Berlin. Ab Januar sind Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltauflagen einzuhalten. Wer das nicht tut, muss zahlen. Richtig so.

Eigentlich sind es Selbstverständlichkeiten, die ab 1. Januar nun auch offiziell gelten. Kinder sollen nicht wie Erwachsene arbeiten, sondern in die Schule gehen. Beschäftigte erhalten Löhne, die ihnen ein normales Auskommen ermöglichen. Fabrikgebäude müssen so gebaut werden, dass sie nicht zusammenbrechen. Unternehmen dürfen ihren Nachbarn kein Land stehlen.

Diese und ähnliche Vorschriften stehen im Lieferkettengesetz, das zum Jahresanfang 2023 in Kraft tritt. Die Einhaltung auch bei ihren Lieferanten in aller Welt zu überprüfen, sind hiesige Unternehmen dann verpflichtet.

Und doch haben Organisationen wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Arbeitgeberverband (BDA), der Dachverband der Industrie- und Handelskammern (DIHK) und der Verband Textil&Mode das Gesetz jahrelang bekämpft. Noch auf den letzten Metern vor Weihnachten wurde gefordert, die Regelung zu verschieben.

Menschenrechte müssen auch gelten, wenn ihre Einhaltung etwas kostet

Ein Grund war und ist die Angst vor zusätzlicher, überbordender Bürokratie. Tatsächlich betrifft das Gesetz in erster Linie mittlere und große Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (mit über 1.000 ab 2024), die sich ohne Probleme ein, zwei Leute leisten können, um die neuen Verfahren umzusetzen.

Manager aus Essen oder Waiblingen müssen auch nicht in den afrikanischen Dschungel reisen, um noch auf dem kleinsten Bauernhof persönlich nach Kinderarbeit zu fahnden. Vor allem sollen sie sicherstellen, dass ihre direkten, wichtigsten Lieferanten die Menschenrechte respektieren.

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Hannes Koch ist Wirtschaftsredakteur.
Hannes Koch ist Wirtschaftsredakteur. © Privat

Und ist die Angst der Firmen und Verbände vor Benachteiligung gerechtfertigt, weil ihre Konkurrenten das deutsche Gesetz nicht einhalten müssen? Nein, es gilt für alle, auch ausländische Unternehmen, die hierzulande eine Niederlassung betreiben.

Sehr wahrscheinlich kommt bald außerdem eine EU-Richtlinie, die ähnliche Vorschriften wie in Deutschland für ganz Europa festlegt. Diese Regulierung im drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt dürfte Ausstrahlungskraft für die anderen Kontinente entwickeln. Viele international tätige Firmen werden sich diesem Standard anpassen.

Und wem selbst das nicht reicht: Menschenrechte müssen auch gelten, wenn ihre Einhaltung etwas kostet.

Schlechte Arbeitsbedingungen ermöglichen höhere Gewinne

Bisher war etwa in den Konventionen der Vereinten Nationen schon alles niedergeschrieben – vom Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit über die Gewerkschaftsfreiheit, das Recht auf angemessene Bezahlung bis zu Obergrenzen für die Arbeitszeit. Leider nahmen die meisten Firmen billigend in Kauf, dass ihre ausländischen Zulieferer sich nicht daran hielten.

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Die Vorteile der Globalisierung bestanden auch darin, dass schlechte Arbeits- und Umweltstandards niedrige Produktionskosten und höhere Gewinne ermöglichten. Das Ergebnis waren katastrophale Unfälle wie der Zusammenbruch der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 mit über 1.100 Toten und der Brand des Bekleidungsbetriebs Ali Enterprises in Pakistan 2012 mit über 250 Toten.

Lieferkettengesetz: Eigentlich eine Selbstverständlichkeit

Die Angehörigen der Opfer und die Geschädigten hatten schlechte Chancen, ihre Ansprüche vor hiesigen Gerichten durchzusetzen. Auch das dürfte sich mit der Zeit ändern. Während die zivilrechtliche Haftung der deutschen Auftraggeber für ihre ausländischen Lieferanten im Lieferkettengesetz noch nicht verankert ist, wird die EU-Richtlinie solche Schadenersatzregelungen nach europäischem Recht wohl etablieren.

Wer gegen Gesetze verstößt, muss Strafe zahlen und Schadenersatz leisten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit