Berlin. Mit Boris Pistorius als Verteidigungsminister verschiebt sich die Balance im Kabinett. Der Kanzler bricht damit ein Wahlversprechen.

Das Versprechen vor der Wahl war klar: Ein Kabinett unter seiner Führung werde paritätisch, also zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein, so hatte es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf angekündigt. Doch mit Boris Pistorius als Nachfolger von Christine Lambrecht im Verteidigungsministerium ist dieses Ziel vorerst dahin. Einschließlich des Bundeskanzlers selbst sitzen künftig zehn Männer am Kabinettstisch. Ministerinnen gibt es nach dem Rücktritt Lambrechts dagegen nur noch sieben.

Neben Scholz als Bundeskanzler stellt die SPD nun vier männliche Kabinettsmitglieder (Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt). Dem gegenüber stehen mit Innenministerin Nancy Faeser, Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Bauministerin Klara Geywitz nur drei SPD-Frauen. Unter den fünf grün geführten Ressorts werden drei von Frauen geleitet. Die FDP dagegen hat mit Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nur einen ihrer vier Ministerposten mit einer Frau besetzt.

Parität im Kabinett: Bedauern, aber auch Erleichterung in der SPD

Die Parität sei dem Kanzler und der SPD-Spitze weiterhin sehr wichtig, beteuerte SPD-Chef Lars Klingbeil. „Aber wir hatten jetzt in den vergangenen Tagen in einer konkreten Personalfrage zu entscheiden. Und Boris Pistorius ist der Richtige für diesen Job. Und danach haben wir entschieden.“

Wer sich nach Bekanntgabe der Personalie in der SPD umhörte, stieß durchaus auf Bedauern, dass die Wage im Kabinett nun wieder deutlich zugunsten der Männer ausschlägt. Allerdings herrschte auch Erleichterung und Verständnis dafür, dass die Lambrecht-Nachfolge nun mit der Berufung des Niedersachsen geklärt ist. Vom Tisch ist die Frage der paritätischen Kabinettsbesetzung damit jedoch nicht.

„Olaf Scholz weiß, was er zur paritätischen Besetzung versprochen hat“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier dieser Redaktion. „Da gibt es auch eine klare Erwartungshaltung in der SPD.“ Breymaier fügte hinzu: „Aber in Zeiten, in denen wir Krieg in Europa haben, ist eine schnelle Besetzung der Spitze des Verteidigungsministeriums wichtig.“ Pistorius sei eine gute Wahl. „Da ist es im Moment, aber nicht grundsätzlich, zweitrangig, wenn die Parität im Kabinett nicht ganz eingehalten wird.“

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Das Bundeskabinett in der neuen Zusammensetzung.
Das Bundeskabinett in der neuen Zusammensetzung. © dpa | dpa-infografik GmbH

Die Grünen zeigen sich „sehr irritiert“ über fehlende Parität

Deutlicher in ihrer Kritik wurden die Grünen. Ko-Fraktionschefin Katharina Dröge lobte am Dienstag die Pistorius‘ Nominierung, betonte aber gleichzeitig, dass Parität aus Sicht der Grünen wichtig bleibe. „Unsere Auffassung ist es, dass im Jahr 2023 ein Kabinett paritätisch besetzt sein sollte“, sagte sie.

Ähnlich klang das bei Vize-Fraktionschefin Agnieszka Brugger. Zwar lobte auch sie die Qualifikationen des neuen Ministers für den schwierigen Job. „Obgleich der exzellenten Auswahl bin ich sehr irritiert, dass der Bundeskanzler nun zum zweiten Mal sein selbst ausgegebenes Versprechen eines paritätisch besetzten Kabinetts nicht einhält“, bemängelte Brugger. „Es kann nicht sein, dass der Bundeskanzler für die Bundesregierung ein paritätisch besetztes Kabinett verspricht und sich am Ende allein die Grünen daran halten.“

Der grüne Haushaltspolitiker Sven Christian Kindler schrieb auf Twitter, Versprechen, für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einzutreten, „sollten nicht nur den eigenen Wahlkampf schmücken, sondern müssen gelten, wenn‘s drauf ankommt.“

Kubicki rechnet nicht mit weiterer Kabinettsumbildung

In der FDP stuft man die Frage nach der Parität dagegen eher als nachrangig ein. Wolfgang Kubicki, stellvertretender Parteichef der Liberalen, lobte die Wahl von Pistorius. „Ich bin froh, dass Olaf Scholz unserem Rat gefolgt ist, und dieses Amt nicht aufgrund des Geschlechts oder des Regionalproporzes besetzt hat“, sagte Kubicki dieser Redaktion.

Dass sich die Zusammensetzung des Kabinetts im Rahmen einer größeren Umbildung demnächst noch einmal ändert, erwartet er nicht. „Ich gehe zum aktuellen Zeitpunkt davon aus, dass Nancy Faeser bis zum Ende der Legislaturperiode Innenministerin bleibt“, sagte Kubicki über auf Spekulationen, Faeser könnte Spitzenkandidatin der SPD im hessischen Landtagswahlkampf werden. „Denn sonst hätte der Kanzler diese Frage ja auch jetzt schon klären können.“ (mit gau)