Berlin. Dürren, Ernteausfälle, Hitzetote: Der Klimawandel macht sich brachial bemerkbar. Der Weltklimarat sagt: Noch lasse sich gegensteuern.

In Südfrankreich haben am Wochenende Bauern einen Heiligen um Regen angefleht, weil schon im Winter die Böden zu trocken sind. Die spanische Urlaubsinsel Mallorca versinkt Ende Februar noch in seltenem Schneechaos, kurz drauf kommt Hitze wie sonst nur im Juni oder Juli. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind im vergangenen Sommer in Europa mindestens 15.000 Menschen aufgrund von Hitze vorzeitig gestorben, davon 4500 in Deutschland mit seinen Temperaturen von teils mehr als 40 Grad.

Die Klimakrise macht sich gefährlich bemerkbar. Extreme Wetter nehmen allerorten zu. So blieb am Horn von Afrika im Herbst wieder der Regen aus, zum fünften Mal in Folge. Die Menschen in Somalia, Eritrea und Äthiopien sind von Hunger bedroht. Dazu kommen Starkregen, Fluten. Doch noch lässt sich gegensteuern. Das zeigt der neue „Synthese“-Bericht des Weltklimarats IPCC, ein Mammutwerk, das den aktuellen Wissensstand zur Erderhitzung spiegelt.

Weltklimarat IPCC: Bericht sieht sich „schnell schließendes Zeitfenster“

Forscher der ganzen Welt haben dafür sieben Jahre lang Fachartikel durchforstet, Sachstands- und Spezialberichte erstellt, jetzt die Kernbotschaften herausgearbeitet. In den vergangenen Tagen haben sie die Formulierungen in der Schweiz mit Vertretern der fast 200 UN-Staaten verhandelt. Nicht allen Regierungen passen alle Erkenntnisse, das endgültige Dokument wurde erst mit 48 Stunden Verspätung vorgelegt. Dennoch ist eine „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ entstanden, die sich als Aufruf verstehen lässt: „Ran an die Arbeit!“

Die Zeit für Ausreden scheint vorbei. Es gebe ein sich „schnell schließendes Zeitfenster“, so der Weltklimarat, der schon 1988 gegründet wurde und zum sechsten Mal einen solchen Bericht vorlegt. Die kommenden Jahre seien entscheidend, auch für die Frage, in was für einer heißen Welt die Kinder von heute leben werden.

Erderwärmung: 1,5 Grad spätestens in den frühen 2030er Jahren erreicht

Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich die Menschheit zwar schon 2015 vorgenommen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Doch mit den bisherigen Klimaschutzzusagen der verschiedenen Staaten sind die 1,5 Grad spätestens in den frühen 2030 Jahren erreicht. Heute sind es bereits 1,1 Grad. Und bis zum Jahr 2100 bewegt sich die Erde eher auf 3,2 Grad zu – im globalen Schnitt.

Für Deutschland bedeute das sogar 6 Grad mehr, erklärt Klimaforscher und Ozeanograf Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Landgebiete erwärmen sich etwa doppelt so schnell wie der globale Schnitt, bei dem auch die Meeresgebiete einbezogen sind, über denen sich die Luft aber weniger schnell aufheizt.“

Der Weltklimarat schlägt Alarm: Wird die Erderwärmung nicht gebremst, sind nicht nur Tierarten wie der Eisbär stark gefährdet, sondern auch Lebensräume des Menschen.
Der Weltklimarat schlägt Alarm: Wird die Erderwärmung nicht gebremst, sind nicht nur Tierarten wie der Eisbär stark gefährdet, sondern auch Lebensräume des Menschen. © AFP | EKATERINA ANISIMOVA

Die Dringlichkeit ist noch nicht verstanden. Schon wegen der bestehenden und geplanten Infrastruktur für fossile Brennstoffe, also für Öl, Gas, Kohle, werde das verbleibende Kohlenstoffbudget „schnell erschöpft sein“, so der Weltklimarat.

Der Anstieg des Meeresspiegels sei aufgrund der anhaltenden Erwärmung der Tiefsee und des Abschmelzens der Eisschilde für Jahrhunderte bis Jahrtausende nicht mehr aufzuhalten. Grundsätzlicher erklärt der IPCC: „Künftige Veränderungen sind unvermeidbar, können aber begrenzt werden.“

Und nun?

CO2-Absauger ersetzen nicht Umstieg auf erneuerbare Energien

Nähme die Welt die 1,5 Grad-Grenze ernst – die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen in diesem Sinne zu handeln – müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 und bis 2035 um 65 Prozent gemindert werden, um 2050 bei Netto-Null-CO2-Emissionen zu landen, heißt es im Bericht.

Ohne Techniken, mit denen CO2 aus Abgasen abgeschieden oder aus der Luft herausgefiltert und in unterirdischen Lagern gespeichert wird – Experten sprechen von CDR, (Carbon Dioxide Removal) – werde es nicht gehen. Sie ersetzen aber nicht den generellen Umstieg auf erneuerbare Energien, auf Sonnenenergie und Windkraft.

Die Kosten emissionsarmer Technologien seien seit 2010 gesunken (Solar um 85, Wind um 55, Lithium-Ionen-Batterien um 85 Prozent). Der Ausbau aber: zu langsam, auch in Deutschland. Auch das Umweltbundesamt forderte erst vor wenigen Tagen mehr Tempo beim Ausbau der „Freiheitsenergien“ wie sie FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner mal nannte, weil Wind- und Solarkraft auch unabhängiger von fossilen Energien anderer Staaten machen.

Extreme Trockenheit: Dürren als eine Folge der Klimaerwärmung machen Deutschland und Europa zu schaffen. Hier zu sehen die Edersee-Talsperre in Hessen.
Extreme Trockenheit: Dürren als eine Folge der Klimaerwärmung machen Deutschland und Europa zu schaffen. Hier zu sehen die Edersee-Talsperre in Hessen. © picture alliance / AA | Abdulhamid HoÅbaÅ

Holz, Meer, Ackermethoden: Wie lässt sich der Klimawandel bremsen?

Da Holz während seines Wachstums Treibhausgase bindet, sollen Wälder aufgeforstet werden allerdings nur solange dies sich nicht negativ auswirkt etwa auf die biologische Vielfalt. In der Meeresnatur, in Mangroven, Seegras-, Salzwiesen und Seetang kann CO gebunden werden. Diese Blue-Carbon-Ökosysteme sollen erhalten und wiederhergestellt werden.

Zudem sollen Ackermethoden verändert werden. Gibt es mehr Humus im Boden, wird mehr Kohlenstoff gespeichert. Wird weniger Fleisch gegessen, wird weniger Wald für riesige Flächen zum Futteranbau gerodet.

Was die klimafreundliche Zukunft kosten wird? Es sei „weltweit ausreichend Kapital vorhanden“, so der Weltklimarat. Die Internationale Energieagentur IEA hat soeben vorgerechnet, dass 2022 die weltweiten Subventionen für den Verbrauch fossiler Brennstoffe auf über eine Billion US-Dollar angestiegen sind. Beten allein reicht nicht.