Berlin. Russland verfolgt klare strategische Ziele in Afrika. Ließe Putin das Getreideabkommen scheitern, wären sie nur schwer zu erreichen.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur das Leben der Menschen in dem überfallenen Land auf eine fürchterliche Weise verändert. Seine Auswirkungen sind bis nach Asien oder Afrika spürbar. Ökonomisch gesehen ist es ein Weltkrieg, den der russische Präsident Putin im Februar des vergangenen Jahres vom Zaun gebrochen hat.

In Afghanistan, Äthiopien oder Bangladesch werden die Menschen nicht nur von den Auswirkungen des Klimawandels gequält, langanhaltenden Dürren oder dem Anstieg des Meeresspiegels, sie leiden auch enorm unter den gestiegenen Preisen für Lebensmittel oder Energie. Die Globalisierung hat die Welt wirtschaftlich so miteinander verwoben, dass Erschütterungen, zumal solche von so großem Ausmaß wie der Krieg in der Ukraine, global spürbar sind.

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Der komplette Ausfall der ukrainischen Getreideexporte über den Seeweg in den ersten Monaten dieses Krieges konnte nur marginal kompensiert werden durch die Öffnung neuer Transportrouten über die Schiene. Die Verknappung hatte dramatische Steigerungen bei den Getreidepreisen zur Folge, die zusätzlich durch gewissenlose Spekulanten angeheizt wurden. Hungersnöte in vielen betroffenen Ländern drohten, die Stabilität ohnehin fragiler Staaten wie etwa jenen im arabischen Raum war gefährdet.

Jan Jessen ist Ukraine-Korrespondent.
Jan Jessen ist Ukraine-Korrespondent. © FUNKE Foto Services | Anna Stais

Diplomatische Erfolge geben Hoffung auf Lösung des Konflikts

Explodierende Brotpreise waren schon häufig in der Geschichte Anlass für Revolutionen und Umstürze. Die schlimmsten Szenarien sind – bislang – glücklicherweise ausgeblieben. Und das ist nach Ansicht vieler Experten dem Getreideabkommen zu verdanken, das von den Vereinten Nationen und der Türkei zwischen der Ukraine und Russland vermittelt wurde. Dieses Abkommen half, die Märkte zu beruhigen und zugleich die Ärmsten der Armen mit Getreide versorgen zu können.

Das Abkommen zeigt auch auf, was häufig vergessen wird: Selbst in einem solch erbitterten Konflikt gibt es offene Gesprächskanäle. Das beweisen auch die regelmäßigen Austausche von Kriegsgefangenen. Natürlich werden solche Gespräche nicht auf höchster Ebene oder gar öffentlich geführt, aber diplomatische Erfolge geben Hoffnung, dass möglicherweise am Verhandlungstisch ein Ausweg aus diesem mörderischen Konflikt gefunden werden kann, jedenfalls mittel- oder langfristig.

Putins Ambitionen in Afrika sind zu groß, um den Deal zu stoppen

Aktuell ist es für solche Verhandlungen zu früh, dazu ist die militärische Lage zu unausgewogen. Viel wird auch davon abhängen, ob es gelingt, das Getreideabkommen erneut zu verlängern. In Gesprächen mit ukrainischen Offiziellen ist die zunehmende Unzufriedenheit über das Verhalten der russischen Seite spürbar, zugleich wächst der Druck auf die ukrainische Landwirtschaft als Rückgrat des Landes. Bräche dieser Wirtschaftszweig unter den Lasten der gestiegenen Kosten und der enormen Exportbeschränkungen zusammen, hätte das Land ein zusätzliches massives Problem.

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Der Binnenmarkt kann nicht ansatzweise kompensieren, was bislang bereits an Verlusten hingenommen werden musste, zumal auch Millionen Menschen – also potenzielle Konsumenten – das Land verlassen mussten. Moskau wird die ukrainische Seite zappeln lassen.

Jedoch ist nicht zu erwarten, dass Putin das Abkommen platzen lassen wird. Dazu sind die politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Russlands insbesondere nach Afrika hin zu groß, wo Putin und seine Machtclique sich gerne als Kämpfer gegen den Kolonialismus präsentieren. Sollte Russland schuld daran sein, dass die Getreidelieferungen in die ärmsten Länder dieser Welt ausbleiben, würde das zu einem enormen Image-Problem für Moskau.

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