Berlin. Bundeswirtschaftsminister Habeck kündigt eine Reform des Strommarktes an. Warum der Strompreis zuletzt in die Höhe geschossen ist.

Nicht nur Gaskunden graut es in diesen Tagen vor der Rechnung. Auch der Strompreis ist nach Ausbruch des Ukraine-Krieges in die Höhe geschossen. Wie das Vergleichsportal Check24 jüngst mitteilte, haben 169 Grundversorger Preiserhöhungen angekündigt, rund 3,5 Millionen Haushalte müssen demnach bald mehr für Elektrizität zahlen. Und die Erhöhungen dürften saftig ausfallen. Laut Check24 planen die Grundversorger für den September im Durchschnitt Preissteigerungen von 47 Prozent.

Ein Grund für die drastischen Aufschläge: Der Strompreis im Großhandel ist zuletzt immer teurer geworden. Das wiederum liegt auch an dem sogenannten Merit-Order-Prinzip.

Strom: Darum ist der Preis stark gestiegen

Das besagt, dass sich der für den Folgetag gehandelte Strompreis an den Börsen stets am teuersten Stromerzeuger orientiert. Zunächst soll die günstigste Art der Stromerzeugung genutzt werden, um die Nachfrage zu decken. Das sind in der Regel erneuerbare Energien, schließlich ist Sonne ebenso wie Wind kostenfrei. Übersteigt die Nachfrage aber das Angebot nach den erneuerbaren Energien, wird die nächstgünstigste Form der Energieerzeugung herangezogen, etwa die Wasserkraft oder Kernenergie.

Verbraucher müssen mit sehr viel höheren Kosten für ihren Strom rechnen.
Verbraucher müssen mit sehr viel höheren Kosten für ihren Strom rechnen. © dpa | Philipp von Ditfurth

Der Preis für diese Form der Energieerzeugung bestimmt dann als Einheitspreis den Marktpreis. Reicht das immer noch nicht aus, um die Nachfrage zu decken, muss Strom aus Kohlekraftwerken oder im Extremfall aus Gaskraftwerken abgenommen werden, es wird noch teurer. Für die Erzeuger von erneubaren Energien hat das Vorteile: Ihre Marge wächst.

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Der hohe Gaspreis wirkt sich auf den Strompreis aus

Dieser Vorteil, der in der Theorie den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben soll, hat zuletzt aber regelrecht absurde Züge angenommen. Der Gaspreis hat sich auf Jahressicht am niederländischen Referenz-Handelsplatz TTF verzwölffacht.

Zugleich ist die Nachfrage groß – auch weil Deutschland beispielsweise Strom nach Frankreich exportiert, wo aufgrund von Korrosionsrisiken und Wartungsarbeiten derzeit mehr als jedes zweite Atomkraftwerk stillsteht. Entsprechend bestimmt der Preis für die Gasverstromung derzeit den Stromhandelspreis an der Börse.

Habeck will Strommarkt reformieren

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nun den Endkundenpreis für Strom vom Gaspreis entkoppeln und den Strommarkt reformieren. Von den „Übergewinnen“, die derzeit bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien entstehen, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Industrie künftig stärker profitieren, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Da eine solche Strommarkt-Reform aber Zeit brauche, richte man den kurzfristigen Fokus auf eine Übergewinnsteuer, hatte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mitgeteilt.

Eigentlich lehnt die FDP eine Übergewinnsteuer entschieden ab. Am Strommarkt aber will auch Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht länger tatenlos zusehen: „Am Strommarkt hat die Politik einen Profit-Autopiloten eingerichtet“, sagte der FDP-Chef der „Bild am Sonntag“. Die Gewinne von Produzenten von Solar-, Wind- oder Kohlestrom würden „zu Lasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde“ steigen, führte Lindner aus. Er fordert daher von seinem Kabinettskollegen Habeck Tempo bei der Reform des Strommarktes.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.