Berlin. Soja statt Schnitzel? Freiburgs Pläne für ein vegetarisches Schulessen empören Eltern und Politiker. Das sagen Ernährungsexperten.

Spaghetti Bolognese ist ein beliebtes Kindergericht. Auch Würstchen mit Ketchup gehen im Grunde immer. Doch das kommt in Freiburgs Kitas und Grundschulen nicht mehr auf den Tisch: Dafür wohl eher so etwas wie Linsensuppe, Kohlrabi oder Spinatfpannkuchen.

Klingt lecker. Und passend zum Zeitgeist von vegan und Nachhaltigkeit. Doch die Pläne zum vegetarischen Einheitsmenü der Stadt Freiburg zur neuen Art der Ernährung stoßen auf Kritik: Zu einer ausgewogenen Ernährung gehöre auch Fleisch, teilte das Ministerium in Stuttgart mit. Eine ausschließlich vegetarische Ernährung als Vorgabe unterstütze das Agrarministerium deshalb nicht

Auch Eltern protestieren. Vor allem deshalb, weil die Preise für Schulessen vom Schuljahr 2023/24 an schrittweise erhöht werden. Elternbeiräte liefen Sturm gegen den Vorschlag, der mit 27 Stimmen bei 14 Gegenstimmen angenommen wurde. Die Stadt machte vor allem Kostengründe geltend.

Vegetarische Ernährung: Jetzt reagiert das Ministerium

Die Einschätzung des Ministeriums – es ist auch für Ernährung verantwortlich: „Kinder sollen in ihrer Entwicklung die Möglichkeit haben, einen eigenen Geschmack zu entwickeln und sich auszuprobieren. Dazu gehört auch der Verzehr von Fleisch“, teilte das Ministerium mit. Verminderte Mengen seien dabei durchaus angebracht. Auch im Sinne des Tierwohls.

Schnitzel mit Pommes: Kinder mögen es. An Freiburgs Kitas und Grundschulen soll es das nicht mehr geben.
Schnitzel mit Pommes: Kinder mögen es. An Freiburgs Kitas und Grundschulen soll es das nicht mehr geben. © dpa | Philipp von Ditfurth

Bisher gibt es in Freiburg zwei Essensvarianten, wobei auch Fleisch und Fisch auf die Teller kommen. Auf längere Sicht sei es möglich, die Regelung mit dem Einheitsmenü auch auf weiterführende Schulen anzuwenden. Der Anteil von Bio-Produkten bei der Schul- und Kita-Verpflegung soll auf 30 Prozent steigen – bisher sind es 20 Prozent. Doch Fleischersatz stoße nicht bei jedem Kind auf Zuneigung.

Vorwurf an Freiburg: Stadt schreibt den Schülern vor, was sie essen sollen

Der Freiburger Vorstoß hat im Südwesten Beispielcharakter: Das Stuttgarter Landwirtschafts- und Ernährungsministerium teilte mit, es sei ihm keine andere Stadt oder Kommune bekannt, die eine komplett fleischlose Kost in Kitas und Schulen anbiete. An Freiburger Schulen werden jährlich mehr als 500.000 Mittagessen in den Mensen ausgegeben.

„Den Schülerinnen und Schülern wird vorgeschrieben, was sie zu essen haben“, kritisierte Gerlinde Schrempp von den Freien Wählern (3 Sitze) bei der Debatte im Gemeinderat. Stadtrat Franco Orlando von der Fraktion der FDP und BFF (Bürger für Freiburg; 4 von 48 Sitzen) hatte schon zuvor erklärt, der Stadtspitze unter dem parteilosen Oberbürgermeister Martin Horn sei „Fleischkonsum ein Dorn im Auge“. Im Gemeinderat hat Grün-Rot eine Mehrheit.

Das zweifelhafte Argument mit den Kosten – Einwände der Eltern

Bildungsbürgermeisterin Christine Buchheit (Grüne) verteidigte den Vorschlag: „Wir wollen die Kostensteigerungen im Rahmen halten“, sagte sie. Gutes Fleisch sei ein Preistreiber. Auch der Landeselternbeirat Baden-Württemberg formulierte deutliche Einwände. Eltern müssten bereits für die Beförderung der Kinder zur Schule zahlen, sagte der Vorsitzende Michael Mittelstaedt.

Frisch, gesund und vegetarisch – manche Kinder fremdeln damit.
Frisch, gesund und vegetarisch – manche Kinder fremdeln damit. © dpa-tmn | Christin Klose

Neue Kosten für Eltern dürfe es nicht geben. „Mit welcher Rechtfertigung soll denn vegetarisches Essen mehr kosten als fleischhaltiges Essen? Bio-Siegel? Lachhaft“, sagte Mittelstaedt. Es sei eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, Essgewohnheiten zu ändern. „Damit wären Subventionen hier mehr als angebracht.“

Protest der Eltern: Statt günstiger soll das fleischlose Essen teuer werden

Der Vizevorsitzende des Freiburger Gesamtelternbeirats, Sebastian Kölsch, kritisierte, dass der Elternbeitrag für ein Schul-Mittagessen von derzeit von 3,90 Euro bis September übernächsten Jahres auf 4,80 Euro steigen solle. „Freiburg liegt mit seinen Preisen bei Großstädten im Südwesten nach unseren Recherchen schon jetzt an der Spitze“, sagte er und bemängelte zudem, dass es künftig keine Wahlmöglichkeit mehr für die Kinder geben solle.

Der Gesamtelternbeirat könne sich ein Streichen des Fleischs vorstellen – etwa durch zwei vegetarische Gerichte. „Die Wahl zwischen Gemüselasagne und Dampfnudeln ist auch eine Auswahl“, sagte er. Auch eine optionale Fleischbeilage zum vegetarischen Gericht sei denkbar, zum Beispiel einmal wöchentlich.

Grundsätzlich seien Eltern aber nicht gegen eine fleischlose oder fleischreduzierte Mahlzeit und würden für ihre Kinder zuhause auch auf manches vegetarische Gericht setzen. Allerdings sei es aus Kostengründen in Supermärkten häufig günstiger, Fleisch zu kaufen, kritisieren sie.

In Karlsruhe, einer anderen badischen Großstadt, gibt es keine vergleichbaren Pläne. Das Angebot eines zweiten Menüs sei wichtig, um auf die persönlichen Vorlieben der Essensteilnehmer einzugehen und damit die Akzeptanz zu erhöhen“, teilte eine Sprecherin der Stadt mit.

Reaktionen der Kinder- und Jugendärzte auf die fleischlose Kost

Wie gesund ist vegetarische Ernährung für Kinder? „Da der Mensch Eisen aus Fleisch besser verwerten kann als aus Pflanzen, begünstigt eine fleischlose Nahrung Eisenmangel“, erläuterte der Experte Hans-Jürgen Nentwich vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Erhöhten Eisenbedarf hätten aber vor allem Säuglinge und Mädchen während der Menstruation.

Das sagt die Wissenschaft: So gesund ist vegane und vegetarische Ernährung für Kinder

„Bei Verzicht auf alle tierischen Produkte bestehe zudem ein hohes Risiko für eine Vitamin-B12-Unterversorgung, da dieses Vitamin nur in Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu finden sei. Wichtig sei außerdem, bei einem rein pflanzlichen Speiseplan auf ausreichend Eiweißzufuhr zu achten. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte könnten dafür sorgen. „Je größer die Anzahl der Lebensmittel ist, auf die Kinder und Jugendliche verzichten, desto größer ist das Risiko für Mangelzustände“, hieß es aus dem BVKJ.

Ergebnisse einer kanadischen Studie lassen aufhorchen

Eine kanadische Studie, bei der die Daten von 8907 kanadischen Kindern im Alter von sechs Monaten bis acht Jahren ausgewertet wurden, kam zu dem Fazit, dass die Sorge von Unterversorgung bei einer ausgewogenen vegetarischen Ernährung allerdings unbegründet sei. Sie beobachteten lediglich, dass diese Kind „geringfügig eher dazu neigten, untergewichtig zu sein“. Deshalb sei es wichtig, aufmerksam zu sein, wie viele Nährwerte eine Mahlzeit für das Kind tatsächlich beinhaltet. Gemüse habe tendenziell weniger Kalorien als ein Stück Fisch oder Fleisch.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.