Berlin. In mehreren Tarifkonflikten legen die Gewerkschaften eine härtere Gangart ein. Und das zu Recht: Die Arbeitnehmer brauchen dringend mehr Geld.

Das war eindrucksvoll. An sieben deutschen Flughäfen haben die Beschäftigten am Freitag die Arbeit niedergelegt, darunter an den beiden Drehkreuzen Frankfurt und München. Der Luftverkehr hierzulande kam weitgehend zum Erliegen. Tausende von Flügen fanden nicht statt, Hunderttausende Passagiere konnten nicht reisen.

Die Aktion war ein Warnstreik in laufenden Tarifkonflikten, insbesondere im öffentlichen Dienst. Und die Gewerkschaft Verdi will sie ausdrücklich als Warnschuss an die Arbeitgeber verstanden wissen. In Kitas, Nahverkehr, Stadtwerken, Verwaltungen und Kliniken hatte es zuletzt schon Warnstreiks gegeben. Aber das lässt sich alles steigern. „Die nächsten Streiks haben eine andere Dimension“, sagt Verdi-Chef Frank Werneke.

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Verdi: Zweistellige Lohnforderungen in verschiedenen Branchen

Deutschland steht vor einem heißen Frühjahr, daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben: In der kommenden Woche findet im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen die zweite Verhandlungsrunde statt. Verdi fordert für die 2,5 Millionen Beschäftigten 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro pro Monat. Im gesonderten Tarifkonflikt bei der Deutschen Post steht die Forderung nach 15 Prozent mehr Lohn im Raum. Hier hat Verdi bereits eine Urabstimmung eingeleitet, in der Folge könnte es nach mehreren Warnstreiks einen unbefristeten Arbeitskampf geben. Auch die Deutsche Bahn steuert auf einen Großkonflikt zu: Hier beginnt die Tarifrunde Ende Februar. Die Gewerkschaft EVG verlangt ein Lohnplus von 12,5 Prozent, mindestens aber 650 Euro mehr pro Monat.

Thorsten Knuf, Politikkorrespondent
Thorsten Knuf, Politikkorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Ja spinnen die denn, die Gewerkschaften und ihre Mitglieder? Nein, das tun sie nicht. Natürlich ist es unangenehm, wenn man als Unbeteiligter nicht in den Urlaub fliegen kann, wenn die Bahn nicht kommt, der Müll liegenbliebt oder die Kita geschlossen ist. Aber das ist ja gerade der Sinn von Warnstreiks und richtigen Arbeitskämpfen: Sie sollen weh tun, damit sich die Arbeitgeber bewegen.

Streiks: Arbeitgeber geraten in Erklärungsnot

Angesichts der rasanten Preissteigerungen, insbesondere bei Energie und Lebensmitteln, brauchen die Arbeitnehmer in Deutschland dringend mehr Geld. Und zwar in allen Branchen. Das gilt umso mehr, als die Beschäftigten in den Corona-Jahren viele Abstiche hinnehmen mussten. Natürlich werden die Gewerkschaften jetzt ihre Forderungen nicht eins zu eins durchsetzen können. Tarifverhandlungen sind schließlich kein Diktat. Aber einen kräftigen Zuschlag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte es am Ende schon geben. Und zwar vor allem in den unteren Lohngruppen, die besonders unter der starken Inflation leiden.

Die öffentlichen Arbeitgeber weisen die hohen Lohnforderungen wie immer mit dem Argument zurück, dass die Kassen leer seien, die Jobs in diesem Sektor aber sicher. Auch die Post und die Bahn können sichere Arbeitsplätze als Argument gegen sehr starke Lohnsteigerungen anführen. Dieses Argument mag in der Vergangenheit gestochen haben. Inzwischen tut es das nicht mehr.

Die Tarifrunden, die gerade stattfinden, sind die ersten im Zeichen eines allgemeinen Arbeitskräftemangels. Schon jetzt fehlt in etlichen Branchen im großen Stil Personal. Fast zwei Millionen Stellen sind hierzulande unbesetzt. Die Lage wird sich in den kommenden Jahren noch einmal dramatisch verschärfen. Arbeitgeber, die geeignete Mitarbeiter finden wollen, müssen zwingend Sicherheit und eine korrekte Bezahlung bieten. Tun sie es nicht, sind sie es, die künftig keine Chance auf einem vollständig veränderten Arbeitsmarkt haben werden.