Berlin. Als es um Mindestlohn und Hartz IV geht, kracht es im Gebälk des Studios. Olaf Scholz umgarnt die grüne Wunschkoalitionspartnerin.

21.45 Uhr, Abpfiff. Hinter Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock liegt das letzte von drei Fernseh-Triellen in diesem Wahlkampf. Die Sendung, dieses Mal übertragen von ProSieben und Sat.1 und moderiert von Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch, war der Auftakt zur Schlusswoche eines langen Wahlkampfs. Eine letzte Chance, noch einmal im direkten Vergleich mit der Konkurrenz zu glänzen, ein letztes Mal das Risiko, unterzugehen.

Für alle drei stand viel auf dem Spiel. Olaf Scholz, der späte Favorit dieses Wahlkampfs, muss den Vorsprung der SPD über die Ziellinie retten. Armin Laschet kämpft darum, ein für die Union desaströses Ergebnis abzuwenden und sie doch noch zur stärksten Kraft zu machen. Und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, in den Umfragen abgeschlagen, muss sicherstellen, dass der Gestaltungsanspruch ihrer Partei nicht zerrieben wird im Wettkampf zwischen Scholz und Laschet. Lesen Sie auch: Warum es hier einen Überraschungssieger gab

TV-Triell: Wo die Kandidatin und die Kandidaten punkten konnten

Bei den ersten beiden Triellen hatten Zuschauerinnen und Zuschauer laut Umfragen Scholz als Sieger gesehen. Laschet und Baerbock waren erkennbar bemüht, das kein drittes Mal vorkommen zu lassen.

Wo die Bewerber und Bewerberin punkten konnten und wo sie Schwäche zeigten - der Überblick:

Armin Laschet war schon bei den vergangene zwei Triellen im Angriffsmodus, und obwohl sich die Union seitdem nur wenig nach oben bewegt hat in den Umfragen, war das offenbar auch der Plan für diesen Abend. Schon beim ersten Themenblock in der Sozialpolitik krachte es deshalb heftig: Auf Olaf Scholz‘ Erklärung, dass sich Bürger und Bürgerinnen darauf verlassen könnten, dass mit ihm an der Regierung zwölf Euro Mindestlohn kämen, versuchte Laschet die Attacke: Die SPD habe doch dem Konzept zugestimmt, den Mindestlohn durch Tarifpartner festlegen zu lassen, jetzt wolle die Partei die Höhe politisch bestimmen. Lesen Sie mehr: Vor dem Triell: So ticken die Kanzlerkandidaten privat

TV-Triell: Scholz macht den „Scholzomat“

Mit mäßigem Erfolg. Scholz wird seinem Spitznamen, dem „Scholzomat“ gerecht, der Tonfall bleibt trocken. „Herr Laschet, das ist vielleicht der Unterschied zwischen Ihnen und mir, ich mache das nicht, weil gerade Wahlkampf ist, ich erhebe diese Forderung schon seit Jahren“, kontert der SPD-Mann. „Mir geht es um die Würde der Bürger.“ Auch interessant: Wahlkampf-Debatte: So schlugen sich die Moderatorinnen

Baerbock bleibt nur, nach diesem Schlagabtausch noch zu erklären, was ihre Positionen zu Sozialpolitik sind. Die drehen sich vor allem um Kinder und Familien: „Ich möchte, dass im oberen Bereich ein bisschen mehr Steuern gezahlt werden, damit ich Kinder aus der Armut holen kann“, so beschreibt die Grüne ihre Mission.

Eine Woche vor der Bundestagswahl stellen sich Scholz, Baerbock und Laschet einem dritten TV-Triell.
Eine Woche vor der Bundestagswahl stellen sich Scholz, Baerbock und Laschet einem dritten TV-Triell. © dpa

Damit ist sie nicht weit weg von Scholz. Der resümiert: Die Vorschläge von SPD und Grünen ähnelten sich, beim Mindestlohn, bei Hartz IV, bei Steuern, beim Thema Kinderarbeit. Die Vorschläge der Union dagegen seien „unfinanzierbar“. Was die Basis für eine Zusammenarbeit zwischen Grünen und SPD wäre, ist damit eindeutig. Ohnehin umgarnt Scholz die Grüne inhaltlich heftig.

Debatte: Differenz zur Union wird deutlich

Und auch die Differenz zur Union wurde klar: „Hartz IV ist kein Beruf“, sagte Armin Laschet. Er wiederholte eine Position aus einem vergangenen Triell, sein Rezept gegen Kinderarmut seien Arbeitsplätze für die Eltern. „Wir müssen alles tun, dass Menschen wieder in Arbeit kommen.“ Kinder müssten zudem über Bildungschancen dabei unterstützt werden, aus Hartz IV herauszukommen.

Auftrumpfen kann Baerbock beim nächsten Themenblock: Klimaschutz ist ein Kernanliegen der Grünen, und die Kandidatin kann den Vertretern der Regierungsparteien da nicht nur die Verfehlungen der Vergangenheit vorwerfen. Auch die aktuellen Versprechen, das Pariser Klimaabkommen einhalten zu wollen, würden nicht mit der Position von Scholz und Laschet zusammenpassen, noch bis 2038 weiter Kohle verstromen zu wollen. „Wie können Sie das zusammenbringen?“, fragt die Grüne. Auch den Wunsch-Koalitionspartner schont sie dabei nicht. Die Botschaft: Annalena Baerbock ist nicht zum Triell gekommen, um sich als Juniorpartner zu bewerben. Sie spielt nach wie vor ums Kanzleramt.

Die Moderatorinnen geben das weiter an die Herren. Von denen will allerdings keiner abrücken vom Kohleausstieg 2038. Olaf Scholz betont, wie wichtig der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien ist, und schiebt der Union den schwarzen Peter zu, beim Ausbau blockiert zu haben. Armin Laschet wirft zunächst der Umweltbewegung vor, sich lange gegen Atomenergie engagiert zu haben statt gegen Kohle. Er setzt auf eine Abschaffung der EEG-Umlage und den CO2-Preis als zentrales Steuerelement.

Laschet punktet bei innerer Sicherheit

Gut für den Unionskandidaten, dass es in diesem Triell zum ersten Mal auch um innere Sicherheit geht, ein Kernthema der Union. Es gebe „Bedrohungen aus vielen unterschiedlichen Richtungen“, sagt Laschet. Er nennt Islamismus und Rechtsextremismus, konkret auch die Anschläge in Halle und auf dem Breitscheidplatz. Mit einem Schlenker über Afghanistan – „müssen verhindern, dass da wieder solche Netzwerke entstehen, wie die, die den 11. September verübt haben“ – plädiert er für eine engere europäische Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Terror und will unter anderem Namen von Gefährdern international austauschen. Lesen Sie auch: Umfragen zum Triell: Wer ist Gewinner des Schlagabtausches?

Gefragt nach kriminellen Großfamilien, sagt Laschet: „Clan-Kriminalität hat sich in 30 Jahren entwickelt. Alle haben tatenlos zugeschaut.“ Die Clans würden sagen: „Wir beherrschen die Straße, wir setzen Recht.“ Das könne der Staat nicht dulden. Gleichzeitig betonte er, dass Integration seit langem ein Herzensthema für ihn sei. „Wir wollen liberal und offen sein.“

Unionskanzlerkandidat Armin Laschet vor dem TV-Triell.
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet vor dem TV-Triell. © Willi Weber/Prosieben/Seven.One/dpa

In der Diagnose hat Laschet beim Thema Extremismus ausnahmsweise eine Gemeinsamkeit mit Baerbock, auch die sieht diesen als eines der größten Probleme. Sie fordert eine deutliche Personalaufstockung bei der Polizei. Olaf Scholz kommt zu diesem Thema gar nicht mehr zu Wort.

In der Wahrnehmung der Zuschauer hat ihm das offenbar nicht geschadet. In einer Blitzumfrage nach der Sendung sahen 42 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer erneut Scholz als Sieger. 27 Prozent sagten das über Laschet, 25 Prozent sahen Baerbock als Gewinnerin. Auch interessant: TV-Triell: Wie funktionieren eigentlich Blitzumfragen?