Berlin. Mit der Gasumlage wollte Wirtschaftsminister Habeck strauchelnde Gasversorger unterstützen. Nun steht die Maßnahme wohl vor dem Aus.

Um die angeschlagenen Gashändler zu retten und so die Versorgung aufrechtzuerhalten, sollen ab Oktober alle Gaskunden in Deutschland, gewerbliche wie private, eine Gasumlage zahlen. So zumindest plant es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bisher. Doch nun kommen aus seinem Ministerium Zweifel, ob das verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist und ob es angesichts der sich weiter zuspitzenden Lage noch sinnvoll wäre. Habecks ohnehin höchst umstrittene Gasumlage wackelt – auch weil sich eine Verstaatlichung des ums Überleben kämpfenden Gashändlers Uniper anbahnt.

Wenn der Staat Uniper übernimmt, kann er die Verluste direkt ausgleichen statt über den Umweg einer Gasumlage. Dass der Bund kurz vor einer Einigung mit der finnischen Uniper-Mutter Fortum steht, ließ das Düsseldorfer Unternehmen am Dienstag in einer Börsenpflichtmitteilung wissen. Der Bund soll den Finnen ihre Aktien abkaufen, das sei der Stand der „abschließenden Gespräche“.

Nach Informationen unserer Redaktion spricht in Berlin aktuell alles gegen eine bis 2024 laufende Gasumlage. Es werde zunehmend deutlich, dass die instabile Lage „die Macht und die Garantie des Staates sowie alle Finanzkraft des Staates braucht, die nötig ist“, heißt es aus Regierungskreisen.

Gasumlage: Bleibt sie eine Umlage auf Abruf?

Denn im Wirtschaftsministerium muss man davon ausgehen, dass der Finanzierungsbedarf für die Gasversorger deutlich höher liegt als noch bei der Aushandlung des ersten Rettungspakets für Uniper im Juli. Sie müssen das nicht mehr durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 gelieferte russische Gas durch immer teurer werdende Zukäufe an des Tagesmärkten ersetzen, um ihre Kunden weiter beliefern zu können.

Habecks Ministerium erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, ob die Gasumlage wackle: „Natürlich muss man auch im Blick behalten, wie sich der sich abzeichnende Stabilisierungsbedarf von systemrelevanten Unternehmen auf dem Gasmarkt auswirkt, welche Fragen er aufwirft und welche Antworten nötig sind.“

Aus Regierungskreisen war zu hören, dass die Gasumlage schon noch als Brücke gebraucht werde, aber: „Es muss diskutiert werden, ob sie nicht angesichts der aktuellen Lage durch andere Instrumente wie staatliche Finanzierungsinstrumente abgelöst werden muss“, heißt es.

Also eine Gasumlage auf Abruf? Dafür spricht, dass eine Verstaatlichung von Unternehmen nicht über Nacht vollzogen werden kann, schon gar nicht bei börsennotierten. Der am Montag in den S-Dax abgestiegene Uniper-Konzern will in diesem Herbst eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, die dem Staatseinstieg zustimmen soll. Bis dahin verlören die Düsseldorfer weiterhin jeden Monat rund drei Milliarden Euro, wenn die Gasumlage nicht kommt.

Gasumlage würde teurer als 34 Milliarden Euro

Mit seiner Umlage wollte Habeck Uniper, Gazprom Germania (inzwischen in Sefe umbenannt) und die Leipziger EnBW-Gastochter VNG stützen. Zuletzt arbeitete sein Haus daran, dass die acht weiteren Unternehmen, die ebenfalls Bedarf angemeldet haben, aber nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, die Umlage nicht erhalten. Am Umfang der bisher auf 34 Milliarden Euro taxierten, bis Frühjahr 2024 laufenden Umlage würde das freilich wenig ändern, denn rund 92 Prozent davon entfallen auf die drei größten Sorgenkinder. Man sei „auf einem guten Weg“, die so genannten Trittbrettfahrer aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszuschließen, erklärte das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion.

Allerdings ist jetzt schon klar, dass es noch mehr Geld braucht und die bisher auf 2,4 Cent je Kilowattstunde festgesetzte Gasumlage nicht reichen wird. So erklärte Uniper unlängst, inzwischen mehr als 100 Millionen Euro pro Tag zu verlieren, im August waren es noch 60 Millionen. Genau das hat die Bundesregierung dazu bewogen, über eine mehrheitliche Verstaatlichung von Deutschlands größtem Gasimporteur nachzudenken.

Mittelstand fordert Abkehr von der Umlage

Das wiederum warf sofort die Frage auf, ob dann die ohnehin höchst umstrittene Gasumlage überhaupt noch gebraucht werde und zu rechtfertigen sei. Schließlich würde der Staat sie erheben und zum größten Teil in sein eigenes Unternehmen weiterleiten – also von der rechten in die linke Tasche. VNG liegt als EnBW-Tochter bereits mehrheitlich in staatlicher Hand – der des Landes Baden-Württemberg.

Für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) steht fest: „Die Gasumlage muss weg“, wie der BVMW-Bundesvorsitzende Markus Jerger unserer Redaktion sagte. Die Gasumlage sei von Beginn an mit „heißer Nadel gestrickt und von handwerklichen Fehlern durchzogen“ gewesen, sagte Jerger.

Auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn dringt darauf, die Umlage zu kippen. „Es ist höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen und die Chaosumlage einfach abzuschaffen. Wenn der Wirtschaftsminister das nun eingesehen hätte, wäre das eine gute Nachricht“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. Die Union hat dafür einen Antrag im Bundestag eingereicht, mit dem sie die Gasumlage abschaffen will. Am Freitag steht er auf der Tagesordnung.