bei der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz aber auch, dass er eine Bevorzugung von Geimpften und Genesenen gegenüber negativ Getesteten weiterhin für sinnvoll hält. "Wir werden uns einer Debatte über 2G auf Dauer nicht verstellen können", sagte Söder in Berlin. Die nun gefundene "3-G-Lösung", die negativ Getestete mit Geimpften praktisch gleichstellt, werde vermutlich nicht das Ende der Diskussion sein, sagte Söder. „Wir testen wie die Weltmeister.“ Die Erfahrung zeige aber auch: Testen alleine reiche nicht.

      Corona-Maßnahmen: Verlängerung der AHA-Regeln

      Die Regierungschefs haben zudem darauf geeinigt, dass Basisschutzmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung weiterhin erforderlich sind. Bundesweit einheitlich sollen die AHA-Regeln (Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Lüften, Maskentragen in Innenräumen) weiter umgesetzt werden. Das Tragen medizinischer Schutzmasken im Einzelhandel und im öffentlichen Personenverkehr bleibt deshalb auch für die gesamte Bevölkerung verbindlich vorgeschrieben, heißt es im Beschlusspapier der Konferenz.

      Unternehmen sind laut den Beschlüssen weiterhin verpflichtet, ihren Mitarbeitern, die nicht dauerhaft im Homeoffice arbeiten, mindestens zwei Corona-Tests pro Woche anzubieten. Dadurch sollen Infektionen am Arbeitsplatz verhindert werden.

      Pandemie-Lage: So soll künftig die Situation bewertet werden

      Um die Frage, von welchen Richtwerten die Corona-Maßnahmen in Zukunft abhängen sollen, hatte es im Vorfeld ebenfalls mächtig Diskussionen gegeben. Weitgehender Konsens war, dass der reine Inzidenzwert (Anzahl der Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen) angesichts der wachsenden Zahl von Geimpften kein alleiniges Kriterium mehr sein sollte.

      Durchgesetzt haben sich die Vertreter eines Kurswechsels: In Zukunft sollen auch weitere Messwerte bei der Beurteilung der Lage Beachtung finden. "Bund und Länder werden alle Indikatoren, insbesondere

      • die Inzidenz,
      • die Impfquote,
      • und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe
      • sowie die resultierende Belastung des Gesundheitswesens berücksichtigen",

      heißt es im Beschluss.

      Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hätte am liebsten an der Inzidenz als "Leitindikator" festhalten. Doch die Landesregierungen lehnten dies ab. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte im Vorfeld der Schalte am Dienstag, dass er diese Kennzahl allein für nicht mehr tauglich halte, um die Gefahr der Pandemie zu bemessen.

      Sollten die Anstregungen beim Testen und Impfen nicht ausreichen, wollen sich Bund und Länder allerdings auf weitere Maßnahmen verständigen, "um das weitere Infektionsgeschehen zu kontrollieren". Zudem soll die Einstufung der aktuellen Pandemie-Situation als "epidemische Lage von nationaler Tragweite" über den 11. September 2021 hinaus verlängert werden. Sie gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Zuständig für eine Verlängerung ist der Bundestag.

      Müller nach Corona-Gipfel: "Impfen ist das Gebot der Stunde"

      Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte bei der Pressekonferenz nach der Bund-Länder-Schalte, dass die Impfquote in Deutschland derzeit immer noch zu niedrig sei. Die Situation sei zwar eine andere als vor einem Jahr vor allem wegen der Testkapazitäten und der Impffortschritte. "Doch man muss ganz klar sagen: Es ist noch was zu tun", so der MPK-Vorsitzende. Er machte deutlich, dass die Ergebnisse des Gipfels aus seiner Sicht nur ein Zwischenschritt sein könnten und Ungeimpfte im Herbst mit weiteren Einschränkungen rechnen müssen.

      Es sei bitter, dass so viele Menschen die Impfangebote nicht wahrnähmen. "Impfen, Impfen, Impfen ist das Gebot der Stunde", sagte Müller. Wer sich gegen ein Impfangebot entscheide, könne nicht auf Dauer damit rechnen, dass ihm die "Solidargemeinschaft" die Folgen seiner Entscheidung finanziere, so Berlins Regierungschef.

      (mir/ape/jule/bml/ mit dpa)