Berlin. Honig ist deutlich teurer geworden. Die Ukraine ist eines der größten Produzentenländer. Aber auch andere Faktoren treiben den Preis.

Für viele Deutsche gehört der gelbe Brotaufstrich zum Frühstücksritual dazu. Rund ein Kilogramm Honig verzehren die Bürger hierzulande pro Jahr, wahlweise auch als Süßungsmittel für Tee oder Kaffee. Beim Einkaufen machen sie derzeit aber Erfahrungen, die nicht nach ihrem Geschmack sind. Die Preise für Honig ziehen seit Monaten deutlich an. Für den Januar meldete das Statistische Bundesamt ein Plus von 21,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – aber woran liegt das?

Bei der Ursachenforschung schweifen die Blicke gen Osten. „Die Ukraine ist ein großer internationaler Honigproduzent und gehört zusammen mit Argentinien und Mexiko in Deutschland zu den stärksten drei Importländern“, sagt Frank Filodda im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Vorsitzender des Honig-Verbandes mit Sitz in Hamburg, seit mehr als 30 Jahren im Geschäft und führt im Hauptberuf den größten deutschen Abfüller und Vertreiber Fürsten-Reform in Braunschweig.

Etwa ein Drittel des Importhonigs kommt aus der Ukraine

Bis zum Jahr 2014 habe die Ukraine vor allem Russland beliefert, sagt der Honigexperte. Als sich die Beziehungen beider Staaten 2014 wegen der Annexion der Krim verhärteten, orientierte sich das zweitgrößte europäische Flächenland Richtung Westen. Die USA und Länder der Europäischen Union seien immer wichtigere Abnehmer geworden.

„Vor Kriegsausbruch wurden etwa 60.000 bis 70.000 Tonnen Honig pro Jahr in der Ukraine produziert, davon wurden rund 50.000 Tonnen in die EU exportiert“, sagt Filodda. Der einstige Sowjetstaat entwickelte sich zum wichtigsten Importland der EU für Honig mit einem Importanteil von etwa einem Drittel.

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Die Erntemenge in der Ukraine sinkt deutlich

Nachdem der Krieg Ende Februar 2022 begann, blieben zunächst Lieferungen in den Westen aus. Doch schnell hätten die Unternehmen diese wieder aufgenommen. „Wir haben alle gestaunt, wie gut die Firmen in der Lage waren, den Markt weiter mit Honig zu bedienen“, sagt Filodda. Geholfen habe, dass die EU ab Juni 2022 den Zoll von normalerweise 17,3 Prozent für ukrainischen Honig aufgehoben habe.

Unterm Strich wurde aber als Folge des russischen Angriffskriegs deutlich weniger hergestellt. Filodda schätzt die Menge auf 40.000 bis 45.000 Tonnen in der Ukraine – ein Minus von bis zu rund 40 Prozent. Deutschland habe sich 2022 mit rund 14.000 Tonnen zwar sogar etwas mehr Honig als im Vorjahr sichern können, aber andere europäische Staaten griffen vor allem vermehrt auf Ware aus China zurück. Die ist in der Bundesrepublik aber nicht hoch angesehen, nachdem vor 20 Jahren eine verbotene Substanz in dem Bienenprodukt made in China gefunden wurde. Auch setze man dort Technik ein, was man hierzulande gemäß Honigrichtlinie ablehne.

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Der Honigmarkt gilt seit zwei Jahren als angespannt

Bekanntlich sorgt weniger Angebot bei nach wie vor intakter Nachfrage für steigende Preise – und der Honigmarkt sei ohnehin seit 2021 angespannt gewesen. Neben Schwierigkeiten bei Ernten trugen dazu die USA bei, die letztlich Anti-Dumping-Verfahren gegen vier große Lieferländer beschloss. Als Konsequenz bevorratete sich das Land, bevor die höheren Zollsätze griffen. Die Preise begannen zu steigen.

Gestützt wurde diese Entwicklung von den üblichen Auswirkungen der Pandemie: Es gab Transportprobleme, Container für den Schiffsverkehr waren knapp, die Frachtraten schossen in die Höhe. Mit dem Krieg stiegen die Energiepreise massiv, für die Abfüllung genutzte Materialien wie Glas oder Plastikdeckel wurden deutlich teurer.

Wichtiges Erzeugerland Argentinien leidet unter extremer Inflation

Mit Argentinien leidet eines der wichtigsten Erzeugerländer – das Land des Fußball-Weltmeisters sowie die Ukraine und Mexiko stehen für jeweils etwa zwölf bis 15 Prozent der Weltlieferungen – unter massiven Inflationsraten von zuletzt fast 100 Prozent. Die dortigen Imker müssen ihre gestiegenen Kosten ebenfalls weitergeben. „Es hat sich in vielen Bereichen etwas zusammengebraut“, sagt Filodda.

Eine Prognose, wie sich die Preise in diesem Jahr entwickeln, will er nicht abgeben. Zwar gebe es in einigen Bereichen eine Beruhigung, weil zum Beispiel die Frachtraten nun deutlich sinken. Aber es seien viele Unwägbarkeiten im Spiel – wie das Small-Talk-Thema Nummer eins.

Wetter hat entscheidenden Einfluss auf die Ernte

„Das Wetter spielt immer eine große Rolle“, sagt Filodda. Bei Trockenheit wüchsen die Pflanzen nicht richtig, der Nektarfluss sei zu gering, sodass die Bienen nicht genug Nektar und Pollen fänden. Im Bienenstock müsse es immer um 36 Grad Celsius warm sein, also müssten die Imker bei großer Hitze für Beschattung sorgen. Der Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre belaste die Qualität der Nahrung.

„Regen wäscht Blüten aus, Bienen können dann nicht richtig fliegen – bei Sturm schon gar nicht“, sagt Filodda: „Wir haben zu viele Wetter-Extreme. Derzeit ziehen Hitze, Trockenheit plus Starkregen und Stürme vor allem südeuropäische Länder in Mitleidenschaft. Es scheint, als würden derzeit nördlich gelegene Länder davon weniger betroffen sein.“

In Deutschland werden zwischen 20.000 bis 25.000 Tonnen geerntet

Im vergangenen Jahr war die Entwicklung in Deutschland ähnlich: gute Ernte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wegen Schlechtwetterperioden schlechte in Baden-Württemberg. Denn Honig wird natürlich nicht nur importiert. Zwischen 20.000 und 25.000 Tonnen werden hierzulande hergestellt. Die Saison brummt zu Zeiten der Rapsblüte ab April und reicht bis Juli.

Irgendwo auf dem Globus ist aber immer Erntezeit. 80.000 bis 85.000 Tonnen jährlich importiert Deutschland. Von den zusammen gut 100.000 Tonnen werden etwa 80 Prozent im Land als Speisehonig oder als Zutat in der Lebensmittelindustrie verbraucht, der Rest wird ins Ausland weitergehandelt. Die Bundesrepublik gehört damit zu den großen Spielern auf dem globalen Markt. „Weltweit werden jährlich rund 1,7 Millionen Tonnen Honig hergestellt. Gehandelt wird davon aber nur knapp ein Drittel“, sagt Filodda. Häufig vertrieben die Imker ihre Ware nur lokal, viele Länder nähmen gar nicht am Handel teil.

Probleme in der Ukraine nehmen zu

Das unterstreicht die wichtige Rolle der Ukraine, die vor allem als weltgrößter Lieferant von Sonnenblumenöl bekannt ist – aber auch das hängt zusammen. „Sonnenblumen sind eine sehr gute Quelle für Bienen, für Nektar und damit für Honig. Der ukrainische Honig ist sonnengelb, cremig, hat einen sehr angenehmen, süßen Geschmack und trifft damit die Vorstellung vieler Verbraucher von Honig“, sagt Filodda.

Frank Filodda ist Vorsitzender des Honig-Verbands.
Frank Filodda ist Vorsitzender des Honig-Verbands. © Ulrich Perrey | A3417 Ulrich Perrey

Dass das Land an seine angesichts des Krieges gute Ernteausbeute von 2022 anschließen kann, erwartet er nicht. Zwar seien alle Firmen bemüht, aber die zunehmenden Störungen wie Stromausfälle, Transport- und Sicherheitsprobleme belasteten. Die alte Ernte sei weitgehend ausgeliefert. „Aufgrund der Tatsache, dass viele Imker durch den Krieg nicht mehr bei ihren Völkern sein können, wird die Erntemenge dieses Jahr voraussichtlich sinken.“ Einen Versorgungsengpass erwartet er aber nicht.

Discounter und Supermarktketten äußern sich nicht zur Preisen

Bleibt die Frage, ob die Deutschen in Zukunft ihren Verbrauch anpassen und weniger kaufen werden, wenn die Preise weiter steigen sollten. Die großen Supermarktketten und Discounter machten auf Anfrage keine Angaben zu Preisentwicklungen. Man äußere sich dazu generell nicht, hieß es mehr oder weniger wortgleich von Aldi, Lidl und Rewe mit der Tochter Penny. Edeka antwortete gar nicht.

Angesichts des Verbrauchs von einem Kilogramm in Deutschland pro Jahr und Person dürften die Preissteigerungen die Haushalte wohl aber nur wenig belasten. 500 Gramm Honig sind derzeit in den Supermärkten ab vier Euro erhältlich.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de