Berlin. Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes wird wieder verhandelt. Verdi-Chef Frank Werneke verliert die Geduld mit den Arbeitgebern.

Unmittelbar vor der zweiten Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes hat die Gewerkschaft Verdi den Druck auf Bund und Kommunen abermals erhöht und mit einer massiven Ausweitung der Warnstreiks gedroht. „Den Arbeitgebern dürfte klar sein, dass wir im Bereich des öffentlichen Dienstes an ganz vielen Stellen arbeitskampffähig sind“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag unserer Redaktion. Er ergänzte: „Die Bereitschaft, sich an Aktionen zu beteiligen, ist so ausgeprägt und stark wie seit langer Zeit nicht mehr. Da ist jetzt richtig Druck auf dem Kessel.“

Am Mittwoch treffen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber in Potsdam zur zweiten Verhandlungsrunde für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen. Ende vergangener Woche hatte Verdi mit einem eintägigen Warnstreik an Flughäfen den Luftverkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Seit gut zwei Wochen gibt es bundesweit Arbeitsniederlegungen in zahlreichen weiteren Sparten des öffentlichen Dienstes – etwa in Kitas, Verwaltungen, bei Verkehrsbetrieben oder der Müllabfuhr. Werneke betonte jetzt: „Das weitere Geschehen in Sachen Warnstreiks ist abhängig vom Verhandlungsverlauf.“

Am Dienstag protestierten Hunderte Gewerkschaftsmitglieder wie hier in Schwerin.
Am Dienstag protestierten Hunderte Gewerkschaftsmitglieder wie hier in Schwerin. © dpa | Jens Büttner

Verdi: Beschäftigte sollen mindestens 500 Euro mehr pro Monat bekommen

Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern für die Beschäftigten 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro pro Monat. Sie begründen dies vor allem mit der hohen Inflation. Der Bund und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) weisen die die Forderung als überhöht und nicht finanzierbar zurück. Bei der ersten Verhandlungsrunde Ende Januar hatten die Arbeitgeber noch kein Angebot vorgelegt. Ob sie dies bei den Gesprächen am Mittwoch und Donnerstag in Potsdam tun werden, ist noch unklar.

Eine dritte Verhandlungsrunde ist für Ende März terminiert. Sollte ein Durchbruch bei den Gesprächen ausbleiben, drohen unbefristete Streiks. Der Konflikt im öffentlichen Dienst fällt zeitlich mit dem festgefahrenen Tarifstreit bei der Deutschen Post zusammen, dort findet bereits eine Urabstimmung statt. Bei der Deutschen Bahn wiederum beginnt die Tarifrunde Ende Februar. Im ungünstigsten Fall könnten die beteiligten Gewerkschaften in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder weite Teile der Infrastruktur und zentrale Dienstleistungen in Deutschland lahmlegen. Dies hätte dann zwangsläufig auch Auswirkungen auf andere Branchen, etwa die Industrie.

Verhandlungsführerinnen aufseiten der Arbeitgeber sind Bundesinnenministerin Nancy Faeser sowie die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (beide SPD) in ihrer Eigenschaft als VKA-Präsidentin. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte vor wenigen Tagen an die Gewerkschaften appelliert, Augenmaß zu bewahren. „Wenn zum Beispiel fast der gesamte Flugverkehr in Deutschland lahmgelegt wird, geht das weit über die normalen Signale eines Warnstreiks hinaus“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder beginnt die Tarifrunde im Herbst.

Gewerkschaft: Tariflöhne sollen dauerhaft steigen

Verdi-Chef Werneke forderte im Gespräch mit unserer Redaktion die Arbeitgeber von Bund und Kommunen auf, am Mittwoch ein Angebot vorzulegen – „und zwar nicht irgendeins, sondern ein gutes, damit es eine Perspektive für einen Abschluss gibt“. Wichtig für die Gewerkschaften sei, dass es eine ausgeprägte soziale Komponente für die unteren Entgeltgruppen gibt. „Die hohe Inflation betrifft diese Beschäftigten noch einmal stärker, sie müssen einen Großteil ihres monatlichen Budgets für Lebensmittel und Energie ausgeben.“

Werneke ergänzte: „Wir haben sehr viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die eher über untere und mittlere Einkommen verfügen. Deshalb ist uns der Mindestbetrag von 500 Euro besonders wichtig.“ In den ersten Gesprächen hätten zumindest die kommunalen Arbeitgeber eine solche Komponente kategorisch abgelehnt.

Verdi will zudem eine dauerhafte Steigerung der Tariflöhne durchsetzen und sich nicht mit der Inflationsausgleichsprämie zufrieden geben, in deren Rahmen Arbeitgeber ihren Beschäftigten einmalig bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei zahlen können. „Es muss auch zu einem dauerhaften Inflationsausgleich kommen“, betonte Werneke. „Die Arbeitgeber haben zum Verhandlungsauftakt erklärt, sie seien dafür nicht zuständig. Da stellt sich die Frage, wer dann dafür zuständig sein soll.“

Verdi-Chef Frank Werneke fordert von den Arbeitgebern bei der Verhandlungsrunde am Mittwoch ein Angebot.
Verdi-Chef Frank Werneke fordert von den Arbeitgebern bei der Verhandlungsrunde am Mittwoch ein Angebot. © dpa | Annette Riedl

Streikrecht: Werneke weist Vorstoß aus Reihen der Union brüsk zurück

Entschieden stellte sich der Gewerkschafter gegen Forderungen aus den Reihen der CDU, das Streikrecht einzuschränken: Die Mittelstandsunion MIT hatte kürzlich unter dem Eindruck der jüngsten Warnstreiks an Flughäfen dafür plädiert, Arbeitsniederlegungen im Bereich der kritischen Infrastruktur erheblich zu erschweren. Werneke sagte jetzt dazu: „Die Forderung der CDU-Mittelstandsunion ist unterste Schublade. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand aus der Union mit der Forderung kommt, das Streikrecht zu beschneiden.“ Das Streikrecht habe aber Verfassungsrang. „Es beschneiden zu wollen, ist ein Angriff auf das Grundgesetz.“

Die Möglichkeit zu streiken, sei der einzige Weg für abhängig Beschäftigte, ihre Interessen wirkungsvoll durchzusetzen, sagte der Verdi-Chef. „Ansonsten verkommen Tarifverhandlungen zu kollektiver Bettelei. Das mag vielleicht aus der Perspektive der Mittelstandsunion erstrebenswert sein. Aus der Perspektive von Beschäftigten ist das nicht akzeptabel.“