Erfurt. Die Erfurter Herbstlese startete traditionell mit dem Literarischen Quartett. Die Entzauberung des Bauhaus-Stars Walter Gropius sorgte für einen leidenschaftlichen Schlagabtausch. Bis Dezember gibt es mehr als 70 Veranstaltungen.

Wie kreativ war Walter Gropius wirklich? Folgt man der Biografie von Bernd Polster, entpuppt sich der Bauhaus-Gründer als dreister Hochstapler, der seinen Ruf als Designer und Architekt vor allem den Ideen anderer verdankte. Beim traditionellen Literarischen Quartett zum Auftakt der Erfurter Herbstlese – Motto: „Träume sind Schäume?“ – am Samstag sorgte die Entzauberung des Bauhaus-Stars im 100. Jubiläumsjahr der Designschule für einen leidenschaftlichen Schlagabtausch.

Einerseits gut erzählt, andererseits respektlos und auf Beschädigung bedacht, nannte Matthias Gehler vom MDR das Porträt. Gropius habe sich als Netzwerker und Wegbereiter verdient gemacht. Andere verwiesen auf die Rolle der Frauen am Bauhaus, die unter Gropius auf Rollenklischees wie Keramikwerkstatt oder Weberei festgelegt waren.

Ein Jahr nach dem Tod von Dietmar Herz, dessen langjährige Begleitung der Herbstlese Programmchefin Monika Rettig noch einmal würdigte, präsentierte Gastgeber Felix Leibrock wieder ein vollzähliges Quartett. Zur Männerrunde mit Leibrock, Gehler und dem Journalisten Dirk Löhr dazugestoßen ist Ute Lemm, künstlerische Betriebsdirektorin und Orchesterdirektorin am Theater Erfurt. Auch nach ihrem angekündigten Wechsel ans schleswig-holsteinische Landestheater will sie der Runde künftig erhalten bleiben.

Bernd Polster:
Bernd Polster: "Walter Gropius. Der Architekt seines Ruhms", Carl Hanser Verlag, 656 Seiten, 32,00 Euro © Hanser

Einmal mehr hatten sich die vier Matadoren jeweils ein Buch aus dem umfangreichen Herbstleseprogramm herausgepickt. Neben der Gropius-Biografie waren das „Unter Druck“ von Jana Simon, „Metropol“ von Eugen Ruge und „Wenn die Chinesen Rügen kaufen...“ von Friedrich Christian Delius. Die Mischung aus Realität, Fiktion und Vision in vielen Büchern des diesjährigen Leseherbstes lasse auf viel Spannung und Diskussionen hoffen. Bis Dezember finden mehr als 70 Veranstaltungen statt.